China erlaubt Bilder des Dalai Lama in Tibet

Chinesische Behörden erlauben offenbar wieder Bilder des Dalai Lama in Tibet. Seit 1996 war es den Buddhisten verboten den Dalai Lama in Bildform zu verehren.

Mönche des Kloster Ganden nahe der tibetischen Hauptstadt Lhasa seien informiert worden, dass sie Bilder des Dalai Lama zeigen dürften, berichtete am Freitag die in London ansässige Organisation Free Tibet unter Hinweis auf Berichte aus Tibet.

Laut US-Sender Radio Free Asia wurde die Regelung, wie der Dalai Lama verehrt werden kann, versuchsweise auch in tibetischen Klöstern in den angrenzenden Provinzen Sichuan und Qinghai gelockert. Das Bilderverbot des Dalai Lama war 1996 erlassen worden.

HRW: Menschenrechtsverletzungen gehen weiter

China verletzt einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge weiter massiv die Rechte der tibetischen Minderheit. Zwischen 2006 und 2012 seien im Zuge eines staatlichen Programms mehr als zwei Millionen Tibeter zwangsumgesiedelt worden oder hätten in neue Wohnungen umziehen müssen, hieß es in einem gestern veröffentlichten Bericht. In der autonomen Region Tibet seien „mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung“ davon betroffen.

Exiltibeter tragen ein Bild des Dalai Lama durch die Straßen

APA/EPA/Sanjay Baid

Erstmals seit dem Bilderverbot von 1996 dürfen in Tibet wieder Bidler des Dalai Lama gezeigt werden

Zusätzlich seien „hunderttausend nomadisch lebende Hirten“ in Regionen wie Qinghai außerhalb des Autonomiegebiets umgesiedelt worden. Es gehe der Regierung darum, die Nomaden sesshaft zu machen und in „dauerhafte Strukturen“ zu drängen, doch laufe das der tibetischen Kultur zuwider, hieß es in dem Bericht „They Say We Should Be Grateful: Mass Rehousing and Relocation in Tibetan Areas of China“ (Sie sagen, wir sollten dankbar sein: Massenhafte Neuunterbringung und Umsiedlung in den tibetischen Gebieten Chinas).

„Hochgradig repressives Umfeld“

Tibeter hätten keine Stimmen, wenn es um politische Entscheidungen über „radikale Veränderungen ihrer Lebensumstände“ gehe, kritisierte die HRW-Direktorin für China, Sophie Richardson. In einem „hochgradig repressiven“ Umfeld, könnten sie sich nicht zu Wehr setzen. Dem chinesischen Zensus von 2010 zufolge leben rund 6,2 Millionen ethnische Tibeter in China, davon 2,7 Millionen im Autonomiegebiet.

Der HRW-Bericht basiert im Wesentlichen auf Interviews mit 114 Auslandstibetern, die zwischen März 2005 und Juni 2012 geführt wurden. Die chinesische Regierung wollte den HRW-Bericht nicht kommentieren. Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte, HRW habe China in der Vergangenheit häufig „bewusst kritisiert und nicht fundierte Aussagen“ gemacht. Es sei „nicht zu leugnen“, dass Tibet eine „große Entwicklung“ durchlaufen und „große Fortschritte“ in allen Bereichen gemacht habe.

Dalai Lama

REUTERS/Jessica Rinaldi

Mit seinem Lächeln bezaubert Tenzin Gyatso, der XIV. Dalai Lama, viele Menschen.

Der Dalai Lama, ein erleuchtetes Wesen

Im tibetischen Buddhismus gilt der Dalai Lama als Bodhisattva, ein erleuchtetes Wesen, das den Kreislauf der Wiedergeburt verlassen könnte, aber aus Mitgefühl, um das Leid anderer Wesen zu mindern, wieder reinkarniert.

Tendzin Gyatsho, der XIV. Dalai Lama, definierte die Rolle des Dalai Lama für Tibet komplett neu. Über Jahrhunderte war dieses Amt vor allem ein politisch geprägtes. Der jeweilige Dalai Lama war die höchste politische Autorität Tibets. Nicht selten ging es dieser Autorität jedoch nur um Machterhalt und das Durchsetzen von Interessen, wenn nötig auch mit Gewalt. Dem setzte der XIV. Dalai Lama die buddhistische Forderung nach „Mitgefühl" für alle Lebewesen entgegen.

