Österreichs Ökumene fordert Freilassung der Bischöfe

Kardinal Christoph Schönborn, der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Bischofsvikar Nicolae Dura und Pro-Oriente-Präsident Johann Marte fordern die Freilassung der entführten Bischöfe.

In der gesamten Ökumene herrscht große Sorge über das Schicksal der vor drei Tagen in Syrien entführten Bischöfe, ihren Ausdruck findet sie jetzt in der gemeinsamen Erklärung. Nach Angaben der syrisch-orthodoxen Kirche und der griechisch-orthodoxen Kirche in Damaskus und Aleppo ist der Aufenthaltsort der Bischöfe weiterhin unbekannt. Papst Franziskus hatte bereits am Mittwoch die Generalaudienz als Forum für seinen Appell genutzt.

Schönborn: „Christen in Österreich zutiefst betroffen“

Solidarität und Gebet „gelten allen Opfern in Syrien, insbesondere auch den Christen“, heißt es in der Wiener Erklärung von Donnerstag: „Die Christen in Österreich sind zutiefst betroffen über die Entführung der beiden Metropoliten“, so Schönborn, Dura und Marte: „Das Verwirrspiel um die angebliche Befreiung hat den Schmerz der betroffenen christlichen Gemeinden noch vertieft.“

In erschütternder Weise sei durch die Entführung „die Tragödie des syrischen Volkes noch deutlicher geworden, das immer mehr zum Spielball widerstreitender politischer und ideologischer Kräfte wird“. Daher fordere man - gemeinsam mit den vielen kirchlichen Stimmen in aller Welt - „die umgehende Freilassung der beiden Metropoliten, die sich mit Entschiedenheit für Frieden und Versöhnung eingesetzt haben.“

Geisel „langjähriger Freund Österreichs“

In Syrien und überall im Nahen Osten müsse für die Christen wie für alle anderen Bewohner das Recht auf volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung verankert und durchgesetzt werden. Syrien sei in seiner Geschichte durch das selbstverständliche Miteinander verschiedener religiöser Gruppen gekennzeichnet. Dieses kostbare Erbe dürfe nicht von radikalen Fanatikern zerstört werden.

Der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo, Mar Gregorios Yohanna Ibrahim

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Mar Gregorios Johanna Ibrahim

Weiter heißt es in der gemeinsamen Erklärung: „In Syrien ist schon so viel Blut geflossen, zu viele Menschen sind aus ihren Lebensverhältnissen herausgerissen worden, zu viel ist zerstört worden.“ Eine der Geiseln, Metropolit Mar Gregorios Johanna Ibrahim, sei „ein langjähriger Freund Österreichs“ und seit mehr als 30 Jahren ein enger Mitarbeiter der Stiftung Pro Oriente. Er habe vor kurzem gesagt: „Wir sind total erschöpft und können nicht mehr weiter.“

Bittgottesdienst in Graz

Ein besonderes liturgisches Zeichen der Solidarität mit den entführten Bischöfen wird am Donnerstag in Graz gesetzt: So feiert Bischofsvikar Gottfried Lafer um 19.00 Uhr im Grazer Dom einen Bittgottesdienst für die Geiseln und alle von Gewalt betroffenen Menschen in Syrien.

Schönborn, Dura und Marte erinnern an die Erklärung der in Syrien beheimateten Kirchenführer Patriarch Johanna X. Jasidschi und Patriarch Mar Ignatios Zakka I. Iwas. Diese Erklärung wollten sie sich „zu eigen machen“.

In der Patriarchenerklärung heißt es unter anderem, dass die im Nahen Osten lebenden Christen essenzieller Bestandteil ihrer Länder seien. Entführungen seien „eine der absurdesten Ausformungen der Gewalt“. Es müsse „alles vermieden werden, was einen religiösen Konflikt anfachen könnte“. Syrien solle wieder „ein Garten der Nächstenliebe, der Sicherheit und der Koexistenz“ werden.

„Wir wenden uns an die Entführer“

Abschließend heißt es im Patriarchenappell im Blick auf die Muslime: „Wir ergreifen die Gelegenheit, an unsere Mitbürger aus allen islamischen Konfessionen zu appellieren, dem Missbrauch des Menschen Widerstand zu leisten. Denn es ist Missbrauch, wenn er als Objekt betrachtet, als Schild im Kampf oder als Mittel der finanziellen oder politischen Korruption eingesetzt wird. Wir wenden uns an die Entführer und sagen ihnen, dass die von ihnen Entführten Boten des Friedens in der Welt sind. Ihre religiöse, gesellschaftliche und patriotische Arbeit legt für sie Zeugnis ab.“

Mar Bulos Jasidschi

APA/EPA/SANA

Mar Bulos Jasidschi

Der Kanzler des syrisch-orthodoxen Patriarchats von Antiochien in Damaskus, Metropolit Jean Aziz Kawak, sage am Donnerstag, er hoffe, dass Mar Gregorios Johanna Ibrahim und Bulos Jasidschi schnellstmöglich freigelassen werden, damit sie mit den orthodoxen Gläubigen die bevorstehenden Kar- und Ostertage feiern könnten.

