Kardinal Ravasi: Der Kultivierte

Kardinal Gianfranco Ravasi ist Präsident des päpstlichen Kulturrates und gilt wie Benedikt XVI. als Intellektueller. Der 70-jährige Bibelfachmann hat aber auch einen Ruf als Kenner von Medien und Jugendkultur.

Die aussichtsreichsten Kandidaten

religion.ORF.at stellt von 6. bis 11. März die aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Papst Benedikt XVI. vor.

Ravasi hat eine ganze Reihe von Büchern zu Bibelthemen veröffentlicht und schreibt für italienische Zeitungen. Seit 2007 leitet der international bekannte Bibelwissenschaftler den Päpstlichen Kulturrat. In diesem Amt und auch mit seiner Initiative „Vorhof der Völker“ versucht er, das Gespräch zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst, Kultur und - in der Tradition Kardinal Königs - Agnostikern und Atheisten zu forcieren. Allerdings fehlt ihm die pastorale Erfahrung. Dieser Lebenslauf könnte ihm schaden, falls die wählenden Kardinäle beschließen sollten, dass sie einen erfahrenen Seelsorger als Papst wollen und nicht schon wieder einen Professor.

Kardinal Gianfranco Ravasi

Reuters/Max Rossi

Kardinal Gianfranco Ravasi

Ravasi wurde 1942 in der Lombardei geboren. 1966 wurde er zum Priester geweiht. Mit der Ernennung zum Kulturratspräsidenten verbunden war die Ernennung zum Erzbischof, Kardinal wurde er dann im November 2010. Ravasi war vor seiner Berufung in den Vatikan Präfekt der Mailänder Ambrosiana-Bibliothek. Von Benedikt XVI. wurde er auch mit der Leitung der beiden Päpstlichen Kommissionen für die kirchlichen Kulturgüter und die christliche Archäologie betraut.

Der Archäologe Ravasi zählt zu Italiens renommiertesten Bibelwissenschaftlern und Judaisten, er beherrscht mehrere alte und spricht einige neue Sprachen. Er gehört auch der päpstlichen Bibelkommission an. Für Papst Benedikt XVI. verfasste er die Meditationstexte für die Kreuzwegandacht am Kolosseum zu Ostern - ein Privileg, das als Vertrauensbeweis gilt.

Kenner der Jugendkultur und Winehouse-Fan

Den neuen Medien gegenüber ist Ravasi äußerst aufgeschlossen: Er gehört zu den eifrigsten Twitterern unter den Kardinälen, betreibt zwei Blogs und hat eine eigene Sendung im italienischen Fernsehen. Der 70-Jährige gilt als Kenner der Jugendkultur. Vor einem Treffen des Kulturrats über „aktuelle Trends im Bereich der Jugendkulturen“ kurz vor dem Rücktritt von Benedikt XVI. outete er sich als Fan der verstorbenen britischen Soulsängerin Amy Winehouse. In ihrer Musik finde sich „eine tiefe Suche nach Sinn“.

Der Jugendkultur generell attestierte der Kardinal „viele überraschende gute Früchte und Authentizität“, trotz aller unleugbarer Oberflächlichkeit und Hedonismus. Die Kirche riskiere den Verlust künftiger Generationen, wenn sie nicht lerne, junge Menschen, deren Sprache und Kultur zu verstehen, warnte Ravasi.

Es darf als besondere Auszeichnung gewertet werden, dass Ravasi heuer die Fastenexerzitien des Papstes und der Kurie leitete. Die Meditationen sollten die Seele der Kurialen „vom Schlamm der Sünde, dem Sand der Banalität und den Nesseln des Geschwätzes befreien, das uns gerade in diesen Tagen unaufhörlich in den Ohren liegt“, so Ravasi kurz nach der Bekanntgabe des Papst-Rücktritts.

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