Altbischof Reinhold Stecher gestorben

Der römisch-katholische Altbischof von Innsbruck ist am Dienstagabend im 92. Lebensjahr nach einem Herzinfarkt verstorben. Er hat 16 Jahre lang die Geschicke der Diözese Innsbruck geleitet und sich stets für eine „offene Kirche“ eingesetzt.

Der Innsbrucker Reinhold Stecher war von 1981 bis 1997 römisch-katholischer Diözesanbischof in seiner Heimatstadt Innsbruck und damit der zweite Bischof in der jungen Geschichte der 1968 errichteten Diözese. Stecher machte sich vor allem um die christlich-jüdische Verständigung verdient, setzte sich immer für Flüchtlinge ein und trat als Bergsteiger, Buchautor, Maler und Zeichner in Erscheinung.

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ORF

Sendungshinweis

Aus Anlass des Todes des Innsbrucker Altbischofs Reinhold Stecher ändert der ORF sein Programm und zeigt in Kreuz und Quer ein sehr persönliches Porträt des engagierten Kirchenmannes.

Mehr dazu in: Film-Portrait Reinhold Stecher

Wiederholungen:
Mittwoch, 30. Jänner 2013
um 21.00 Uhr, ORF III und

Donnerstag, 31. Jänner 2013
um 11.55 Uhr, ORF 2

Mit seinen Äußerungen zu innerkirchlichen Themen machte sich der nicht immer bequeme Priester, Bischof, Seelsorger und Lehrer über Tirol hinaus einen Namen. Nach 17 Jahren als Bischof schied Stecher aus dem Amt, blieb aber als Priester und Seelsorger aktiv bis zu seinem Tod. Er lebte seit 1997 in einer Wohnung in einem der Personalhäuser des Sanatoriums der Kreuzschwestern in Hochrum.

Sozial und kritisch

Als Caritas-Referent der Bischofskonferenz ließ Stecher wiederholt durch seine deutlichen Wortmeldungen zur Flüchtlingsfrage und anderen sozialen Problemen aufhorchen. 1993 unterzeichnete er die Petition von SOS Mitmensch gegen eine Verschärfung der Asylgesetzgebung. Auch zum Flüchtlingslager Traiskirchen bezog Stecher klar Stellung. Als der Innenminister 1990 die Abschiebung von 7.000 Rumänen ankündigte, meldete er sich als Caritas-Bischof in den Medien zu Wort. Die Diözese Innsbruck werde die Flüchtlinge in den Pfarren aufnehmen, so der Bischof denn er fände „die Idee einer Deportation als ungeheuerlich. Vielleicht habe ich zu lange in der Diktatur gelebt.“

Altbischof Reinhold Stecher 2003

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Stecher war ein begeisterter Bergsteiger: „Viele Wege führen zu Gott. Einer geht über die Berge“.

Innerkirchliche Kritik

Besondere Beachtung fanden nicht zuletzt seine prononcierten Äußerungen auch zur innerkirchlichen Entwicklung, wie etwa sein Eintreten für eine Änderung bei den Zulassungsbedingungen zum Priesteramt. „Wenn es Jesus gemacht hat, kann es nicht so falsch sein. Unter seinen Aposteln gab es eine ganze Reihe Verheirateter“, meinte er 2011.

Sendungshinweis

ORF III zeigt in Erinnerung an Altbischof Reinhold Stecher am Samstag, 9. Februar, um 19.25:

Land der Berge: „Bergsteiger und Menschenfischer. In memoriam Altbischof Reinhold Stecher (1921-2013)“.

Dennoch sprach er sich nicht für die Abschaffung des Zölibats aus, beides solle möglich sein. Ob auch Frauen für das Priesteramt in der katholischen Kirche zugelassen werden sollen, gab sich der Altbischof etwas bedeckter. Seiner Meinung nach handle es sich um eine „grundsätzliche Frage“, die die Kirche entscheiden müsse. „Die Frauenweihe war zur Zeit Jesu zwar aufgrund der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht möglich, aber ich wüsste nicht, was rein biblisch-dogmatisch dagegen einzuwenden wäre.“

Pfarrerinitiative

Die Forderungen der Pfarrer-Initiative bezeichnete Stecher als ein „breitgestreutes, flächendeckendes Anliegen“. „Man kann das nicht einfach so wegwischen, ohne dass man Realitätsverweigerung betreibt“, meinte der Geistliche. Es handle sich dabei nicht um eine Zeitgeisterscheinung, sondern um „sachliche Erwägungen“, die mit der „Gesamtbotschaft Jesu Christi“ übereinstimmen würden.

Kirchenvolksbegehren und römische Instruktionen

In Stechers Diözese Innsbruck nahm 1995 das Kirchenvolksbegehren seinen Ausgang. Stecher distanzierte sich zunächst von der Aktion, wertete sie aber bald als positives Signal gegen die Gleichgültigkeit innerhalb der Kirche.

Nicht gleichgültig ließ Stecher eine 1997 in Rom veröffentlichte Instruktion über die Mitarbeit der Laien am priesterlichen Dienst. In einem Brief nahm er – kurz vor Ende seiner Amtszeit als Bischof – dazu Stellung. Die Laien seien nur ein widerwillig zugelassener Notnagel, kritisierte der scheidende Bischof von Innsbruck. Und: Rom habe das Image der Barmherzigkeit verloren und sich das der repräsentativen Herrschaft zugelegt.

