Volksbefragung: Viele Stimmen aus den Kirchen

Je näher die Volksbefragung über die Abschaffung oder Beibehaltung der Wehrpflicht rückt, desto lauter wird die Debatte. Auch Vertreter aus den österreichischen Kirchen haben sich in letzter Zeit zu Wort gemeldet - mit durchaus konträren Meinungen.

Nur noch wenige Tage trennen Österreich von der Volksbefragung über die Wehrpflicht am 20. Jänner. Auch wenn die aktuellen Prognosen eine historisch niedrige Wahlbeteiligung vermuten lassen, ist nicht zu übersehen: Die heiße Phase ist angelaufen. Seit Anfang des Jahres versuchen die beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP noch einmal verstärkt Gegner bzw. Befürworter der Wehrpflicht zu mobilisieren. Kein Tag vergeht, ohne dass sich rote und schwarze Politiker zum Thema in den Medien zu Wort melden.

Argumente für und wider

Auch Vertreter aus den österreichischen Kirchen haben in den letzten Tagen und Wochen mit ihren Meinungen zur Frage „Berufsheer vs. Wehrpflicht“ nicht hinter dem Berg gehalten. Die Ansichten innerhalb der Kirchen scheinen in ihrer Unterschiedlichkeit das Spektrum innerhalb der österreichischen Gesellschaft widerzuspiegeln. Einigkeit herrscht zwar dahingehend, dass hinter der zur Abstimmung stehenden Frage eine komplexe Thematik stehe. Die daraus gezogenen Schlüssen fallen aber keineswegs einheitlich aus.

Am Freitag letzter Woche widmete der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, seinen Kommentar in der Wiener Gratiszeitung „Heute“ der Volksbefragung. „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt“, zitierte Schönborn darin aus der Antrittsrede von John F. Kennedy als Präsident der USA 1961 - mehr dazu: Bundesheer: Schönborn-Appell zu Volksbefragung (religion.ORF.at; 11.01.2012).

Schönborn mit Soldaten

Kathbild/Franz Joseph Rupprecht

Manchmal folgen österreichische Gardesoldaten auch Kardinal Schönborn

„Haben wir uns nicht zu sehr daran gewöhnt, dass das Land etwas für uns tut, für unsere Sicherheit, unser Wohlergehen, unsere Versorgung in Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit?“, fragte der Kardinal. Eine direkte Empfehlung wollte er allerdings nicht abgeben, denn „für beide Positionen gibt es gute Argumente“. Dazu komme, so Schönborn, dass die wenigsten Österreicher über so umfassende Informationen verfügten, „dass wir eine gut begründete Antwort geben können“.

„Reinen Wein einschenken“

Auf die Komplexität der Frage verwies auch der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche, Michael Bünker. "Ich bin gar nicht glücklich, dass man diese Frage quasi über die Bande spielt, nämlich über den Zivildienst, und sagt: Damit wir den Zivildienst erhalten, müssen wir für die allgemeine Wehrpflicht sein. Das halte ich für eine falsche Logik und auch für politisch nicht korrekt“, sagte Bünker im Dezember gegenüber der APA. Dass sich zu wenig junge Menschen für freiwillige Sozialdienste melden würden, hält der evangelische Bischof für unwahrscheinlich. Er wünsche sich aber, dass den Österreichern vor der Volksbefragung „reiner Wein“ eingeschenkt werde.

Den Wunsch nach einer offenen und sachlichen Diskussion äußerten auch der katholische Militärbischof Christian Werner und sein Bischofsvikar Werner Freistetter. Die Kernaufgabe des Bundesheeres liege darin, „seinen Beitrag im Rahmen der umfassenden europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu leisten", sagte Freistetter in einem Interview für die österreichischen Kirchenzeitungen. Aus dieser Zielsetzung lasse sich aber nicht zwingend ableiten, ob man dafür ein Heer mit allgemeiner Wehrpflicht oder ein Berufsheer braucht, so der Militärbischofsvikar.

Rekruten beim Einrücken

APA/Barbara Gindl

Einrückende Rekruten gehörten bei einem Berufsheer der Vergangenheit an

„Wir absolvieren seit vielen Jahren internationale Einsätze, an denen mehrheitlich nicht Berufs-, sondern Milizsoldaten, also ehemalige Wehrdiener, beteiligt sind“, verweist Freistetter auf das Potenzial der Wehrpflicht. Andererseits müsse man die Wehrpflicht, „die ja ein massiver Eingriff in Freiheitsrechte ist“, gut begründen können, forderte der Militärgeistliche. „Der Hinweis auf den Katastrophenschutz oder die fehlenden Zivildiener reicht da nicht aus, denn daraus würde sich eine Wehrpflicht noch nicht ausreichend begründen lassen“, so Freistetter.

