Weltreligionstag der Bahai

„Gemeinsam mit allen Menschen die Welt verbessern“: Der „Weltreligionstag“ soll dafür öffentliches Zeichen sein. Bahai sind überzeugt, dass die „Religionen im Kern wesenseins sind“. Eine Haltung, für die Bahai gelobt, aber auch kritisiert werden.

„Es gibt nur eine Religion Gottes. Sie ist die Erzieherin der Menschheit, aber sie muss erneuert werden.“ So formulierte es vor etwa hundert Jahren Abdul-Baha, ältester Sohn von Baha’ullah, dem Offenbarungsbringer der Bahai-Religion. Gläubige dieser jüngsten Weltreligion sind überzeugt, dass alle Religionen zwar zeitbedingte Unterschiede aufweisen, im Kern jedoch wesenseins sind. Die Religionen seien „Zeugnis des einen „ewigen Bundes“ Gottes mit den Menschen“, sagt Ottilie Käfer, Pressebauftragte der Bahai in Österreich, im Gespräch mit religion.ORF.at.

Bahai sind überzeugt, dass die Lehren aller Religionsstifter der gleichen göttlichen Quelle entstammen.

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Ob Christen, Muslime, Buddhisten oder Juden: Bahai sind überzeugt, dass die Lehren aller Religionsstifter der gleichen göttlichen Quelle entstammen, den gleichen Idealen und Grundsätzen huldigen. Das sei die große Botschaft, die der Weltreligionstag verkündet, so die Bahai-Gläubigen.

„Probleme gemeinsam lösen“

„Unsere Probleme können wir nur gemeinsam lösen, die Religionen müssen zusammenarbeiten, es geht um eine gemeinsame Aufgabe aller Menschen“, ist Käfer überzeugt. Um dieser Glaubenshaltung auch öffentlich Ausdruck zu verleihen, hatten die Bahai in den Vereinigten Staaten 1950 die Idee zum „Weltreligionstag“ geboren. Dieser Tag solle fortan alljährlich am dritten Sonntag im Jänner begangen werden. Ein Tag, um „die Vision der Einheit aller Offenbarungsreligionen zu erwecken, so wie Baha’ullah sie verkündet hat“, schreibt Alexander Käfer in seinem chronikalen Buch über die Geschichte der österreichischen Bahai-Gemeinde.

Der heilige Schrein der Baha'i in Haifa (Israel).

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Die Bahai-Religion

Die Bahai-Religion ging im 19. Jahrhundert als eigenständige Offenbarungsreligion aus dem schiitischen Islam Persiens hervor. Der Religionsoffenbarer Baha’ullah („Herrlichkeit Gottes“) erklärte sich 1863 im Garten Ridvan in Bagdad als Manifestation Gottes. Vor seinem Tod setzte er seinen ältesten Sohn Abdul-Baha als Nachfolger ein.

Im Gespräch mit religion.ORF.at betont Alexander Käfer, dass „die Bahai grundsätzlich an die Einheit aller Religionen glauben, also dass alle Religionen derselben göttlichen Quelle entstammen. Und das schafft dann schon eine besondere Beziehung, nicht nur zu den Anhängern der Religionen, sondern zum Ursprung der Religionen selbst. Bahai-Kinder lernen daher auch die Geschichte und Lehren aller Religionen.“

Interesse an Heiligen Schriften aller Religionen

Am „Weltreligionstag“ werden auch in Österreich an mehreren Orten, etwa in Wien und Graz, aber auch in Ebreichsdorf, Vertreter anderer Religionsgemeinschaften in die Bahai-Zentren eingeladen. Gemeinsam liest man aus den Schriften der „großen Offenbarungsreligionen“. Diese Schriften haben auch für die Bahai Gültigkeit. Täglich soll daraus gelesen werden, so die Empfehlung für die Gläubigen. Meist wird das Programm am „Weltreligionstag“ musikalisch gerahmt und endet mit einem Buffet mit arabischen Spezialitäten. Viele Bahai in Österreich haben ihre Wurzeln im Nahen Osten.

