Katholiken: Tabuthema Weiheämter für Frauen

Die frühe Kirche hat Frauen in Weiheämtern gekannt. Viele wünschen sich heute ein Wiederaufgreifen dieser Tradition. Doch die Kirchenleitung der Katholiken spricht sich derzeit klar gegen geweihte Frauen aus.

Phoebe war Vorsteherin einer frühen Christengemeinde. Doch im Laufe der Geschichte wurde sie als Hilfskraft des Apostels Paulus kleininterpretiert. Lydia, die „erste Christin Europas“, geriet fast 2.000 Jahre in Vergessenheit, und Junia, eine berühmte Apostelin der Frühkirche, verwandelte sich unter der Feder eines Bibelkommentators in einen Mann.

Ikone von Pöbe

ORF, Marcus Marschalek

Phoebe war Diakonin in Kenchreä und stand der Gemeinde vor. Paulus bezeichnet sie sogar als Apostelin.

Frauen, von denen noch im dritten Jahrhundert liturgische Texte ihre Weihe bezeugen, werden dann im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte vergessen. Männer waren durchaus erfinderisch bei der Wahl der Methoden, Frauen im Umkreis Jesu und des frühen Christentums aus der Geschichte „verschwinden“ zu lassen.

Bis heute: Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller, hat Forderungen etwa nach einer Wiedereinführung des Frauendiakonats in der katholischen Kirche soeben erneut eine klare Absage erteilt.

Weihe- und Leitungsämter für Frauen

Anders im 4. Jahrhundert nach Christus: Mit einem bekräftigenden Amen beschließt ein Bischof sein Weihegebet, das er über eine vor ihm kniende Frau spricht. „Siehe auch jetzt selbst auf diese deine Dienerin, die zu deinem Dienst gewählt worden ist, und gib ihr den Heiligen Geist“, rezitiert er einen Text aus der „Constitutiones Apostolorum“, einer Sammlung von Direktiven und Gebeten der frühen Kirche.

Blättert man heute durch alte kirchliche Schriftsammlungen, findet man viele Sätze, die Szenen aus dem Kirchenalltag von vor 1.600 Jahren in der Vorstellung des Lesers wieder lebendig werden lassen. Durch diese Texte und andere historische Quellen schließt die moderne Forschung auf eine frühe Kirchenpraxis, in der auch Frauen in Weihe- und Leitungspositionen tätig waren und etwa das Amt einer Diakonin innehatten.

Vier Frauen werden z. B. in dem Weihegebet der „Constitutiones Apostolorum“ namentlich genannt: Miriam, Deborah, Hanna und Hulda. Von ihnen heißt es unter der Überschrift „Anrufung zur Weihe“, dass sie „mit Geist erfüllt“ und „nicht für unwürdig erachtet“ wurden.

Absage an Frauen in Weiheämtern

Heute sieht das die katholische Kirchenleitung anders. Auf die Forderung, Diakoninnen in der katholischen Kirche zu weihen, antwortet der Chef der Glaubenskongregation: „Das Weihesakrament in den Stufen Bischof, Priester, Diakon kann nach der katholischen Lehre nur von einem Mann gültig empfangen werden.“ Auch für Frauen in einem „nicht an eine sakramentale Weihe gebundenen Amt“, sieht Präfekt Müller keine Grundlage. Das bekräftigte er zuletzt in einem Interview mit deutschen Diözesanzeitungen.

Ludwig Müller. Präfekt der Glaubenskongregation

EPA/ARMIN WEIGEL

Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, kann sich Frauen in Weiheämtern nicht vorstellen

Menschen, die das Amt des Diakons innehatten, waren ursprünglich Gehilfen der Apostel. Ihre Aufgabe war es, Güter zu verwalten und Hilfsdienste zu leiten. Nach und nach kommen aber auch liturgische Aufgaben dazu.

Die Bezeichnungen für diverse Ämter und Aufgaben in den ersten Jahrhunderten der Kirche waren nicht strikt einheitlich. Es kommt zu vielen nebeneinander stehenden Begriffen, wie etwa „Diakonin“ oder auch „Diakonisse“, nicht zuletzt wegen lateinischen, griechischen und landessprachlichen Übersetzungen.

Und genau hier liegt auch der Interpretationsspielraum. So fällt etwa der 2003 veröffentlichte Befund der „Internationalen Theologischen Kommission“, im Dokument „Der Diakonat: Entwicklungen und Perspektiven“, in Bezug auf Weiheämter für Frauen eher zurückhaltend aus.

