Türkei: Blasphemie-Prozess gegen Pianist erneut vertagt

Der türkische Starpianist Fazil Say steht wegen Beleidigung des Islam in Istanbul vor Gericht. Am Montag wurde der Prozess erneut vertagt - am 15. April soll er fortgesetzt werden.

Dem wegen Beleidigung des Islam angeklagten türkischen Starpianisten Fazil Say (43) droht in seiner Heimat weiter eine Haftstrafe. Der umstrittene Prozess gegen den Musiker und Komponisten sollte am Montag in Istanbul fortgesetzt werden, wurde aber erneut vertagt. Er wird am 15. April fortgesetzt, wie der Richter der 19. Strafkammer des Amtsgerichts am Montag in Istanbul entschied. Zuvor hatte die Verteidigung das Recht des Künstlers auf freie Meinungsäußerung bekräftigt. Say erschien am zweiten Verhandlungstag nicht persönlich vor dem Richter.

Deutscher Musikrat hinterfragt Verhältnismäßigkeit

Im Vorfeld war Kritik an dem Verfahren laut geworden. „Bei allem Respekt vor religiösen Gepflogenheiten und Praxen stellt sich bei der Anklage von Fazil Say die Frage nach der Verhältnismäßigkeit“, erklärte Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates.

Say hatte über den Kurznachrichtendienst Twitter mehrere kritische sowie spöttisch formulierte Äußerungen verbreitet, die angebliche islamische Frömmelei und Scheinheiligkeit auf die Schippe nahmen. „Ich weiß nicht, ob ihr es gemerkt habt? Überall wo es Schwätzer, Gemeine, Sensationsgierige, Diebe, Scharlatane gibt, sie alle sind übertrieben gläubig. Ist das ein Paradoxon?“ lautet eine in der Anklage genannte Kurzmitteilung. Drei türkische Bürger hatten Say daraufhin angezeigt und ihm vorgeworfen, die islamische Religion und die Anhänger dieser Religion schwer beleidigt und religiöse Werte öffentlich herabgewürdigt zu haben.

Der türkische Starpianist Fazil Say am Flügel

EPA/Angelika Warmuth

Starpianist Fazil Say muss bei einer Verurteilung bis zu 18 Monate hinter Gitter

Prozess im Oktober begonnen

Der Prozess gegen den Musiker hatte im Oktober vergangenen Jahres begonnen, wurde aber kurz nach dem Start der Verhandlung vertagt - mehr dazu in: Türkei: Prozess gegen Musiker vertagt. Etwa einen Monat später machte Say in einem Interview mit CNN-Türk die türkische Regierung für den Prozess, über den seiner Meinungen nach „die ganze Welt lacht“, verantwortlich - mehr dazu in: Türkei: Pianist Fazil Say kritisiert türkische Regierung. Bei einer Verurteilung drohen Say bis zu 18 Monate Haft. Fazil Say gehört international zu den bekanntesten Künstlern der Türkei.

Krüger forderte, die Presse- und Meinungsfreiheit als Grundwerte der europäischen Demokratien zu schützen. „In Zeiten der zahlreichen und spontanen Meinungsäußerungen im Social Web müssen Einzeläußerungen wie die von Fazil Say mit Augenmaß betrachtet und beurteilt werden“, forderte er.

dpa