Glaube an fortschreitende Menschheitsentwicklung

Gott offenbart sich durch Propheten, die alle die Einheit und Einzigkeit Gottes verkünden, so glauben die Bahai. Religionswissenschafter sprechen von einer inklusivistischen Einheitsvorstellung dieser jüngsten Weltreligion. Das heißt, frühere Offenbarungen werden gleichsam als Stufen einer fortschreitenden Menschheitsentwicklung anerkannt. So sind etwa Abraham, Moses, Buddha, Zarathustra, Krishna, Jesus, Mohammed und auch Baha’ullah für die Bahai Gottgesandte ihrer jeweiligen Zeit.

Etwa 1.200 Bahai in Österreich

Heute zählt die Gemeinschaft der Bahai weltweit etwa sechs Millionen Gläubige, in Österreich leben davon etwas mehr als 1.200. Die kultischen Regeln sind an die „fünf Säulen“ des Islam angelehnt: Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, Almosengeben und Wallfahrt. In den „Andachten“ der Bahai werden Texte aus heiligen Schriften aller Offenbarungsreligionen rezitiert.

Dieses Bild der Vielfalt, das sich letztlich auf ein- und dasselbe bezieht, birgt aber auch die Gefahr in sich andere Religionen zu vereinnahmen, formulieren Kritiker der Bahai immer wieder. Denn das „Nebeneinander unterschiedlicher Religionen wird als zeitbedingte Notwendigkeit und als vorläufig betrachtet“, schreibt Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Dass Bahai ältere Religionen als vollgültige Religionen anerkennen, würde dadurch relativiert, dass Bahai davon ausgehen, dass alle Religionen letztlich die Fortentwicklung der aktuellen Offenbarung anerkennen und damit in den neuen Glauben, gegenwärtig wären das die Bahai, einmünden würden, so Eißler weiter.

Religionsführer vor dem Bahai Schrein in Haifa

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In Haifa in Israel befindet sich das Bahai-Weltzentrum. Nicht nur am „Weltreligionstag“ werden hierher Relgionsführer anderer Religionen zum Dialog und zur Begegnung eingeladen.

Gefahr der Vereinnahmung

Den Bahai ist der Vorwurf der „Vereinnahmung“ bewusst, und man versucht sich durchaus selbstkritisch den Argumenten zu stellen. Immer wieder werden daher auch zu den „Weltreligionstagen“ Religionswissenschafter eingeladen, wie etwa der Österreicher Manfred Hutter, jetzt Professor für vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Bonn. Er stellte bei einer Veranstaltung zum „Weltreligionstag“ in Frankfurt die Frage, ob es überhaupt Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen gebe.

Im Vortrag warnte Hutter dann, im Interesse des Dialogs und des konstruktiven Miteinanders der Religionen, nicht vorschnell nur die Gemeinsamkeiten zu sehen. Es gehe um ein differenzierteres Hinschauen und darum, Unterschiede stehen zu lassen, so Hutter. Auch dürfe man der Versuchung nicht unterliegen, andere Religionen „nur durch die eigene Brille“ zu sehen und damit gegen deren eigenes Verständnis umzudeuten. Dann könne das Gemeinsame für die gegenwärtige Welt fruchtbar gemacht werden, schloss Hutter seinen Vortrag.

Zum Wohl aller Menschen

Und genau das sei das Ziel, betont Ottilie Käfer, „das Gemeinsame fruchtbar machen für die gegenwärtige Welt. Die Bahai wollen mit allen Menschen und vor allem mit den Gläubigen der anderen Religionen an der heutigen Gesellschaft bauen, zum Wohl aller Menschen.“ Der „Weltreligionstag“ sei ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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Bahai in Österreich

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