Eine Frau pilgert nach Lhasa

REUTERS/China Daily

Vier große Schulen

Im Tibetischen Buddhismus kam es immer wieder zu Reformen und Spaltungen. Aktuell gibt es vier große Stränge, auch Schulen genannt. Der Dalai Lama gehört zum Strang der Gelugpa, einer Reformbewegung aus dem 15. Jahrhundert. Äußerlich erkennt man die Gelug-Mönche an ihrem gelben Gewand und den gelben Mützen.

1937 wurde Tendzin Gyatsho im Alter von zwei Jahren als Reinkarnation seines Vorgängers von Mönchen im Laji-Gebirge südlich von Xining in der chinesischen Provinz Qinghai gefunden und nach zahlreichen Prüfungen als der XIV. Dalai Lama anerkannt. Er wurde nach Lhasa gebracht und erhielt eine umfangreiche Ausbildung. Doch schon früher als geplant, im Alter von 16 Jahren, übernahm der Dalai Lama am 22. Februar 1940 die volle politische Macht als Staatsoberhaupt Tibets. Doch lange konnte er die 1912 erklärte Unabhängigkeit Tibets nicht halten, er musste fliehen.

China besetzt Tibet

Am 24. Oktober 1950 befahl die kommunistische Regierung in Peking, gerade ein Jahr im Amt, ihren Streitkräften, die drei Millionen Einwohner des nur schwer zugänglichen und von den höchsten Bergmassiven der Erde umschlossenen Tibet von „imperialistischer Unterdrückung zu befreien“. Für den buddhistischen Staat bedeutete das den Beginn der vollständigen Besetzung und Unterwerfung durch den mächtigen Nachbarn.

Der große tibetische Aufstand vom März 1959, der brutal niedergeschlagen wurde, machte weltweit Schlagzeilen. Zehntausende Landsleute folgten dem Dalai Lama ins indische Exil. Seither wurde er nicht müde, auf das Schicksal seiner Heimat hinzuweisen. In der nordindischen Kleinstadt Dharamsala gründete Tendzin Gyatsho eine erste Flüchtlingskolonie und etablierte seine Exilregierung. Seinem Vorbild Mahatma Gandhi folgend, rief er die kampfwilligen Tibeter immer wieder zum Gewaltverzicht auf.

Kompromisslose Ablehnung jeder Gewaltanwendung

1987 machte er in einem Fünf-Punkte-Friedensplan den Vorschlag, Tibet in eine Zone der Gewaltlosigkeit umzuwandeln. Er forderte die Achtung der Menschenrechte und die demokratische Freiheit des tibetischen Volkes. Doch China verweigert bis heute den Dialog mit dem Dalai Lama.

Im März 2011 bat der Dalai Lama das tibetische Exil-Parlament, ihn von seinen politischen Aufgaben zu entbinden. Seine politische Rolle übernahm Lobsang Sangay, der im April 2011 zum neuen Ministerpräsidenten der tibetischen Exilregierung gewählt wurde. Seither konzentriert sich der Dalai Lama auf die spirituellen Aufgaben seines Amtes und versucht das Leben als einfacher Mönch. Zuletzt war Tendzin Gyatsho zu einer Vortragsserie 2012 in Österreich.

Tibetischer Buddhismus

Aus Indien kommend stieß der Buddhismus im 7. Jahrhundert im Bergland des Himalaya auf das religiöse Leben der Bön-Gläubigen: Eine Begegnung, die den Buddhismus stark prägte. Formeln und Rituale, farbenfrohe Feste und der Glaube an Götter und Geistwesen der Bön-Religion fanden Eingang in den Buddhismus. Heute gibt es viele Namen für den „Tibetischen Buddhismus“.

Etwa „Vajrayana", was übersetzt „Diamant-Weg“ heißt, weil der Diamant als Symbol der Erleuchtung gilt, oder der im Westen entstandene Name „Lamaismus“, weil Lehrer, wie etwa der Dalai Lama, bedeutenden Einfluss haben.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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