Mursi-Absetzung: Christen großteils erleichtert

Ägyptens Christen reagieren großteils erleichtert auf die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi durch das Militär. Koptenpapst Tawadros II. ist an den Beratungen über die Zukunft des Landes beteiligt.

„Mursi hat regiert, als würde er daran arbeiten, das Christentum aus Ägypten zu vertreiben“, zitiert die Berliner „Welt“ (Donnerstag) den koptischen Intellektuellen Soliman Shafik.

Der Oberbefehlshaber der Armee, Abdel Fattah al-Sisi, hatte am Dienstag und Mittwoch auch den koptisch-orthodoxen Papst-Patriarchen Tawadros II. in die Beratungen über die Zukunft des Landes einbezogen. Das ägyptische öffentlich-rechtliche Fernsehen zeigte Sisi am Mittwochabend bei der Verlesung der Absetzungs-Begründung gemeinsam mit religiösen Führern, darunter Tawadros und Al-Azhar-Großimam Ahmad Mohammad al-Tayyeb.

Feuerwerk am Tahrir-Platz in Kairo

Reuters/Mohamed Abd El Ghany

Die Freude der Mursi-Gegner am Kairoer Tahrir-Platz war groß, als die Nachricht von seiner Absetzung verkündet wurde

Zehn Prozent Christen

Rund zehn Prozent der etwa 80 Millionen Einwohner Ägyptens sind Christen. Die Gewalt gegen sie hatte seit Beginn der Amtszeit Mursis im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Viele Christen beteiligten sich auch an den Protesten gegen den Präsidenten. Mehrere islamistische Prediger drohten deshalb, Christen seien nicht mehr sicher. Zugleich versuchten sie, die Proteste gegen Mursi als Aufstand der Christen gegen die Muslime darzustellen.

Dementsprechend wurde die Absetzung des Präsidenten von vielen christlichen Vertretern als „wichtiges Signal“ gewertetet. Der Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, Joachim Schroedel, sagte etwa gegenüber dem „Münchner Kirchenradio“, das ägyptische Volk habe bewiesen, dass es sowohl eine weltliche als auch eine religiöse Diktatur ablehne und, wenn nötig, auch abschaffe.

Nach Schroedels Einschätzung war die Absetzung kein Putsch. Das Militär habe lediglich auf die seit Wochen erhobenen Forderungen im Volk reagiert und die Notbremse gezogen, da sonst sehr viel Blut geflossen wäre. Die Christen, aber auch der Großteil der Muslime hätten nicht mehr länger zusehen wollen, wie das Land weiter gegen die Wand gefahren werde. Der Geistliche zeigte sich zuversichtlich, dass die christlichen Kirchen nun wieder an den Beratungen für eine neue Verfassung teilnehmen werden. Die von Mursi „durchgepaukte Verfassung“ müsse mit Hilfe aller gesellschaftlichen Kräfte neu geschrieben werden.

Koptenpapst Tawadros II. und der Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Taijib

APA/EPA/Khaled Elfiqi

Al-Azhar-Großimam Ahmad Mohammad al-Tayyeb (l.) und Koptenpapst Tawadros II. sind die in die Beratungen über die Zukunft Ägyptens nach Mursi eingebunden

Mursi schadete Muslimbruderschaft

Die angekündigten Neuwahlen sieht Schroedel ebenfalls positiv. Laut Umfragen lehnten mittlerweile etwa zwei Drittel der Ägypter eine religiöse Regierung der Muslimbrüder ab. Die Präsidentschaft Mursis habe den Muslimbrüdern insgesamt sehr geschadet.

Diese Einschätzung teilt auch der in Kairo arbeitende Theologe Frank van der Velden gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA: Die Bevölkerung und das Militär hätten Mursi „nicht deswegen abgesetzt, weil er islamische Werte vertritt - deswegen wurde er gewählt -, sondern weil er die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes nicht angepackt hat“.

An den Demonstrationen hätten auch fromme Muslime und verschleierte Frauen teilgenommen, weil die „Leute wollen, dass das Land vorankommt, nicht, dass man über kulturelle und religiöse Fragen diskutiert“.

Bischof: Muslimbrüder bedrohten Christen

Ebenfalls gegenüber der KNA kritisierte der deutsche koptische Bischof Anba Damian, dass die Muslimbrüder unter dem Deckmantel des Islam vor allem eigene Interessen verfolgt und eine korrupte Herrschaft errichtet hätten. Die Muslimbrüder hätten zudem die in Ägypten lebenden Christen massiv bedroht und verunsichert.

Die Einbindung des koptischen Papstes Tawadros II. in die Beratungen ist für Anba Damian ein wichtiges politisches Signal. Das Militär wolle ein breites Spektrum des Volkes am Neubau Ägyptens beteiligen. Als Patriarch sei Tawadros kein Politiker. Er sei aber als Vertreter von rund zwölf Millionen Kopten eine wichtige gesellschaftliche Kraft, die die Interessen der Christen einbringen werde.

Tawadros II. und der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmad Mohammad al-Tayyeb, hatten unmittelbar vor Mursis Absetzung mit dem Militär beraten. Beide Religionsführer standen dann auch an der Seite des Armeesprechers, als dieser die Absetzungserklärung im Fernsehen verlas. Für den Übergang soll Adli Mansur in Ägypten die Regierungsgeschäfte führen, bis ein neuer Staatschef gewählt ist. Erst vor wenigen Tagen war er zum Obersten Richter des Landes ernannt worden.

KAP

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