Ägypten: Erneut Gewalt zwischen Muslimen und Kopten

Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kairo zwischen Muslimen und Kopten am Wochenende, sind zwei weitere Menschen ihren Verletzungen erlegen. Insgesamt sind damit bereits acht Todesopfer zu beklagen.

Nach den religiösen Unruhen in Ägypten hat es zwei weitere Todesopfer gegeben. Wie am Montag aus Sicherheitskreisen verlautete, starb ein junger Muslim an den Folgen von Verletzungen, die er am Sonntag vor der koptischen Markus-Kathedrale in Kairo erlitten hatte. In einem Dorf in der Provinz Al-Kaljubija starb ein Christ, der zu Beginn der Auseinandersetzungen verwundet worden war. Damit kamen durch die Gewalt zwischen Christen und Muslimen seit Samstag insgesamt acht Menschen ums Leben.

Die Muslimbruderschaft, als deren Kandidat Mohammed Mursi im vergangenen Jahr zum Präsidenten gewählt worden war, verurteilte die Gewalt der vergangenen Tage. Die Islamisten-Vereinigung erklärte, die Unruhen seien „von Leuten geplant worden, die kontinuierlich daran arbeiten, die Gesellschaft zu spalten, damit das Land nicht zur Ruhe kommt.“ Sie stellten in ihrer Erklärung indirekt einen Zusammenhang zu den jüngsten Protesten von linken und liberalen Kräften gegen die regierenden Islamisten her.

Elf Festnahmen

Der ägyptische Kirchenrat erklärte, es sei einmalig und sehr bedauerlich, dass die Markus-Kathedrale, ein Symbol der Christenheit im Nahen Osten, zum Angriffsziel geworden sei. „Das Gesetz muss auf jeden Bürger gleichermaßen angewandt werden“, betonten die Ratsmitglieder.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, in der Umgebung der Kathedrale seien elf Verdächtige festgenommen worden. Zu ihrer Identität machte er keine Angaben. Die Koalition der Kopten in der südlichen Provinz Luxor lud Muslime ein, die Kirchen und Klöster der Provinz gemeinsam zu schützen.

Trauerfeier für die vier koptischen Todesopfer, die am 6. April nahe Kairo bei religiösen Unruhen ums Leben kamen

REUTERS/Mohamed Abd El Ghany

Am Sonntag fand die Trauerfeier für jene vier Kopten statt, die am Vortag ums Leben kamen

Fünf Tote am Samstag

In der Kathedrale im Kairoer Stadtteil Abbassiya wurde am Sonntag jener vier Kopten gedacht, die tags zuvor bei Ausschreitungen der Gemeinde Al-Khossousse im Norden des Kairoer Ballungszentrums zusammen mit einem muslimischen Jugendlichen ums Leben gekommen waren. Die Muslimbruderschaft und das renommierte Al-Azhar-Islam-Institut verurteilten die Gewalt und forderten Christen und Muslime zum Zusammenhalt auf.

Wie Augenzeugen berichteten, brach die Gewalt am Sonntagnachmittag aus, als wütende Teilnehmer der Trauerfeier begannen, Parolen gegen Mursis Regierung zu rufen. Daraufhin seien die Christen mit Schusswaffen, Brandsätzen und Steinen angegriffen worden. Die Zusammenstöße forderten ein weiteres Todesopfer.

Wie die Schweizer katholische Presseagentur APIC berichtete, hatten die jüngsten Ereignisse ihren Ausgang durch Graffitisprühungen auf ein islamisches Schulungszentrum in Al-Khossousse genommen. Der Tat verdächtigt wurden christliche Kinder. In der Folge versuchte eine aufgebrachter Gruppe von Muslimen am Samstag, die koptische St.-Georgskirche zu stürmen.

Eine Menschenkette aus Christen versuchte indessen, das Gebäude zu schützen. Durch die Angriffe, vermutlich auch durch von Angreifern abgefeuerte Schüsse, starben fünf Kopten und ein Muslim. Zahlreiche Häuser und Läden von Kopten wurden geplündert und in Brand gesteckt.

Menschenmassen vor der koptischen Markuskathedrale in Kairo

REUTERS/Mohamed Abd El Ghany

Nach der Trauerfeier am Sonntag kam es vor der koptischen Markuskathedrale erneut zu Zusammenstößen, bei denen wieder ein Mensch getötet wurde

Der koptische Papst-Patriarch Tawadros II. wird in drei Wochen im Vatikan erwartet. Berichten zufolge soll die immer schwieriger werdende Situation der christlichen Minderheit in Ägypten ein Hauptthema der Unterredung mit Papst Franziskus sein.

Proteste gegen Mursi

Am Samstag fanden in Kairo und weiteren Städten Proteste gegen die Regierung Mursi statt, die zahlreiche Verletze forderten. Die Demonstrationen waren zum fünften Jahrestag der Gründung der „Bewegung des 6. April“ organisiert worden. Die Bewegung hatte großen Anteil am Sturz des früheren Präsidenten Hosni Mubarak; sie ist inzwischen Teil einer säkularen Koalition gegen den islamistischen Mubarak-Nachfolger Mursi.

Die Anti-Regierungsproteste konzentrierten sich in Kairo auf den Platz vor dem Obersten Gerichtshof. Eine gewaltbereite Gruppe unter den Demonstranten setzte Reifen in Brand und griff gepanzerte Polizeifahrzeuge an. Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Zu Verletzten kam es auch in Alexandria und in der südlichen Provinz Fayum. In der Stadt Mahalla wurde eine Polizeistation mit Benzinbomben angegriffen, in Alexandria kam es zu Ausschreitungen.

Acht Millionen Kopten

In Ägypten leben etwa acht Millionen Kopten. Sie machen zehn Prozent der Bevölkerung aus. Immer wieder gibt es religiöse Unruhen zwischen Muslimen und Kopten, oft mit tödlichem Ausgang. Einer der heftigsten Gewaltausbrüche war im Oktober 2011: Bei Zusammenstößen in Kairo kamen 26 Menschen ums Leben, überwiegend Christen.

Überschattet von den Unruhen war auch der Ägyptenbesuch der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die Diplomatin war am Samstagabend zu politischen Gesprächen nach Kairo gereist. Neben Präsident Mursi wollte sie dort auch die führenden Oppositionellen Amre Mussa, Mohammed ElBaradei und Hamdien Sabahi treffen. Die Europäische Union sieht die Unruhen in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land mit Sorge und fordert einen Dialog aller Parteien.

KAP/APA/dpa