Historiker: Papst soll sich zu Diktatur äußern

Der Historiker und Argentinien-Experte Alexander Hasgall hat an den Papst bezüglich dessen Vergangenheit appelliert, „auf seine Kritiker zuzugehen und einen Weg zu finden, wie er ein Zeichen setzen kann“.

Das sagte der Historiker mit Blick auf die Rolle von Jorge Mario Bergoglio während der argentinischen Militärdiktatur. In Argentinien habe die Kirche „ausgesprochen langsam und ungern über die eigene Verstrickung gesprochen und sich geweigert, dafür Verantwortung zu übernehmen“, sagte der Züricher Historiker der im Bonner Katholischen Medienhaus angesiedelten „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ (Ausgabe 21. März).

Auch Bergoglio habe über seine Vergangenheit nur Auskunft gegeben, wenn er musste, kritisierte Hasgall: „Vom neuen Papst als Person sollte man zumindest fordern, dass er hier für weitere Klarheit sorgt.“ Laut Hasgall gehörte Bergoglio damals zu einer breiten Schicht von Kirchenvertretern, die am Anfang den Militärputsch begrüßten, weil sie hofften, dass die Armee Ordnung schaffe.

„Bergoglio war kein unpolitischer Geistlicher“

„Bergoglio war kein unpolitischer Geistlicher, der vom Gang der Ereignisse überrollt wurde. Er war Teil eines Flügels der Gesellschaft, deren rechtsperonistische Ideale sich stark mit christlichen Ideen verbanden“, erläuterte der Experte für die Erforschung der Militärdiktatur (1976 bis 1983): „Man kann davon ausgehen, dass er glaubte, dass die unchristliche Subversion das Land angreift, und deswegen den Einsatz der Armee begrüßte.“

Hinzu sei das politische und wirtschaftliche Chaos gekommen. Dieses habe in Argentinien vor dem Militärputsch geherrscht. „Sicher wusste er nicht alles, was damit einherging. Da es in Argentinien aber mehrere Staatsstreiche gab und Folter schon früher angewandt wurde, musste er eigentlich davon ausgehen, dass ein brutales Regime an die Macht kommt“, so der Historiker weiter.

Mit Blick auf jüngste Äußerungen des Jesuitenpaters Franz Jalics (85) zur Rolle seines Mitbruders sagte Hasgall, die Aussagen zeigten, dass Jalics nach wie vor nicht bereit sei, Bergoglio einen Persilschein auszustellen. „In seiner Erklärung heißt es: Ich habe mich mit den Geschehnissen versöhnt“, zitiert der Historiker und fügt hinzu: „Er hat nicht gesagt, dass er Bergoglio für unschuldig hält.“

Jesuitenpatres entführt und gefoltert

Im Mai 1976 waren die beiden Jesuitenpatres Orlando Yorio und Franz Jalics von Militärs entführt, gefoltert und für mehrere Monate inhaftiert worden. Da es zuvor inhaltliche Differenzen mit ihrem damaligen Provinzial Bergoglio gegeben hatte, warfen diesem drei Jahrzehnte später argentinische Publizisten vor, er habe die beiden schutzlos gelassen und damit indirekt den Militärs ausgeliefert.

Das dementierte kürzlich unter anderem Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel. Bergoglio selbst sagte 2010 in einem Zeitungsinterview, er habe sich während der Diktatur für mehrere bedrohte Seminaristen und Priester eingesetzt. Dabei habe er auch mit den Junta-Führern General Jorge Videla und Emilio Massera gesprochen, um sich für die Betroffenen einzusetzen.

religion.ORF.at/KAP

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