Volksbegehren: Konfessionsfreie im Fokus

In den letzten Jahren hat sich in Österreich erstmals eine deutlich wahrnehmbare konfessionsfreie Szene bemerkbar gemacht, zuletzt mit dem am Montag startenden Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien.

Die Vernetzung der einzelnen Gruppierungen geschieht über Kampagnen und Initiativen. Johannes Sinabell, Leiter des Referats für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien, spricht gegenüber Kathpress von einem „völligen Novum“, wenngleich er den Kreis der Proponenten als „klein“ beschreibt: Viele Leitungsfunktionen in den einzelnen aktiven Gruppierungen der Konfessionslosen würden dieselben Personen in Doppel- oder Mehrfachfunktion übernehmen.

Freidenkerbund älteste Vereinigung

Die älteste der aktiven atheistischen Vereinigungen ist der 1887 im Arbeitermilieu gegründete Freidenkerbund Österreich (FBÖ), der sich anfangs vor allem für religionslose Schulerziehung und Feuerbestattung starkmachte. Nach einem Verbot 1933 wurde er 1948 neu gegründet, musste allerdings 1978 nochmals einen Neustart machen - nun mit Beinamen „Institut für wissenschaftliche Weltanschauung“ und Fokus auf Erwachsenenbildung.

Anhaltende Krisen und Richtungsstreitigkeiten beim Bund lösten 2006 eine Absplitterung gleich mehrerer Gruppen aus. So gründete sich etwa die ehemalige oberösterreichische FBÖ-Landesgruppe um Wolfgang Huber als Allianz für Humanismus und Atheismus (AHA) neu, die unter anderem die Öffnung des Bundes auch für Freireligiöse nicht mittragen wollte.

Für laizistische Gesellschaftsordnung

Der Grünen-Politiker und Biologe Erich Eder gründete fast zur gleichen Zeit die AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich (AG-ATHE) mit Philippe Lorre als Sprecher, wobei man als vorrangige Ziele die Gleichbehandlung Konfessionsfreier in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie eine laizistische Gesellschaftsordnung anstrebte.

Niko Alm

APA/Georg Hochmuth

Niko Alm engagiert sich in mehreren Initiativen

2009 entstand die Regionalgruppe Österreich der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS), die sich an der 2004 gegründeten deutschen Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus orientiert. Durch ihre klare atheistische Offensive - bekannt wurde etwa die Plakatkampagne des Werbefachmanns und Österreich-Sprechers der Stiftung, Niko Alm - wurden bestehende Gruppen belebt und die Bildung neuer Initiativen angeregt.

Eine davon ist die Initiative Religion ist Privatsache um ihren Präsidenten und „Science Buster“-Physiker Heinz Oberhummer, deren Hauptziel die Verbannung von Religion aus öffentlichen Einrichtungen ist: Religion in diesem Raum diskriminiere die Konfessionsfreien, so die Argumentationslinie des Kampfes etwa gegen Kreuze in Schulen und gegen den verpflichtenden Religionsunterricht in öffentlichen Schulen, den die Initiative durch alle Rechtsinstanzen führen will. Eine eigens eingerichtete „Meldestelle“ gegen religiöse Bevormundung soll entsprechende Diskriminierungsfälle sammeln.

Aufhebung des Konkordats

Die klarere Trennung von Religion und Staat heftet sich die Laizismus-Initiative auf ihre Banner, wobei vorrangig die Aufhebung des Konkordats, das laut Ansicht der Initiative die Kirche privilegiere, sowie eine Verfassungsänderung angestrebt werden . „Vorübergehend“, wie die Vertreter um Alm sagen, soll der Staat das Religionsbekenntnis frühestens im Alter von 14 Jahren aufnehmen und folglich bis dahin in der Pflichtschule nur Ethikunterricht mit religionsgeschichtlichen Aspekten anbieten.

