China: Religion dem Staat untergeordnet

Die chinesische Regierung fordert nach Einschätzung des Direktors des Pekinger Instituts für Weltreligionen, Zhuo Xinping, die Anpassung aller dort vertretenen Religionen an die sozialistische Staatsideologie.

Ziel der politischen Führung sei es, die Religionen in das Bemühen um eine „harmonische Gesellschaft“ einzubeziehen. Dazu müssten sich die Religionen und damit auch das Christentum in China dem Staat unterordnen, sagte Zhuo am Donnerstag in Sankt Augustin bei Bonn gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA.

Staatsloyalität hat Vorrang

Die Loyalität zum Staat stehe für die Staatsvertreter immer an erster Stelle, erst danach komme die Loyalität zu einer Religion, so der Wissenschaftler. Dies sei auch geschichtlich begründet: „Es gab und gibt in der Geschichte Chinas bis heute nie eine Einheit von Staat und Religion, in der die Religion die führende Rolle gespielt hätte oder eine sogenannte Trennung von Staat und Religion. Die einzige Beziehung zwischen Staat und Religion, die es in China jemals gab, war die des Vorrangs des Staates und die Unterordnung der Religion.“

Zhuo räumte ein, dass diese Prämisse Gläubige in China in Schwierigkeiten bringen können. So gebe es etwa in der Frage der Bischofsernennungen in der Volksrepublik große Interessenskonflikte zwischen Peking und dem Vatikan. „Wenn Katholiken treu zur Regierung stehen, werden sie von ihrer Religion kritisiert oder sogar exkommuniziert. Aber wenn sie treu zur Religion stehen, werden sie als illegal bezeichnet und können nur im Untergrund bestehen.“

„Harmonie ja, Unterdrückung nein“

Der Religionswissenschafter äußerte zugleich die Hoffnung auf einen erweiterten Dialog zwischen Peking und katholischer Kirche. „Vielleicht kann es nach der Wahl von Papst Franziskus neue Gespräche geben.“ Derzeit gebe es in China ein zunehmend offenes Klima, um Fragen zwischen Religion und Staat anzusprechen. Dieses Dialogfenster müsse genutzt werden.

Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, betonte, dass sich auch in Deutschland das heutige Staatskirchenrecht erst in einem langen historischen Prozess entwickelt habe. Daher hoffe er, dass der Weg des Dialogs zwischen Religionen und Staat in China weitergehe. Das Ziel Pekings, eine harmonische Gesellschaft zu gestalten, sei nachvollziehbar, so Schick. Dabei dürfe es aber nicht zu einer staatlichen Unterdrückung der Freiheit der einzelnen und der Religionsgemeinschaften kommen.

Zhuo und Schick sprachen beim Festakt zum 25-jährigen Bestehen des Chinazentrums der katholischen Kirche in Deutschland. Ziel der von Hilfswerken, Orden und Diözesen gegründeten Forschungs- und Begegnungsstätte sind die Begegnung und der Austausch mit China im Bereich von Kultur und Religionen. Gegründet wurde es als Antwort der Kirche in Deutschland auf die Öffnungspolitik Chinas in den 1980er-Jahren, die Leitung hat der Steyler Missionar P. Martin Welling inne.

Ein Prozent der Bevölkerung

Auf 12 bis 14 Millionen schätzt man die Zahl der Katholiken, die in der Volksrepublik China leben - eine kleine Minderheit von knapp einem Prozent, „viel zu klein, um von den Behörden als Bedrohung empfunden zu werden“, sagt Welling. Wer sich der Partei unterordne, könne seinen Glauben relativ frei leben, dabei seien die Gemeinden „lebendig, hungrig nach Glaubenswissen und Weiterbildung, auch sozial engagiert, und immer sehr missionarisch orientiert“.

Andererseits schränke der chinesische Staat die Freiräume der Religionen erheblich ein. Paragraph 36 der chinesischen Verfassung, der die Religionsfreiheit garantiert, verbietet jegliche Einmischung von außen. Entsprechend sensibel reagieren die chinesischen Behören auf mögliche Einflüsse aus dem Westen und auf Regelungsversuche des Vatikan, etwa bei Bischofsweihen.

KAP