Frage zurzeit zweitrangig

Diese Aussage findet wohl auch die Zustimmung des Wiener Professors für systematische Theologie, Ulrich Körtner. „Erst recht wird das Pferd vom Schwanz aus aufgezäumt, wenn von verschiedenen Seiten für die Beibehaltung der Wehrpflicht um des Erhalts des Zivildienstes willen mobilisiert wird“, moniert der evangelische Theologe und Ethiker in einem Kommentar in der Wochenzeitung „Furche“ von Anfang Jänner.

Körtner hält die Fragestellung des Plebiszits im Augenblick grundsätzlich für zweitrangig. Statt über „Österreichs sicherheitspolitische Interessen“ oder „verminte Themen wie Sinn und Unsinn der Neutralität heute zu diskutieren“, werde die komplexe Materie auf die schlichte Frage „Berufsheer vs. Wehrpflicht“ eingedampft, so der Theologe. Letztendlich spreche ob dieser unbeantworteten Fragen aus „pragmatischen Gründen“ vieles für die Beibehaltung des Status quo – eine Lösung, die für Körtner „aber weder sicherheitspolitisch noch sozialpolitisch von Dauer sein kann“.

Gültige vs. ungültige Stimme

Den Status quo – also eine allgemeine Wehrpflicht – möchte auch die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Verbände (AKV) beibehalten. Die Wehrpflicht, der Zivildienst und der Katastrophenschutz stünden „für die notwendige Bereitschaft jedes Bürger, persönliche Verantwortung für den Schutz unseres Gemeinwesens zu übernehmen“, so die AKV in einer Aussendung am 2. Jänner. Ein verpflichtender Dienst an der Gesellschaft binde junge Bürger an den „vielfach nur abstrakt erfahrbaren Staat“, argumentiert der neu gewählte AKV-Präsident Helmut Kukacka - mehr dazu: Katholische Verbände: „Ja“ zur Wehrpflicht (religion.ORF.at; 02.01.2012)

Mit ihrer Wahlempfehlung stellt sich die AKV gegen die Vorschläge, eine ungültige Stimme abzugeben oder die Befragung zu boykottieren. Die beiden Optionen hatte etwa Pax Christi Österreich in einem Beschluss Ende Oktober ins Treffen geführt. „Die Einschränkung der Fragestellung auf die Annahme oder Ablehnung der wenig durchdachten Konzepte der beiden Regierungsparteien lässt keine Alternativen zu“, so die Organisation der katholischen Friedensbewegung. Im konkreten Fall sei deshalb auch der Boykott oder eine ungültige Stimmabgabe legitim.

Fragestellung ungenügend

Anfang Dezember hatte sich auch die Katholische Aktion (KA) Oberösterreich dafür ausgesprochen, bei der Wehrdienst-Volksbefragung für „Weder - Noch“ zu stimmen. In die beiden angebotenen Optionen „Ja“ und „Nein“ sei „zu vieles verpackt und miteinander vermischt“, teilte die Laienorganisation in einer Stellungnahme mit.

Doch auch innerhalb der KA herrscht kein Konsens. Die KA Steiermark schloss sich der Kritik der Oberösterreicher zwar an. Eine ungültige Stimme ist für die steirischen Laien dennoch keine Option. Das Fernbleiben von der Befragung oder die Abgabe einer ungültigen Stimme führe zu dem Ergebnis, dass „wenige Wählerinnen und Wähler bindend über ein Thema entscheiden, das ganz Österreich betrifft“, so die KA Steiermark in einer Aussendung vom 14. Jänner.

Für eine Teilnahme an der Volksbefragung spricht sich auch die Katholische Jugend (KJ) aus. Eine Wahlempfehlung möchte die katholische Jugendaktion allerdings wenige Tage vor der Abstimmung nicht abgeben. „Die KJ ist zwar grundsätzlich für die Abschaffung der Wehrpflicht, jedoch ist ein Berufsheer keine bessere Alternative“, heißt es in einer Aussendung vom Freitag. Die von der KJ geforderte Entmilitarisierung der Gesellschaft könne weder über die Wehrpflicht noch ein Berufsheer erreicht werden.

Viele Argumente - eine Entscheidung

Dass die Argumentation auch ganz anders ausfallen kann, zeigt die Stellungnahme des altkatholischen Bischofs John Okoro. „Sowohl für den Friedensdienst wie auch für den Kriegsdienst ist Professionalität unerlässlich. Kann die heutige Ausbildung der Wehrpflichtigen die Professionalität garantieren oder brauchen wir in Österreich nicht ein Berufsheer, das die komplexe Weltlage beherrscht?“, fragte Okoro am 14. Jänner in einem offenen Brief. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage, gab allerdings auch der altkatholische Bischof – wie sein katholischer und evangelischer Kollege - nicht.

Bei allen Argumente für und wider, allen Empfehlungen, Mahnungen und Ratschlägen gilt letztlich auch am 20. Jänner: Vor den Stimmzettel tritt jeder und jede alleine.

Martin Steinmüller, religion.ORF.at

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