Theologe Beinert: „Weiteres Konzil unumgänglich“

Angesichts des „Reformstaus“ in der Kirche hält der emeritierte Regensburger Dogmatiker und ehemalige Schüler Josef Ratzingers, Wolfgang Beinert, „ein weiteres Konzil für unumgänglich“.

Der heutige Reformstau sei durch „jahrhundertealte Vorgeschichten und geschichtliche Konstellationen“ aufgelaufen und bedürfe einer umfassenden Lösung, betonte Beinert im Gespräch mit „Kathpress“. Zwar könne der künftige Papst theoretisch aufgrund seiner Vollmacht eigenständig eine große Veränderung herbeiführen, „aber jeder Papst ist gut beraten, sich in diesen Fragen des Konsenses der Bischöfe zu bedienen und so auch sichtbar den Willen der Kirche dokumentieren“. Nichts anderes bedeute schließlich das Wort Konzil.

Ein Ende der laufenden innerkirchlichen Reformdebatten sei laut Beinert daher auch noch nicht in Sicht. Dabei dränge die Zeit, denn das Zeitfenster für vorliegende Reformmodelle etwa bei der Frage des dringend benötigten Priesternachwuchses schließe sich.

Der Theologe Wolfgang Beinert

ORF

Der Theologe Wolfgang Beinert sieht wesentliche Teile des Zweiten Vatikanischen Konzils als „uneingelöst“

Mögliche „viri probati“ sterben aus

So kenne er gegenwärtig noch einige Männer, die etwa als „viri probati“ (verheiratete, bewährte Männer) einen priesterlichen Dienst übernehmen könnten. „Aber ich weiß genau so sicher: Ihre Söhne würden das nicht mehr machen. In der nächsten Generation - da kann man die ‚viri probati‘ hochloben wie man will - wird es keine mehr geben“, so Beinert.

Im Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) sieht Beinert gegenüber „Kathpress“ uneingelöste Potenziale - etwa bei der Kollegialität der Bischöfe, bei „Solidarität und Compassion“ der Christen mit den Nichtglaubenden und beim Kirchenverständnis.

Das Konzil habe schließlich ein auf „Communio“ - Gemeinschaft - aufgebautes Verständnis unterstrichen, den Glaubenssinn der Gläubigen („sensus fidelium“) betont und sich damit „gegen Zentralismus und Autoritarismus“ gewandt. Seit dem Konzil jedoch herrsche in der Kirche eine „Wagenburgmentalität“ und eine neue Angst, „man könnte sich zu sehr auf die Zeit einlassen“. Das „aggiornamento“ des Konzils sei „weitgehend nicht umgesetzt worden“, so Beinert.

Lob für Kardinal König

Ausnehmend positiv bewertet Beinert in diesem Zusammenhang die Person und Rolle des verstorbenen Wiener Erzbischofs, Kardinal Franz König. König sei „ein konservativer Mann“ in dem Sinne gewesen, „dass er bewahren wollte, was das Wesen des Glaubens ist“ - im Blick auf die Verheutigung des Glaubens und seine modernen Ausdrucksformen sei er aber keineswegs konservativ gewesen. Beinerts Fazit: „Meines Erachtens kann man Kardinal König ohne Zweifel als eine der bedeutendsten Gestalten der Kirche des 20. Jahrhunderts bezeichnen.“

Keine Fortschritte in nächster Zeit erwartet Beinert hinsichtlich der Verhandlungen zwischen dem Vatikan und der Piusbruderschaft. Trotz mehr als dreijähriger Gespräche habe sich gezeigt, dass die theologische Qualität der Aussagen der Piusbrüder „nicht geeignet“ sei, „um eine tragfähige Brücke zu bauen“.

„Spaltungen immer von rechts“

Dass der Vatikan den Dialog mit einer solchen vergleichsweise kleinen Gruppierung dennoch intensiv fortsetzt, sei notwendig im Ringen um kirchliche Einheit, so Beinert weiter. Schließlich gebe es eine „prägende kirchliche Erfahrung“, nämlich jene, dass es „immer rechte Gruppen wie die Piusbrüder“ waren, „von denen Spaltungen ausgehen“.

Er gehe sogar so weit zu behaupten, „dass alle Häresien in der Kirche von rechts kamen, keine einzige von links“, so Beinert wörtlich. Der linke katholische Flügel sei „schließlich auch nie gemeinschaftsbildend“ gewesen oder habe eine „gar kirchenbildende Kraft“ gehabt, wie dies mit der Gefahr der Bildung einer bischöflich verfassten Parallelkirche durch die Piusbrüder jedoch der Fall sei.

KAP