Seit 2012 benennt sich der Zentralrat der Ex-Muslime ebenfalls als „Initiative“, deren Mitglieder sich als ehemalige Muslime und säkulare Humanisten sehen. Der Verein, dessen Obmann Cahit Kaya ist, beklagt eine einseitige Wahrnehmung des Staates zugunsten strenggläubiger islamischer Verbände. Er setzt sich für Aufklärung, gegen Ehrenmorde und Zwangsehen, gegen eine „falsche Toleranz“ etwa bei Schleier und Minarett sowie für die Enttabuisierung des Abfalls vom Glauben im Islam ein.

Illustration zum Thema Missbrauch: Pfarrer verfolgt Kinder

APA/Herbert Pfarrhofer

Veranstaltung „Lange Nacht des Missbrauchs“ der Initiative Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien im Oktober 2011 auf dem Wiener Stephansplatz

Als Plattform der genannten säkularen Einrichtungen ist jüngst der Zentralrat der Konfessionsfreien (ZrK) entstanden. Die von Alm geleitete Organisation versucht sich für jene Österreicher starkzumachen, die formell zu keiner Religionsgemeinschaft gehören, und fordert, dass Rechte der Indifferenten, Uninteressierten und Ungläubigen in gleichem Ausmaß geschützt werden wie Rechte der Gläubigen.

Volksbegehren, Anfechtungen und Kampagnen

Das aktuelle Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien wurde initiiert von Einzelpersonen wie Alm und Oberhummer, vom Freidenkerbund, der österreichischen Giordano-Bruno-Stiftung und von der Plattform „Betroffene kirchlicher Gewalt“, die ihr Anliegen für nicht kirchliche Ombudsstellen vertritt. Um das Begehren zu starten, wurden innerhalb von knapp zwei Jahren 8.637 Unterstützungserklärungen gesammelt.

Forderungen des Volksbegehrens

  • Laizität: Klare Trennung von Staat und Religion
  • Reduktion der Subventionen an die Religionsgesellschaften
  • Staatliche Aufklärung kirchlicher Missbrauchs- und Gewaltverbrechen

Andere Anliegen der atheistischen Gruppierungen finden ihren Ausdruck etwa in der „Kreuzanfechtung“ in öffentlichen Einrichtungen, in der Unterstützungserklärung der Initiative Laizismus, für die bisher 5.462 Unterschriften getätigt wurden, und in der Atheisten-Kampagne, in der die Werbeagentur von Alm zuletzt etwa in der „Buskampagne“ das Thema Religionsfreiheit und Kinder aufgegriffen hat.

Schließlich ist auch die Atheistische Religionsgemeinschaft in Österreich zu nennen, die per Antrag nach dem Bekenntnisgemeinschaften-Gesetz herausfinden will, wie weit der Staat geht, um eine Überzeugung als Religion zu werten.

Kardinalo-Mobil

APA/Georg Hochmuth

Das „Kardinalo-Mobil“ wirbt für das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien

Keine genauen Zahlen

Die exakte Zahl jener Staatsbürger, die aktuell ohne religiöses Bekenntnis sind, ist unbekannt, gab es in Österreich doch seit 2001 keine Volkszählung mehr. Der Zentralrat der Konfessionsfreien ordnet auf seiner Homepage 2,4 Millionen Menschen - umgerechnet 28,5 Prozent der Bevölkerung - der Kategorie „Konfessionslos und ohne Angaben“ zu.

Eine „nicht nachvollziehbare“ Zahl, so das Urteil von Stefan Lorger-Rauwolf, Mitarbeiter am Referat für Weltanschauungsfragen: Man habe hierfür die von den einzelnen Religionsgemeinschaften veröffentlichten Mitgliederzahlen schlichtweg addiert und die Differenz zur Gesamtbevölkerung gezogen. Wahrscheinlicher sei daher die Zahl von rund 1,9 Millionen, die deklariert ohne religiöses Bekenntnis sind.

religion.ORF.at/KAP

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