Altbischof Reinhold Stecher bei einer Rede 2002

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Reinhold Stecher bei einer Rede 2002

Ein „Unbestechlicher“

Der ehemalige Wiener Weihbischof Helmut Krätzl würdigte Stecher in seiner Laudatio zu dessen 90. Geburtstag als einen „Unbestechlichen“, der ein „unerschrockener Zeuge für die notwendigen Fortschritte“ in der Kirche sei. „Er ist die Verkörperung eines Bischofs wie ihn die Kirche heute braucht“, meinte Krätzl. Zu den Höhepunkten von Stechers Amtszeit zählte die 1996 in Rom erfolgte Seligsprechung der beiden Tiroler Märtyrerpriester Otto Neururer und P. Jakob Gapp, beide Opfer der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung in Tirol.

Einen weiteren, weltweit beachteten Höhepunkt seiner Amtszeit stellte ab 1985 das entschlossene Vorgehen Stechers gegen die historisch nicht haltbare Legende vom angeblichen jüdischen Ritualmord am „Anderl von Rinn“ dar. Stecher ordnete - gegen den heftigen Widerstand der Anhänger des „Anderl-Kultes“ - die Herausnahme der angeblichen Gebeine des Anderl aus dem Hochaltar der Kirche Judenstein und deren Einmauerung an. Auch das Deckenfresko, das die „Schlachtung“ des Anderl durch Juden zeigte, wurde abgedeckt. 1989 wurde die Kirche neu geweiht.

Altbischof der Diözese Innsbruck Reinhold Stecher 2011

Henryart

Stecher 2011

Kein leichter Weg

Reinhold Stecher wurde am 22. Dezember 1921 in Innsbruck als Sohn eines Landesschulinspektors geboren. Es waren Jahre des Umbruchs, die er als Schüler in der Tiroler Landeshauptstadt miterlebte. Erlebnisse, die ihn sein Leben lang prägen sollten. Nachdem er 1939 ins Priesterseminar eingetreten war, wurde er 1941 unter der Anklage der Mitbeteiligung an der Organisation einer unerlaubten Wallfahrt nach Maria Waldrast von der Gestapo verhaftet und rund drei Monate gefangen gehalten. Nur die massive Intervention des damaligen Bischofs Rusch rettete ihn vor dem KZ.

Sogleich nach seiner Entlassung wurde er zum Militärdienst einberufen. Fronteinsätze von Lappland bis Norwegen folgten. 1945 kehrte Reinhold Stecher nach Tirol zurück und konnte sein Theologiestudium - unter anderem bei den für ihn prägenden Professoren Karl Rahner und Josef Jungmann - in Innsbruck fortsetzen. Bischof Paulus Rusch weihte seinen späteren Nachfolger am 19. Dezember 1947 zum Priester.

Präfekt am Knabenseminar

Seine nächsten Stationen: Präfekt am Knabenseminar „Paulinum“ in Schwaz. 1951 promovierte er und unterrichtete in den Jahren bis 1968 an verschiedenen Innsbrucker Schulen. Bis zu seiner Berufung durch Johannes Paul II. zum neuen Innsbrucker Bischof lehrte er dann als Professor für Religionspädagogik an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Tirol.

Weihnachtsbriefmarke 2005 "Mettengang" Motiv von Altbischof Reinhold Stecher

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Weihnachtsbriefmarke 2005 „Mettengang“ mit einem Motiv von Reinhold Stecher

Sinnbilder

Über das Bergsteigen sagte der leidenschaftliche Wanderer und Bergsteiger einmal: „Das ist sicher eine der wertgefülltesten Sportarten, die es gibt - man muss nicht ermahnen, der Berg ermahnt“. Für Stecher waren die Berge eine Art Erziehungshilfe, die er auch in seinen insgesamt zehn Büchern als Brücke für religiöse Inhalte verwendete.

„Auch das Malen von Bildern verschafft mir keinen Platz in der Kunstgeschichte, hat aber über Versteigerungen zu einer bedeutenden Aufbesserung des Caritas-Budgets beigetragen“, so etwa auch die Versteigerung von 30 Originalbildern 2012 zugunsten der Caritas, die damit Brunnen im westafrikanischen Mali errichtete. Die Auktion erzielte 135.700 Euro.

„Die Landeklappen sind ausgefahren“

Als prägend bezeichnete Stecher neben seinem Studium bei Rahner und Jungmann auch die Erfahrung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65). „Die Bedeutung dieses Konzils konnte ich an meinem Vorgänger Bischof Paulus Rusch ablesen. Mich bewegte immer, wie sehr das Konzil diesen nüchternen und zurückhaltenden Menschen verändert hat. An der Veränderung seines Wesens wurde für mich deutlich, dass das Konzil neue Geleise gelegt hat“, unterstrich Stecher einmal in einem Interview mit dem „Tiroler Sonntag“ aus Anlass seines 85. Geburtstages.

Im gleichen Interview sprach Stecher auch aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen an und warnte vor der „Hybris, dem Verlust des Maßes, der Krallenhand, die immer noch nach mehr greift und alles Glück im Haben sucht.“ Leichtsinnige werde heute Errungenes aufs Spiel gesetzt: „Die repräsentative Demokratie durch ungezügelte Populismen, soziale Sicherung für alle durch rücksichtslose Egoismen, Monotheismus durch Money-Theismus, der über die Welt schwappt.“

Zu seiner persönlichen Situation sagte Stecher damals, es sei „reine Gnade, dass ich ein schönes und erfülltes Alter erleben darf“. Er erlebe sein Leben dabei wie in einem Flugzeug: „Die Landeklappen sind ausgefahren. Ich bin bereit zum Landen. Je näher ich diesem Flughafen komme, umso wesentlicher steht Christus vor mir“.

religion.ORF.at/KAP/APA

Lesen Sie dazu auch:

Kondolenzschreiben zum Tod von Reinhold Stecher
(religion.ORF.at, 29.01.2013)

Link:

Digitales Kondolenzbuch für Bischof Reinhold Stecher