Die beiden Bischöfe waren Medienberichten zufolge auf dem Rückweg von einem Besuch in einem Dorf nahe der türkischen Grenze, als ihr Auto kurz vor Aleppo von Bewaffneten angehalten wurde. Die beiden kamen offenbar von Verhandlungen, um die Freilassung zweier vor mehreren Monaten entführter Priester zu erreichen.

Hintergründe weiter unklar

Bulos Jasidschi ist der Bruder des griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Johanna X. Jasidschi. Die Hintergründe der Entführung sind weiter unklar. Laut der syrisch-orthodoxen Diözese soll es sich bei den Entführern um Tschetschenen im Sold der islamistischen Al-Nusra-Front handeln.

Der chaldäisch-katholische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan am Mittwoch, die Stimmung in der Stadt sei bedrückend. „Die Belastung ist deutlich spürbar. Am Dienstag war ja das Fest des Heiligen Georg. Normalerweise wird da in den Familien kräftig gefeiert. Stattdessen ist jetzt in Aleppo eine große Traurigkeit zu spüren, eine große Sorge. Die Leute stellen sich viele Fragen über das Fehlen jedweder Sicherheit und jedweden Friedens.“

Aleppo: Extreme Teuerung, rapide Verarmung

Konkrete Hintergründe zu den Bischofsentführungen konnte auch Bischof Audo keine nennen. Er wies darauf hin, dass seit mehr als einem Monat auch zwei Priester aus der Stadt in Geiselhaft sind. Überhaupt hätten Entführungen stark zugenommen, und Christen seien davon in überdurchschnittlicher Weise betroffen.

Über die Lage in Aleppo sagte Audo, Grundnahrungsmittel seien extrem teuer geworden. „Etwa 80 Prozent der Menschen sind längst arbeitslos, sie verarmen rapide. Man sieht das den Leuten in Aleppo mittlerweile in den Gesichtern an.“

Der Moskauer Patriarch Kyrill I. betonte in einem Telegramm an den Patriarch Johanna X. Jasidschi, dass er alle Anstrengungen unternehme, um die ehestmögliche Freilassung der beiden Bischöfe zu erreichen: „Ich bete, dass Sie der Herr in den gegenwärtigen Leiden stärkt und Syrien Frieden schenkt.“ Er betrachte die Entführung der beiden Metropoliten als „schwerwiegendes Verbrechen“, so Kyrill I.

Aktivist: Entführer tschetschenischer Herkunft

Nach Angaben des mit den beiden Metropoliten befreundeten syrischen Menschenrechtsaktivisten Wail Malas geht die Entführung auf das Konto der Abteilung „Chair-ed-din az Zarkali“ der islamistischen „Al Nusra“-Front. Die Mitglieder dieser Abteilung sollen tschetschenischer Herkunft sein.

In einem Interview mit dem Radiosender Voice of Russia sagte Malas, die beiden Metropoliten hätten versucht, die „Chair-ed-din az Zarkali“-Leute zu veranlassen, zwei Priester aus Aleppo freizugeben, die am 9. Februar aus dem Linienautobus Aleppo-Damaskus entführt worden waren. Nach vielen Kontakten sei den beiden Metropoliten versichert worden, dass man die beiden Priester freigeben werde. Als die Bischöfe zum vereinbarten Treffpunkt kamen, seien sie dann ihrerseits gekidnappt worden, die Täter hätten den Chauffeur erschossen und das Auto in Brand gesetzt.

In dem Gespräch mit der Voice of Russia betonte Malas seine Befürchtung, dass den Christen in Syrien ein ähnliches Schicksal bevorstehe wie ihren Glaubensbrüdern im Irak. Schon jetzt hätten rund 400.000 Christen Syrien verlassen, weil sie um ihre Sicherheit fürchten. Auch im hauptsächlich von Christen bewohnten Wadi al-Nasara würden fast täglich Drohbriefe ankommen, in denen die Empfänger vor die Alternative „konvertieren, flüchten oder sterben“ gestellt würden.

religion.ORF.at/KAP

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