Boff: Vermutlich verlässt der Papst den Vatikan

Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff (74) vermutet dass Papst Franziskus „den Vatikan verlässt“. Ansonsten könne er kaum eine Reform der Kurie durchführen, sagte Boff.

Er äußerte das gegenüber dem „Berner Pfarrblatt“ (Ausgabe 23. März), wie die Schweizer katholische Nachrichtenagentur KIPA/APIC zitiert. „Der Kopf denkt von dem Ort aus, wo die Füße stehen. Wenn jemand in einem Palast lebt, fängt er an zu denken, wie es die Logik des Palastes verlangt“, ist der Mitbegründer der Befreiungstheologie überzeugt. Draußen, „mitten im Volk“, werde Papst Franziskus aber auf andere Gedanken über die Mission der Kirche in der Welt kommen.

„Neue Phase in der Weltkirche“

Die Tatsache, dass mit der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio ein Mann aus der südlichen Welthalbkugel Papst ist, bietet aus Sicht von Boff die Gelegenheit, „eine neue Phase in der Weltkirche einzuläuten“. In der Dritten Welt lebten 60 Prozent aller Katholiken. Es sei deshalb Zeit, „dass der Reichtum dieser peripheren Kirchen zum Allgemeingut für die Weltkirche wird“, sagte der Befreiungstheologe.

Leonardo Boff

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Leonardo Boff

Boff wurde 1938 als Sohn italienischer Einwanderer in Concordia in Südbrasilien geboren. Er trat 1959 dem Franziskanerorden bei. Er studierte in München beim Jesuiten Karl Rahner und promovierte 1970 bei Leo Scheffczyk in Dogmatik, der zweite Gutachter der Arbeit war Joseph Ratzinger. Nach Brasilien zurückgekehrt wurde er Professor für Systematische Theologie am Instituto Teologico Franciscano in Petropolis.

Rede- und Lehrverbot durch Ratzinger

1985 erteilte Ratzinger, der seit 1982 Präfekt der Glaubenskongregation war, Boff ein Rede- und Lehrverbot, durch das er weltweit bekannt wurde. Er nutzte die ihm auferlegte Schweigebuße, um weitere Bücher zu verfassen. Weil er sich weiterhin in Artikeln mit Zölibat und Machtausübung der römischen Kurie auseinandersetzte, wurde er 1991 erneut mit einer Disziplinarstrafe belegt. Nach einer Intervention Kardinal Ratzingers musste er die Leitung der katholischen „Revista Vozes“ niederlegen und die Franziskanerhochschule Petropolis verlassen.

Im September 1991 ließ Boff wissen, dass er seinen „Kampf gegen die Hierarchie“ einstellen werde. Er trat aus dem Franziskanerorden aus, gab sein Priesteramt auf und übernahm einen extra für ihn geschaffenen Lehrstuhl für Ethik und Spiritualität an der Staatsuniversität Rio de Janeiro. Boff lebt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der brasilianischen Theologin Marcia Miranda, in der Nähe von Rio im Öko-Reservat Jardim Araras.

religion.ORF.at/KAP

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