Körtner: „Neue Atheisten“ mit religiöser Inbrunst

Selbst mit religiöser Inbrunst gegen Religionen vorzugehen und dabei die bewusste Verletzung religiöser Gefühle zur Gewinnung von Aufmerksamkeit zu nutzen ist laut dem Theologen Ulrich Körtner Kennzeichen eines „neuen Atheismus“.

Ein solcher habe sich als Reaktion auf die Terroranschläge am 11. September 2001 gebildet und damit auf die „hässliche Seite“ einer „Wiederkehr der Religion“. Darauf verwies der Vorstand des Instituts für Systematische Theologie und Religionswissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien in einem Gastkommentar in der „Presse“ (Donnerstag-Ausgabe). Die Initiatoren des „Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien“ seien dem neuen Atheismus und seinen Merkmalen zuzuordnen.

Für Körtner geben die neuen Atheisten nicht nur „unterkomplexe Antworten“ auf die entscheidende Frage in der Debatte über Religion im öffentlichen Raum, nämlich wie viel Religion die modernen Gesellschaften und säkularen Staaten vertragen würden. Sie seien in ihren Antworten auch „freiheitsgefährdend“, weil sie mit der gezielten Parole „Kein Respekt für Religion“ das Menschenrecht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit infrage stellen bzw. unterminieren würden, so der evangelische Theologe und Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien.

Bewusste Respektlosigkeit vor Religion

Kennzeichen des neuen Atheismus sei nicht bloß, den Glauben an Gott für falsch zu erachten, neue Atheisten würden vielmehr ganz bewusst auch den Respekt vor Religionen und Glaubensgemeinschaften ablehnen und keine Rücksicht auf religiöse Gefühle nehmen, was an strategischen Gründen einer erstrebten Aufmerksamkeitssteigerung liege, so Körtner.

Ulrich Körtner

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Ulrich Körtner

Auffällig sei die „geradezu religiöse Inbrunst“, mit der die neuen Atheisten gegen Religionen kämpfen würden, so Körtner, der zu diesen auch die „Atheistische Religionsgemeinschaft in Österreich“ zählt. Diese wolle für sich selbst die gesetzliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft erreichen, um „gegen die Privilegien staatlich anerkannter Religionsgemeinschaften zu Felde zu ziehen“, so der Theologe wörtlich.

Die weltanschauliche Grundlage des neuen Atheismus sieht Körtner im Evolutionismus und Formen des Naturalismus als materialistische Spielarten. Damit würde zwar Wissenschaftlichkeit beansprucht, in Wahrheit seien solche Weltanschauungen aber „pure Ideologie“ ohne wissenschaftliche Fundierung, ohne Bewusstsein von den Voraussetzungen von Wissenschaftlichkeit selbst.

Freidenker: Förderung von Religionen anachronistisch

Der Vorsitzende des Freidenkerbundes Österreich, Gerhard Engelmayer, der das „Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien“ unterstützt, meinte hingegen in seinem Gastkommentar ebenfalls in der „Presse“ (Donnerstag-Ausgabe), die gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften durch den Staat sei Diskriminierung gegenüber jenen, die „nicht an Übernatürliches glauben“ und „ihr Leben mit Hausverstand bewältigen wollen“.

Gerhard Engelmayer

G. Engelmayer

Gerhard Engelmayer

Mit dem Namen des von ihm unterstützten Voksbegehrens sei er selbst nicht glücklich, so Engelmayer. „Denn auf den ersten Blick scheint es gegen die Kirche zu gehen“, schreibt er in seinem „Presse“-Kommentar. Das sei nicht der Fall. Es gehe auch nicht darum, einzelne Privilegien zu diskutieren, „das sollen die Fachleute tun“, sondern „um ein diskriminierendes System, das der Staat zu verantworten hat“.

Die Förderung von Religionen sei anachronistisch, ein Zeichen von „Irrationalität“ und „statischem Denken“. Denn Religionen würden „bis heute gegen Ungläubige hetzen“ und stünden der Aufklärung entgegen. Religion müsse strikt von Politik getrennt werden: „Jeder weiß, dass Religion und Politik nicht zusammengehören. Religion ist nicht an Aufklärung interessiert, sondern an Verklärung“, so Engelmayer.

religion.ORF.at/KAP

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