„Diakon“ und „Diakonisse“

Im Laufe der Kirchengeschichte wurde der Diakonat zu einer Weihevorstufe für das Priesteramt. Eine Entwicklung, die im 3. Jahrhundert begann. Diakone waren bis dahin oft sehr angesehen. Bezeugt ist, dass „Diakone“ und „Diakonissen“ im Auftrag der Bischöfe die Gemeinden leiteten und oft sogar den Priestern den Rang streitig machten. Entsprechend einer von Ignatius von Antiochien übernommenen Typologie hat der „Bischof den Platz Gottes des Vaters inne, der Diakon den Platz Christi und die Diakonisse den Platz des Heiligen Geistes“.

Nach und nach definierten sich Diakone zunehmend durch ihre liturgischen Aufgaben. Gleichzeitig wurden Frauen zunehmend aus dem Amt gedrängt, vermutlich auch weil Vorstellungen von kultischer Reinheit und sexueller Enthaltsamkeit für den Dienst am Altar an Bedeutung gewinnen. Die ursprünglichen Hilfsdienste übernehmen „Subdiakone“ oder eben wieder die Frauen, aber nun ohne Amtsfunktion.

Im fünften Jahrhundert verlor dann das Amt des Diakons durch die von Dionysius entwickelte Ordnung eines „himmlischen und kirchlichen hierarchisierten Universums“ an Bedeutung. Der Diakonat wurde zur Vorstufe und zum Ausbildungsschritt auf dem Weg zum Priesteramt. Erst das Zweite Vatikanische Konzil führte den Diakonat als eigenständiges Amt wieder ein, jedoch nur für Männer.

Vergessene und verdrängte Tradition

Viele Jahrhunderte Kirchengeschichte ohne Frauen in diesem Amt ließ die Tradition der Diakonin in der römisch-katholischen Kirche beinahe vergessen. Dazu wurden auch bewusst historische Hinweise auf Frauen in Weiheämtern verfälscht. Bis heute wollen viele nicht an ein ehemals buntes Bild weiblichen Engagements in Leitungs- und Weiheämtern in den ersten Jahrhunderten der Kirche glauben.

Vor allem im Osten des Römischen Reiches ist spätestens ab dem dritten Jahrhundert durch zahlreiche literarische und epigraphische Zeugnisse eindeutig belegt, dass es z. B. Diakoninnen gab. Erwähnt werden sie in Kirchenordnungen, Briefen, historiographischen Texten, in den Entscheidungen der ersten ökumenischen Konzilien sowie in der staatlichen Gesetzgebung.

„Zur Debatte steht daher alleine die Frage nach dem heute angemessenen Umgang mit diesem Befund“, sagt Heike Grieser, Professorin für Kirchengeschichte an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz. „Dem Traditionsargument innerhalb der katholischen Kirche kommt zu Recht eine besondere Bedeutung zu. Ich wünsche mir, dass wir diese lange unbeachtete Tradition der frühen Kirche neu und adäquat würdigen und damit eine Bereicherung der gegenwärtigen Praxis zulassen“, so Grieser im Gespräch mit religion.ORF.at.

Heike Grieser

JGU-Mainz / Jörg Pütz

Heike Grieser, Professorin für Kirchengeschichte an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz, sieht Diakoninnen in der frühen Kirche eindeutig durch Quellen belegt

„Weiheämter wieder für Frauen öffnen,“ das ist keine neue Forderung. Christine Mayr-Lumetzberger etwa, setzte sich viele Jahre dafür in der katholischen Kirche ein. Doch ihr ging die Geduld aus. Schließlich ließ sie sich gemeinsam mit sechs weiteren Frauen vor elf Jahren von einem „abtrünnigen“ katholischen Bischof zur Priesterin und später zur Bischöfin weihen - nach katholischem Verständnis ein ungültiger und kirchenspalterischer Akt. Mayr-Lumetzberger wurde exkommuniziert.

Mittlerweile haben viele einst in Reformbewegungen aktive Katholikinnen und Katholiken resigniert und die Hoffnung auf absehbare Änderung in Bezug auf Weiheämter für Frauen aufgegeben. Und tatsächlich scheint die Sache festgefahren.

Festgefahren

Papst Johannes Paul II. erklärte in seinem apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis im Jahr 1994, “dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“. Ein Papstwort, das viele auch auf die Weihe von Diakoninnen beziehen.

