Bischofsentführung: Hintergründe weiter im Dunkeln

In Syrien herrscht weiterhin Unklarheit über die Entführung der orthodoxen Bischöfe Mar Gregorios Johanna Ibrahim und Bulos Jasidschi. Immer mehr Kirchenführer im Nahen Osten fordern indes ihre Freilassung.

Die Bemühungen um die Freilassung der beiden in Syrien entführten orthodoxen Bischöfe gestalten sich kompliziert. Der christliche Autor und Aktivist Michel Kilo sagte nach Angaben von Oppositionsmedien vom Dienstag, der Geheimdienst der Luftwaffe sei in die Verschleppung der beiden Geistlichen vor drei Wochen verwickelt. Die Bischöfe seien allerdings, nachdem eine Beteiligung der Staatsmacht in den Fall ruchbar geworden sei, von den Entführern an eine zweite Gruppe übergeben worden.

Bulos Jasidschi

APA/EPA/Youssef Badawi

Der entührte griechisch-orthodoxe Bischof von Aleppo Bulos Jasidschi

Verschleppte „bei guter Gesundheit“

Die Angaben Kilos stimmen zum Teil mit einer in Kreisen der syrischen christlichen Emigration kursierenden Version überein: Demnach hätten die syrischen Geheimdienste die Entführung eingefädelt, nachdem sich die beiden Bischöfe geweigert hatten, der Aufstellung von christlichen Milizen zuzustimmen, die auf Regierungsseite kämpfen sollten. Die Geheimdienste hätten das Kidnapping aber nicht selbst durchgeführt, sondern sich die Dienste einer Rebellengruppe „eingekauft“.

Ein Angehöriger des oppositionellen Syrischen Nationalrates, der sich in den vergangenen Monaten bereits um die Freilassung von verschleppten Journalisten bemüht hatte, sagte: „Der Fall der Bischöfe wird immer komplizierter, je mehr Gruppen daran beteiligt sind.“ Von den Bischöfen existiere ein Video, das sie in Geiselhaft bei guter Gesundheit zeige.

Auch der Chef des syrischen Oppositionsbündnisses, George Sabra, hatte laut libanesischen Medien am vergangenen Mittwoch gesagt, die Verschleppten seien am Leben und bei guter Gesundheit. Die Geistlichen würden von einer kleinen Rebellengruppe in der Ortschaft Bshaqtin 20 Kilometer nordwestlich von Aleppo festgehalten, so Sabra.

Der syrisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo, Gregorios Johanna Ibrahim, und der griechisch-orthodoxe Bischof der gleichen Stadt, Bulos Jasidschi, waren vor drei Wochen im Umland von Aleppo entführt worden. Bei dem Überfall wurde der Fahrer der beiden getötet. Niemand bekannte sich zu der Entführung. Berichte über eine angebliche Beteiligung tschetschenischer Jihadisten bestätigten sich nicht.

Kirchen fordern Freilassung

Während die Medien weiter über die Hintergründe der Entführung spekulieren, üben sich die Kirchen im Nahen Osten in Solidarität. So haben am Dienstag die Spitzen aller zwölf großen Kirchen in Jerusalem die Freilassung der beiden Geistlichen gefordert. Die Spirale von Gewalt und Blutvergießen müsse beendet werden, schreiben die Kirchenführer in einem gemeinsamen Aufruf, wie die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA am Dienstag berichtet.

Unterzeichner für die katholische Kirche sind der Lateinische Patriarch Fouad Twal und der Franziskaner-Kustos des Heiligen Landes, Pierbattista Pizzaballa. Neben dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III. und dem armenisch-apostolischen Patriarchen Norhan Manougian schlossen sich auch der syrisch-orthodoxe Erzbischof Swerios Malki Murad und der lutherische Bischof Munib Younan, Präsident des Lutherischen Weltbunds, dem Appell an.

Die Geiselnahme sei „ein weiteres Zeichen der tragischen Situation in Syrien und ein extrem gefährliches und neues Phänomen“, heißt es in dem Aufruf. Die beiden Bischöfe seien verschleppt worden, „als sie einigen vertriebenen Familien in der Region humanitäre Hilfe leisteten“, so die Kirchenführer. Besorgt äußerten sie sich über Gewalt und Misshandlungen gegenüber Christen in Syrien. Weiters beklagten sie die „Dutzenden oder manchmal Hunderten“ von Toten, die der Konflikt täglich fordere, und die hohe Zahl von Flüchtlingen.

Mar Gregorios Johanna Ibrahim

APA/EPA/SANA

Der entführte syrisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo, Mar Gregorios Johanna Ibrahim

Christliche Komponente Syriens gefährdet?

Ebenfalls appellierte am Dienstag der melkitische Patriarch von Antiochien, Gregorios III. Laham, an die Entführer. In einem Interview mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR sagte er, es bestehe die Gefahr, dass Syrien seine christliche Komponente verliere: „Aber wir müssen die Hoffnung nähren, dass wir unser Land auf der Basis von Toleranz, Zusammenleben und gegenseitigem Respekt wiederaufbauen können. Als Christen wollen wir unseren Beitrag für die religiöse, moralische und materielle Wiedergeburt Syriens leisten.“

Er habe in den letzten Tagen sowohl das griechisch-orthodoxe als auch das syrisch-orthodoxe Patriarchat von Antiochien besucht. Es gebe dort keine stichhaltigen Nachrichten über die beiden entführten Metropoliten, berichtete Gregorios III. in dem Interview. Die Medien würden „gegensätzliche Neuigkeiten“ über die Situation der beiden Bischöfe bringen. Es sei schwierig, diese Nachrichten „richtig zu bewerten“.

KAP/APA/dpa

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