Erwartungen an den neuen Papst

Viel wird diskutiert, wer das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche werden könnte. Der Blick fällt nicht selten nach Lateinamerika, Afrika und Asien. Theologen sehen eine Reihe von Anforderungen, die der neue Papst bewältigen muss.

Die katholische Kirche verliert in den westlich geprägten Ländern an Mitgliedern, verzeichnet aber zugleich in Ländern der sogenannten Dritten Welt einen starken Zulauf. Daher sehen manche in der Wahl des neuen Papstes aus einem dieser Länder die Zukunft. Namhafte katholische Theologen und ein evangelischer sprachen mit der Religionsabteilung des ORF Hörfunks, ob die Zeit reif für einen Papst aus Afrika, Lateinamerika oder Asien ist und was der neue Oberhirte der Katholiken sonst noch alles können soll.

Ägidius Zsifkovics

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Ägidius Zsifkovics

Zsifkovics: „Wäre ein schönes Zeichen“

Ägidius Zsifkovics, Bischof von Eisenstadt, meint auf die Frage, ob die Zeit für einen Papst aus der „Dritten Welt“ reif ist: „Ich würde schon meinen, dass jetzt die Zeit reif ist für einen anderen Kontinent. Vor allem auch für diese Kontinente, wo die katholische Kirche derzeit sehr stark ist oder wo der überwiegende Teil der Katholiken lebt. Und ich glaube, das wäre ein schönes und gutes Zeichen, dass man auch deren Wurzeln, deren Lebenssituation und deren Kirchlichkeit schätzt und so auch zum Ausdruck bringt.“

Mit etwas mehr Vorsicht sieht das der Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz, Franz Gruber. Dass die längste Phase der westlich beziehungsweise europäisch geprägten Zeit der Kirche vorbei sei, sei evident. „Ob es Männer aus Lateinamerika oder Afrika gibt, die diese Weltkirche leiten können, kann ich nicht beurteilen“, sagte der Theologe, „aber ich denke, dass es eine Frage der Zeit ist, vielleicht schon im 21. Jahrhundert, dass wir Päpste haben, die nicht mehr Europäer, sondern Lateinamerikaner, Afrikaner oder Asiaten sind“, so Gruber gegenüber Ö1.

Ulrich Körtner

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Ulrich Körtner

Anliegen sind unterschiedlich

Der evangelische Theologe und Medizinethiker Ulrich Körtner weist in der Debatte über einen möglichen nicht europäischen Papst darauf hin, dass die Menschen in diesen Weltregionen mit ganz anderen Fragen und Problemen konfrontiert seien als im Westen. Die Auseinandersetzung mit der Säkularisierung der Gesellschaft finde beispielsweise dort nicht statt. Sollte der neue Papst aus Afrika oder Lateinamerika kommen, könnten die Europäer auch einige Enttäuschungen erleben, so Körtner.

Wesentlicher als die Frage der Herkunft erachtet Gruber, ob ein Papst in der Lage ist, die vielen weltkirchlichen Gesichter und Gestalten der katholischen Kirche in eine Zukunft zu führen. Die Frage, die sich stelle, sei, ob in einer Vielsprachigkeit gesprochen werde oder ob eine einseitige Position bezogen werde.

Leo Maasburg

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Leo Maasburg

Globalisierung, Internet und Co.

Auch Leo Maasburg, der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke, sieht die Herausforderungen für den neuen Papst in der Globalisierung und den Neuen Medien: „Wir leben in einer Zeit, in der manche neue Aspekte aufgetaucht sind, und wir müssen uns in dieser Neuheit bewähren. Um ein Beispiel zu nennen: Es ist selbstverständlich, dass heute ein Jugendlicher mit zwei, drei, vier Sprachen aufwächst, weil er sonst nicht voll mit dabei ist. Und dasselbe wird für einen Papst gelten.“

Ein Papst werde sich heute leichter tun, wenn er sich auf Facebook, in den Medien und im Internet auskenne und wenn er mehrere Sprachen spreche, so Maasburg. „Und vielleicht muss er auch Eigenschaften haben, von denen wir jetzt noch gar nichts ahnen, die aber auch dann sehr wesentlich sein werden“, gibt er zu bedenken.

Pluralität und andere Fragen

Als eine der vordringlichsten Angelegenheiten der Kirche bezeichnet Gruber ein Vorankommen in der Ökumene ebenso wie eine Reform der Organisationsstruktur der katholischen Kirche. Konkret brauche es Dezentralisierung und ein pluraleres Gesicht der Katholizität - was das Katholische eigentlich ja auszeichne, so der Professor.

Eberhard Gemmingen

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Jesuit Eberhard von Gemmingen

Der deutsche Jesuit und ehemalige Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Eberhard von Gemmingen, stößt in dieselbe Richtung: Dezentralisierung und Strukturreform seien nötig. Es entspreche auch dem Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils (Vaticanum II), dass die Ortskirchen, die Diözesen und die Länder größere Verantwortung erhalten und unabhängiger vom Vatikan agieren könnten, so Gemmingen.

Zweite Phase der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils

Auch Gruber sieht die Kirche mit den immer gleichen Themen beschäftigt. Zu den Themen, die die katholische Kirche angehen sollte, zählt er neben der Frage zum Fortbestand der Gemeinden auch die Fragen nach dem Zölibat und nach den Frauen in der Kirche - kurz, es müsse die zweite Phase der Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils anbrechen, so Gruber. Daran werde sich messen, ob es der katholischen Kirche gelingt, die Krisen, die sie zum Teil schon seit Jahrhunderten mitschleppte, zu lösen, oder ob sie zumindest in der westlichen Welt zur Marginalie verkomme.

Ebenfalls im Zweiten Vatikanischen Konzil grundgelegt ist das Bekenntnis zur Ökumene - die laut Körtner in den letzten Jahren vollends auf der Strecke geblieben ist. Für den Ausbau der Ökumene hegt er aber auch für die Zukunft wenig Hoffnung: Benedikt XVI. habe dem Austausch mit den orthodoxen Kirchen und der Aussöhnung mit den Piusbrüdern mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den reformierten Kirchen. Derzeit stecke die Kirche fest, so Körtner.

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