Missbrauchsfälle in Kloster Mehrerau nicht verjährt

Das Landesgericht Feldkirch hat in den Zivilprozessen zweier Männer gegen das Kloster Mehrerau ein Zwischenurteil gefällt. Die beiden Fälle aus den 60er- und 80er-Jahren sind laut Gericht nicht verjährt.

In den beiden Zivilverfahren ehemaliger Missbrauchsopfer gegen das Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau ist eine erste Entscheidung gefallen. Wie die „Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt“ am Mittwoch mitteilte, hat das Landesgericht Feldkirch in beiden Fällen per Zwischenurteil festgestellt, dass keine Verjährung vorliegt. Das bestätigte Landesgerichtspressesprecher Reinhard Flatz gegenüber der APA. Die geschilderten Übergriffe hatten sich in den Jahren 1968 bzw. 1982 zugetragen.

Kloster lehnte Vergleich ab

Anfang 2012 hatten zwei ehemalige Internatsschüler des Klosters beim Landesgericht Feldkirch eine zivilrechtliche Klage eingebracht. Die heute 58- bzw. 46-jährigen Männer fordern unabhängig voneinander Schmerzensgeld und Verdienstentgang in der Höhe von 200.000 und 135.000 Euro. Den Schilderungen der beiden Männer zufolge wurden sie von demselben Pater sexuell missbraucht und vergewaltigt. Im Dezember 2012 hatte der Abt des Klosters, Anselm van der Linde, einen Vergleich mit den beiden Klägern abgelehnt, da die beiden Fälle bereits verjährt seien – eine Einschätzung, der das Landesgericht nicht zustimmte.

Kloster Mehrerau

APA/Dietmar Stiplovsek

Das Kloster Mehrerau liegt am Rande Bregenz am Ufer des Bodensees.

Im Fall des 46-jährigen sei die Klage noch vor der 30-jährigen absoluten Verjährungsfrist eingebracht worden, sagte Philipp Schwärzler von der „Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt“ gegenüber religion.ORF.at. Für die Entscheidung des Gerichts sei auch ausschlaggebend gewesen, dass das Kloster über einen vorangegangenen Missbrauchsfall des betreffenden Paters informiert gewesen sei, so Schwärzler. Der damalige Abt Kassian Lauterer hatte vor Gericht ausgesagt, von dem Missbrauchsfall gewusst zu haben. Dass der Pater bereits 1967 rechtskräftig verurteilt worden war, habe Lauterer nach eigenen Angaben aber erst 2004 erfahren.

Verweis an Klasnic-Kommission

Sollte das Kloster die Gerichtsentscheidung akzeptieren, würden die Prozesse am Landesgericht Feldkirch fortgesetzt. Landesgerichtssprecher Flatz rechnet allerdings „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ mit einem Berufungsverfahren am Oberlandesgericht Innsbruck. Auch der Anwalt des Klosters, Bertam Grass, geht von einem Gang vor das Berufungsgericht aus. Er habe das Urteil gerade erst erhalten und es überflogen. „Ich werde dem Kloster jedenfalls empfehlen, die Entscheidung zu bekämpfen“, so Grass am Mittwoch.

Abt Anselm van der Linde und sein Vorgänger Kassian Lauterer

APA/Jochen Hofer

Abt Anselm Van der Linde und sein Vorgänger Kassian Lauterer sagten vor Gericht aus.

Bereits im Dezember hatte Abt Anselm Van der Linde die Opfer an die unabhängige Opferschutzanwaltschaft (Klasnic-Kommission) verwiesen. „Die Taten können niemals mehr wiedergutgemacht werden“, so der Abt, „die Kommission sollte allen Opfern auch finanzielle Unterstützung ermöglichen.“ Das Beschreiten des Klagswegs sei für Van der Linde aufgrund der Kommission „nicht notwendig“ gewesen.

In drei Fällen habe die Klasnic-Kommission bereits an ehemalige Internatsschüler Entschädigungen gezahlt, sagte der Pressesprecher der Kommission, Herwig Hösele, gegenüber religion.ORF.at. Die beiden Kläger befänden sich jedoch nicht darunter. Eine Entschädigung durch die Klasnic-Kommission schließe eine zivilrechtliche Klage aber nicht aus, sagte Hösele.

Aufenthaltsort von Pater unbekannt

Der beschuldigte Pater selbst musste sich bisher vor Gericht nicht verantworten. In den 80er-Jahren wurde er aus dem Schuldienst entfernt und versetzt. Die Eltern des heute 46-jährigen Klägers hatten den damaligen Abt Lauterer über den sexuellen Missbrauch an ihrem Sohn informiert und im Gegenzug für die Versetzung auf eine Anzeige verzichtet. Nach Angaben von Van der Linde ist der Pater heute schwer depressiv und suizidgefährdet. Wo sich der Mann aufhält, gab der Abt vor Gericht nicht an. Er konnte deshalb nicht als Zeuge befragt werden.

religion.ORF.at/APA

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