Kardinal Schönborn: Der Krisenmanager

Der Erzbischof von Wien gehört beim Konklave zur Wahl des Nachfolgers von Benedikt XVI. zum erweiterten Favoritenkreis - vor allem, weil er in den vergangenen Jahren mehrere Krisen bewältigt hat.

Die aussichtsreichsten Papst-Kandidaten

religion.ORF.at stellt von 6. bis 11. März die aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Papst Benedikt XVI. vor.

Mit dem Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, findet sich ein Mit-Favorit im Kreis der Papst-Anwärter, der konservative wie liberale Gläubige gleichermaßen zufriedenstellen könnte. Nicht nur statuierte er nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle mit der „Opferschutzanwaltschaft“ („Klasnic-Kommission“) ein Exempel im offensiven Umgang mit dem Thema. Auch mit aufkeimenden rebellischen Tendenzen in der Priesterschaft hat der Dominikaner diplomatisches Geschick bewiesen.

Als Schönborn 1995 aufgrund eines Missbrauchs-Vorwurfs gegen Hans-Hermann Groer dessen Amt als Wiener Erzbischof übernahm, konnte er nicht ahnen, dass dieses Thema bis zuletzt seine Amtszeit prägen würde. So beließ er es nicht bei demonstrativem Verständnis und mantrahaft wiederholtem Bedauern, als sich ab 2009 nach und nach weitere Opfer kirchlicher Einrichtungen mit Missbrauchsvorwürfen meldeten. Im März 2010 überraschte er die erboste Öffentlichkeit mit der Einrichtung der „unabhängigen Opferschutzanwaltschaft“ unter der Leitung der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic.

Kardinal Christoph Schönborn bei einer Messe im Vatikan

APA/EPA/ANSA/Guido Montani

Schönborn gilt als einer der aussichtsreichsten Kadidaten, die aus Europa, aber nicht aus Italien stammen

Schönborn entstammt einer Adelsfamilie, die bereits in der frühen Neuzeit Würdenträger der katholischen Kirche im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gestellt hat. In Böhmen geboren, wuchs er in Schruns (Vorarlberg) auf. Nach der Matura trat Schönborn 1963 in den Dominikanerorden ein, er studierte Theologie und Philosophie in Bornheim-Walberberg, Wien und Paris und wurde am 27. Dezember 1970 zum Priester geweiht.

Schüler Ratzingers

Von 1971 bis 1974 absolvierte er am Institut Catholique de Paris ein Promotionsstudium zum Dr. theol., im Zuge dessen er auch von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., unterrichtet wurde. Ab 1975 lehrte Schönborn selbst katholische Dogmatik an der Universität Freiburg (Schweiz). 1991 wurde Schönborn schließlich von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof in Wien ernannt.

Seinen Ruf als „Krisenmanager“ hatte Schönborn früh etabliert. Seinen größten Karrieresprung verdankte der schwersten Kirchenkrise Österreichs. Nachdem sein Vorgänger Groer wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs von Zöglingen abtreten musste, wurde Schönborn im September 1995 Wiener Erzbischof. Als solcher betrieb er auch die Demontage des streitbaren St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn, der im Herbst 2004 über eine Sexaffäre an seinem Priesterseminar stolperte. Dabei gilt Schönborn grundsätzlich als konfliktscheu. So entließ er im Jahr 1999 seinen Generalvikar Helmut Schüller, indem er ihm kurzerhand den „Blauen Brief“ unter der Tür durchschob.

Schüller war es auch in weiterer Folge, der Schönborns diplomatisches Geschick an einer weiteren Front herausforderte. Als der Sprecher der „Pfarrer-Initiative“ mehr und mehr Geistliche hinter sich sammeln konnte, vergrämte der Wiener Erzbischof weder die Reformer zur Gänze, noch die Kirchenleitung in Rom. Zwar kommunizierte Schönborn keineswegs offensiv mit den unzufriedenen Pfarrern, drastische Strafen blieben aber bisher aus.

Homosexueller Pfarrgemeinderat bestätigt

Auch in einem anderen heiklen Feld hat Schönborn den Spagat zwischen Rom-Treue und Volksnähe gemeistert: Als sich ein Pfarrergemeinderat in der Erzdiözese Wien zu seiner Homosexualität bekannte, entschied sich Schönborn trotz Protesten des dortigen Pfarrers für den Verbleib des Mannes im Gremium, während er gleichzeitig betonte, dass die Kirche ihre Haltung gegenüber Homosexuellen nicht ändere.

Ungewöhnlich offen übte Schönborn zuweilen auch Kritik an der Kirchenleitung in Rom. Als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz verfasste er nach der letztendlich missglückten Ernennung des erzkonservativen Gerhard Maria Wagner zum Linzer Weihbischof einen geharnischten Hirtenbrief, der vor allem der Nuntiatur in Wien galt. Aufgrund öffentlicher Kritik an Kardinaldekan Angelo Sodano musste Schönborn in Rom vorsprechen.

Als Redakteur des Weltkatechismus und enger Vertrauter des zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. genießt der Wiener Erzbischof dennoch höchste Anerkennung, auch in konservativen Zirkeln Roms. Immerhin ist Schönborn auch Mitglied mehrerer wichtiger Gremien, wie zum Beispiel der Glaubenskongregation, der Kongregation für die orientalischen Kirchen oder des Päpstlichen Rates für die Förderung der Neuevangelisierung. Sollten diese Eigenschaften für den Heiligen Stuhl ausreichen, wird die Suche nach einem geeigneten Nachfolger als Erzbischof von Wien eine ebenso schwierige Aufgabe wie die Papst-Wahl selbst.

religion.ORF.at/APA

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