„Papst, der Ortskirchen stärkt und den Frauen zuhört“

Tück, Zulehner, Mayrhofer und andere: Was sich katholische Theologen, Vertreter anderer Kirchen und Religionen und eine katholische Ordensfrau vom neuen Papst erwarten.

Die Eigenständigkeit der Ortskirchen muss gestärkt werden: Das gehört für den Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück zu den dringlichsten Aufgaben des neuen Papstes, wie er in seinem Beitrag im neuen Styria-Sammelband „Du bist Petrus. Anforderungen an den neuen Papst“ schreibt. Die katholische Kirche sei 2.000 Jahre alt und bilde eine weltumspannende Institution mit weit über einer Milliarde Gläubigen. Das bedeute eine enorme Vielfalt an Spannungen und Herausforderungen, abhängig von der jeweiligen Situation der kulturellen Großräume, so Tück.

Tück: Süden weniger an Reformdebatten interessiert

Den schrumpfenden Kirchen Europas stünden junge, wachsende Kirchen in Afrika, Asien und in Teilen Lateinamerikas gegenüber. Diese seien in Moral- und Glaubensfragen oft kompromisslos konservativ, in politischen Fragen aber eher links. Während in Europa und Nordamerika viel Energie auf die Frage verwendet wird, wie die Sozialgestalt der Kirche verändert werden muss, damit sie im dritten Jahrtausend ihre prägende Kraft behalten kann, seien die Ortskirchen der südlichen Hemisphäre an dieser Art von Reformdebatten weniger interessiert.

„Die Bekämpfung von Armut und Korruption, der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, aber auch die Auseinandersetzung mit aggressiven Formen des Islam und evangelikalen Formen des Christentums sind hier vordringlich.“

Um dieser Pluralität gerecht werden zu können, bedürfe die Leitung der Universalkirche struktureller Reformen. Tück greift dafür auf den bisher nicht realisierten Vorschlag Joseph Ratzingers von patriarchalen Räumen zurück, den dieser während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) erhoben hatte. Tück: „Was wäre, wenn der Papst Leitungskompetenzen delegieren und für die Kirchen in den unterschiedlichen kulturellen Großräumen ‚patriarchale Räume‘ einrichten würde, denen in liturgischen, aber auch disziplinarischen Fragen mehr Eigenständigkeit zukäme?“

Zulehner: Kirche ist schon „enteuropäisiert“

In dieselbe Kerbe schlägt der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner: „Es müsste ein Papst kommen, welcher den kontinentalen Bischofskonferenzen Entscheidungsbefugnisse einräumt. Dann muss die Frage des Priestermangels in Afrika vielleicht anders behandelt werden als in Europa oder Nordamerika. Warum nicht?“ Der künftige Papst brauche zudem den Mut, mehr transparente und konstruktive Kommunikation zu institutionalisieren. Der Vatikan habe in den letzten Jahrzehnten bisweilen eher den Eindruck eines mittelalterlichen Fürstenhofs hinterlassen.

Letztlich sei es zweitrangig, wenngleich nicht unwichtig, ob der kommende Papst aus Europa oder aus einem der anderen Kontinente stammt, so Zulehner. Dieser Aspekt sei deshalb nicht belanglos, „weil sich auf dem Konzil die katholische Kirche enteuropäisiert und sich entschieden hat, Weltkirche zu sein.“ Das sei wie eine geschlossene, aber nicht vollzogene Ehe. Erst wenn der Papst das Gesicht eines Asiaten, Afrikaners oder eines Lateinamerikaners trägt, sei - um beim Bild zu bleiben - die Ehe vollzogen. Dann erst sei die katholische Kirche wirklich Weltkirche geworden, so Zulehner.

Mayrhofer: Ad-limina-Besuche mit Frauen

Schwester Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, würde sich freuen, wenn der Papst den Dialog mit den Führern anderer Religionen sucht und das brüderliche Gespräch mit den Patriarchen der christlichen Kirchengemeinschaften. Zugleich sollte er auch wichtige ökumenische Impulse in Richtung evangelische Kirchen im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017 setzen.

Ein neuer Vorschlag der Präsidentin der Frauenorden: Der Papst sollte sich Zeit für die Leitungsgremien der Ordensfrauen nehmen und neben den Männern der Kurie und den Bischöfen bei ihren ad-limina-Besuchen „auch uns Frauen zuhören“.

Larentzakis: Papst wäre „primus inter pares“

Der orthodoxe Theologe Grigorios Larentzakis plädiert in seinem Beitrag für einen Papst, „der die kollegiale und synodale Struktur der Kirche fördern wird, die Einheit in der Vielfalt und die ‚Communio Ecclesiarum‘ in der Gemeinschaft von autonomen Schwesterkirchen“. Von orthodoxer Seite könne es ohne weiteres innerhalb dieser Gemeinschaft von Schwesterkirchen auch einen Ersten geben, einen „primus inter pares“, den Bischof und Papst von Rom.

Dieser Primus hätte in der vereinten Kirche nicht nur einen bloßen Ehrenprimat, sondern konkrete Pflichten und Aufgaben, ja auch Rechte im Dienste der Gesamtkirche: „das Initiativrecht, das Einberufungsrecht, das Vorsitzrecht, das Koordinationsrecht usw. oder was immer in der heutigen Zeit für wichtig und notwendig für die Gesamtkirche und für das Heil aller Menschen gemeinsam vereinbart wird“. Auch die Einberufung und Abhaltung eines echten Ökumenischen Konzils für die Gesamtkirche, dessen Vorsitzender der Papst von Rom sein kann, liege im Bereich dieser Möglichkeiten, so Larentzakis.

Bünker: Papst Sprecher auch für Evangelische

Ein konkretes Anliegen hat der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker an den neuen Papst: De facto erlebten es die Kirchen heute, dass der Papst in der globalisierten Mediengesellschaft als der Sprecher der Christenheit wahrgenommen wird, was ja auch dem Selbstverständnis des Papstamtes entgegenkomme.

Vor diesem Hintergrund sei es verständlich, wenn auch von evangelischer Seite betont wird, „dass es zwar keine Gemeinschaft ‚unter‘ dem Papst, wohl aber faktisch eine ‚mit‘ dem Papst gibt“. Es wäre ein Mut machendes ökumenisches Signal, so Bünker, „wenn der künftige Papst deutlich machen könnte, dass er auch die Positionen anderer Kirchen in seinen Äußerungen berücksichtigt hat und aufnimmt, wobei freilich die Unterschiede deutlich bleiben müssten“.

Rabbiner: Keine Judenmission

Rabbiner Walter Homolka, Rektor des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, wünscht sich einen dem Judentum gegenüber aufgeschlossenen Papst, der sich vehement gegen jede Form des Antisemitismus einsetzt. Homolka wörtlich.

„Wir Juden wünschen uns also einen Papst, für den Gottes Gnadengaben und Verheißungen an das Volk Israel unabänderlich sind, einen Papst, der anerkennt, dass Gottes Treue zu seinem Bund und zur Erwählung Israels ewig währt. Wir wünschen uns einen Papst, der dafür steht, dass die Christen durch den Glauben an Gott in ein eigenes Bundesverhältnis mit Gott getreten sind, nicht jedoch das Judentum abgelöst haben“, so Homolka. Der Papst möge zudem von jeder Judenmission radikal und vorbehaltlos Abstand nehmen.

Khorchide: Dialog Islam-Christentum fortführen

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide verweist in seinen Ausführungen auf die Regensburger Rede von Benedikt XVI. aus dem Jahr 2006, die trotz anfänglicher Missstimmung letztlich den christlich-muslimischen Dialog gefördert habe. Nun liege es am neuen Papst, diesen „fruchtbaren Dialog zwischen dem Islam und dem Christentum“ weiter zu fördern.

Muslime würden sich vom neuen Papst auch erwarten, dass er sich weltweit „stark für die Verwirklichung von Menschenrechten und demokratischen Grundwerten einsetzt und an westliche Staaten appelliert, sich nicht durch wirtschaftliche Interessen im Nahen Osten verführen zu lassen, demokratische Grundwerte zu verwerfen“.

Im neuen Sammelband „Du bist Petrus. Anforderungen an den neuen Papst“ hat Herausgeberin Gerda Schaffelhofer 15 Autorinnen und Autoren - die meisten davon im Bereich der Theologie angesiedelt - um ihre diesbezügliche Meinung gebeten. Das Buch ist soeben im Styria-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich. Wie Schaffelhofer bei der Präsentation am Freitag in Wien anmerkte, wurde auch dem zum Konklave in Rom weilenden Kardinal Christoph Schönborn ein Exemplar zugänglich gemacht.

religion.ORF.at/KAP

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