Kardinal Sandri: Der Kurien-Insider

Der argentinische Kardinal Leonardo Sandri ist schon so lange im Vatikan tätig, dass er auch als Italiener gezählt werden könnte. Er kennt die Kurie wie kaum ein anderer.

Die aussichtsreichsten Kandidaten

religion.ORF.at stellt von 6. bis 11. März die aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Papst Benedikt XVI. vor.

Leonardo Sandri gehört zu jener Handvoll von Kardinälen aus Lateinamerika, der beim bevorstehenden Konklave Chancen zugebilligt werden. Ein „richtiger“ Latino-Papst wäre Sandri allerdings nicht, er lebt und arbeitet nämlich schon so lange im Vatikan, dass er genauso gut als italienischer Papst durchgehen könnte.

Für Sandri spricht demnach vor allem, dass er die römische Kurie sehr gut kennt. Sollte das Kardinalskollegium sich für eine Fortsetzung des bisherigen Kurses und damit gegen die von vielen Seiten geforderte Kurien-Reform aussprechen, ist er wohl einer der aussichtsreichsten Kandidaten. Zumindest als „Papst-Macher“ wird Sandri beim Konklave durch seine Vernetzung eine gewichtige Stimme haben.

Der argentinische Kardinal Leonardo Sandri

Reuters/Max Rossi

Leonardo Sandri steht seit 42 Jahren direkt im Dienst des Vatikans. Er kennt die internen Abläufe vermutlich wie kaum ein anderer.

Sandri wurde 1943 als Sohn italienischer Immigranten in Buenos Aires geboren. Er studierte Philosophie und Theologie und wurde kurz nach seinem 24. Geburtstag zum Priester geweiht. Nur drei Jahre war er als Seelsorger in seinem Heimatland tätig, bevor er 1970 nach Rom ging und nie wieder dauerhaft zurückkehrte.

In Rom machte Sandri zunächst seinen Dokotr in kanonischem Recht und anschließend eine diplomatische Ausbildung. Nach seinem Eintritt in den diplomatischen Dienst 1974 war er in Madagaskar, den USA, Venezuela und schließlich in Mexiko für den Vatikan im Einsatz und konnte wertvolle internationale Erfahrung sammeln. Sandri spricht Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch.

Dritter Mann im Vatikan

2007 wurde Sandri schließlich von Benedikt XVI. zum Präfekten der Kongregation für die orientalischen Kirchen berufen, seine bisher wichtigste Aufgabe hatte Sandri aber schon zuvor übernommen: Von 2000 bis 2007 bekleidete er als „Substitut für die allgemeinen Angelegenheiten“ im Staatsekretariat jene Position, die von Experten salopp als „Innenminister“ des Vatikans und als drittwichtigster Posten nach dem Papst und dem Staatssekretär bezeichnet wird.

In dieser Funktion erlangte Sandri auch über die Grenzen Italiens und Argentiniens hinaus Bekanntheit: Er war es, der am 2. April 2005 der Welt den Tod Papst Johannes Pauls II. verkündete. Sandri gilt als enger Vertrauter Benedikts XVI. und seines Vorgängers. Sein Nahverhältnis zum ehemaligen Staatssekretär Angelo Scola könnte ihm allerdings schaden, nachdem diesem Verbindungen zum „Vatileaks“-Skandal nachgesagt wird.

Viele Freunde

Wenn Sandri es schafft, dem Karidnalskollegium glaubhaft zu machen, dass er mit den heiklen Themen, die das vatikanische Staatsskretariat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu verarbeiten hatte, nichts zu tun hat, könnte er tatsächlich gute Chancen haben. Auf der persönlichen Ebene dürfte der Italo-Argentinier im Kardinalskollegium nämlich kaum negativ auffallen. „Es ist schwer jemanden in Kirchenkreisen zu finden, der Sandri nicht mag“, schreibt etwa der Vatikanist John Allen im „National Catholic Reporter“. "Zugegeben, wenige werden ihn als „charismatisch" bezeichnen, aber fast alle sehen ihn als warmherzig, offen und humorvoll.“

Politisch gilt Sandri als Konservativer in der Tradition Benedikts XVI. und Johannes Pauls II., gleichzeitig aber auch als offen für neue Ideen. Vor kurzem sprach er sich etwa in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters dafür aus, dass künftig auch Frauen im Vatikan höhere Ämter übernehmen sollen als das bisher der Fall war. Für eine Unterstützung der Forderung nach der Priesterweihe für Frauen reichte es dann aber doch nicht.

religion.ORF.at

Weitere Kardinäle: