Enzyklika: Tück vermisst Eingehen auf Agnostiker

Der Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück meint, „Lumen fidei“ sei zwar „sehr qualitäts- und gehaltvoll“, aber Anfragen aus Wissenschaften und existenziellen Krisen hätten stärker berücksichtigt werden können.

Der Wiener katholische Theologe Jan-Heiner Tück, hat auf Grenzen der seiner Meinung nach ansonsten „sehr qualitäts- und gehaltvollen“ Zwei-Päpste-Enzyklika hingewiesen, die am Freitag veröffentlicht wurde. In der ORF-Religionssendung „Orientierung“ sagte Tück am Sonntag, eine der Schwächen des Lehrschreibens „Lumen fidei“ sei, dass „die Suche von Agnostikern, die Suche von Menschen, die meinen, nicht mehr glauben zu können, nur begrenzt aufgenommen wird“.

Kritische Fragen zu wenig berücksichtigt

Gerade die Fragen, die heute „von Agnostikern, von außen“ kämen, berührten jedoch auch das Selbstverständnis der Gläubigen, betonte Tück: „Insofern wäre es vielleicht schön gewesen, wenn diese kritischen Anfragen, die heute aus den Wissenschaften, aber auch aus existenziellen Krisen kommen, stärkere Berücksichtigung gefunden hätten.“

Jan-Heiner Tück

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien

Gut findet Tück, dass im Text der Päpste von Friedrich Nietzsche ausgegangen wird, „der ja früher auf dem Index verbotener Bücher stand“. Jetzt werde er päpstlicherseits gleich eingangs für die Problemexposition herangezogen. Nietzsche argumentiere, dass „wer glaubt, sein privates Glück suchen mag - aber er blockiert dadurch das Abenteuer des Wissens“. Hier setze Benedikt XVI. - „beziehungsweise Franziskus, müssen wir korrekt sagen“ - einen Kontrapunkt.

Die Päpste sagten hier „Nein“ zu Nietzsche, denn „der Glaube steht nicht im Widerspruch zur Vernunft, im Gegenteil: Er hält die großen Fragen offen, die heute durch eine technologisch verengte Vernunft oft niedergehalten und verdrängt werden“, resümierte der Theologe.

„Benedikt und Franziskus lehrmäßig sehr ähnlich“

Es zeige sich, dass Benedikt und Franziskus lehrmäßig sehr ähnlich seien, betonte Prof. Tück: „Bei aller Differenz in der Amtsausübung gibt es doch eine große Kontinuität was die theologische Grundsatzarbeit anlangt.“ Franziskus habe deshalb die Vorgängerarbeit über den Glauben in seine erste Enzyklika aufgenommen.

Sendungshinweis:

„Erfüllte Zeit“, Sonntag, 14.7.2013 7.05 in Ö1.

Und zum Nachhören unter „7 Tage Ö1“ auf der Homepage von Ö1 und mit der Ö1 Radio-App für Smartphones.

Glaube sei laut „Lumen fidei“ ein „persönliches Begegnungsgeschehen“, erläuterte Tück: „Derjenige, der glaubt, überlässt sich einem Abenteuer. Er vertraut einem Gott, den er als Du anreden kann, und setzt darauf, dass dieser Gott sein Leben trägt, auch in Grenzsituationen des Leidens, ja letztlich auch des Sterbens. Das Schreiben versucht einfach zunächst zu werben, gerade auch im Angesicht der Glaubenserosion, die wir in Teilen Europas inzwischen erleben, und es versucht, diesen Glauben plausibel zu machen.“

„Lumen fidei“ sehe davon ab, „dass lehramtliche Sätze als verbindlich zu glauben vorgetragen werden“. Vielmehr „wird in einem werbenden, durchaus auch schönen Sprachstil für die Sache das Glaubens geworben“, sagte Tück. Und er ist der Ansicht, dass weite Teile der Enzyklika von Benedikt XVI. stammen. Es sei „eine generöse Geste von Franziskus“ gewesen, dass „er seinem Vorgänger noch einmal diesen universalkirchlichen Resonanzraum“ gegeben habe. Der emeritierte Papst habe mit dem Text über den Glauben seine Enzyklikentrilogie - zuerst über „Liebe“ („Deus caritas est“; 2005), danach über „Hoffnung“ („Spe salvi“; 2007) - abschließen können.

KAP

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