Doch das Thema scheint nicht vom Tisch. Gerade in Deutschland nimmt die Diskussion in den letzten Wochen wieder stark an Fahrt auf. „Es ist unausweichlich, dass sich die Kirche für Frauen mehr öffnet“ und „eine Diakoninnenweihe zulässt“, so Julia Klöckner vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und CDU- Ladesvorsitzende von Rheinland-Pfalz in einem Interview mit der katholischen Nachrichtenagentur KNA.

Aber auch einige Bischöfe wagen immer wieder Vorschläge in diese Richtung zu formulieren. So regten Kurienkardinal Walter Kasper und Erzbischof Robert Zollitsch an, über ein neu zu definierendes Diakoninnenamt nachzudenken. Sie sehen aber den Frauendiakonat weniger als ein Weiheamt, sondern eher als Hilfsamt - mehr dazu in: Deutschland: Zollitsch will Frauen als Diakone. Aber es melden sich auch zahlreiche Bischöfe zu Wort, die dem Vorschlag gar nichts abgewinnen konnten und ein Ende der Diskussion fordern - mehr dazu in: Ablehnung nach Zollitsch-Vorstoß zu Diakoninnen

Unterstützung vom Papst?

Viele kirchliche Frauenverbände und Reformgruppen sehen sich in ihren Forderungen nun aber auch von Papst Franziskus bestärkt. In einem an die Öffentlichkeit gelangtem vertraulichen Gespräch mit lateinamerikanischen Ordensleuten, rät der Papst selber zu einen durchaus lockeren Umgang mit der Glaubenskongregation. Bedingung dahinter sei allerdings der Einsatz für die Menschen und für die Armen.

“Macht die Fenster auf und tut, was das Leben von euch verlangt. Ich habe lieber eine Kirche, die etwas tut und dabei Fehler macht, als eine, die selbst krank wird, weil sie sich verschließt.” Nichts deutet allerdings darauf hin, dass der Papst bei seiner Aussage konkret den Diakonat der Frau im Sinn hatte, aber viele Katholikinnen und Katholiken sehen Diakonat und Priesteramt als Dienst an den Armen und fühlen sich durch Franziskus daher in ihren Überlegungen, ein Weiheamt für Frauen einzuführen, unterstützt.

Aussagen, die beim Präfekten der Glaubenskongregation auf wenig Gegenliebe zu fallen scheinen. In Interviewterminen äußert er sich immer wieder abschlägig. Frauen hätten in den ersten Jahrhunderten der Kirche „nicht das Weihesakrament im eigentlichen Sinne“ empfangen, sondern aus “Schicklichkeitsgründen eine wichtige Rolle gespielt”, etwa „weil Priester keine Frauen zu Hause oder auf Krankenstationen besuchen durften“. Diese Aufgaben seien heute nicht mehr notwendig, so Müller.

”Kirche soll Frauen ernst nehmen”

Die Kirchengeschichtlerin Grieser kommt aber zu einem anderen Befund: “Wenn in einzelnen frühchristlichen Quellen die Einführung eines Frauendiakonats unter anderem mit Schicklichkeitsgründen erklärt wird, dann zeigt dies vor allem, dass man nicht nur die Bedürfnisse der Zeit, sondern auch die der Frauen ernst genommen und flexibel reagiert hat. Sollte man nicht vor allem diese Grundhaltung auf die gegenwärtige Situation und ihre spezifischen Anforderungen übertragen?”

Eine Frage, die vielleicht Papst Franziskus gefällt, dem viele noch große Überraschungen zutrauen. Zahlreiche Reformgruppen setzen ihre Hoffnung auf ihn.

Die frühe Kirchengeschichte kennt viele Beispiele von Frauen in Leitungsfunktionen: Persis, Tryphäna, Tryphosa, Syntyche und Evodia. Texte bezeugen die Tätigkeiten von Nympha, Leiterin einer christlichen Hausgemeinschaft oder von Lydia, die einer Gemeinde in Philippi vorstand, aber auch Priska, die Gemeindeleiterin und daneben auch Lehrerin und Missionarin war.

Nach und nach zeichnet die moderne Forschung ein neues, bisher wenig bekanntes Bild, einer anfänglich egalitären Kirche, in der Männer und Frauen Verantwortung, Leitung und Weiheämter teilten.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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