Schächtverbot in Polen: Juden und Muslime schockiert

Mit dem Verbot, Tiere zu schächten, können Juden und Muslime in Polen ihren religiösen Speisevorschriften nicht mehr folgen. Jüdische Organisationen werfen den Warschauer Gesetzgebern eine Verletzung der Religionsfreiheit vor.

Das Schächtverbot in Polen ruft harsche Kritik hervor. Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, zeigte sich in einer am Samstag in Brüssel veröffentlichten Stellungnahme „ungeheuer enttäuscht“. Auch die Antidiffamierungsliga (ADL) kritisierte die Entscheidung des polnischen Parlaments, keine rituellen Schlachtungen zuzulassen. Das sei ein klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit und ein Schlag gegen die Zukunft der Juden in Polen. Die ADL tritt weltweit gegen die Diskriminierung und Diffamierung von Juden ein.

Ministerpräsident für Schächterlaubnis

Die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk war für die Wiedereinführung des Schächtens eingetreten. Sie erlitt aber eine Abstimmungsniederlage - auch weil Abgeordnete aus den eigenen Reihen die Gefolgschaft verweigerten. 222 Parlamentarier lehnten den Gesetzentwurf ab, das Schlachten von Tieren nach jüdischen und muslimischen Vorschriften wiederzuzulassen; 178 stimmten dafür. „Die Mehrheit der polnischen Abgeordneten hat der polnischen jüdischen Gemeinschaft drei Wahlmöglichkeiten gegeben: Praktiziert nicht eure Religion, esst kein Fleisch oder lebt nicht unter uns“, sagte ADL-Direktor Abraham Foxman.

Schächten

Schächten heißt die rituelle, betäubungsfreie Schlachtung von Tieren im Judentum und im Islam. Dabei wird dem Tier mit einem einzigen großen Schnitt die Kehle durchternnt.

In Österreich ist das Schächten unter der Voraussetzung erlaubt, dass das Tier sofort nach dem Schnitt betäubt wird.

Zuvor hatten bereits Vertreter der jüdischen Gemeinde in Polen den Parlamentsbeschluss vom Freitag als Heuchelei kritisiert. Damit werde die jüdische und muslimische Minderheit in Polen diskriminiert, hieß es. Polen sei damit das erste Land Europas, in dem das Verbot der Schächtung nicht auf alten Gesetzen aus den 1930er Jahren beruhe, die noch vom Nationalsozialismus beeinflusst seien.

Lauder: „Schlag ins Gesicht“

Als einen „Schlag ins Gesicht von Juden und Muslimen“ wertet der Präsident des Jüdischen Weltkongress (WJC), Ronald Lauder, das Verbot ritueller Schlachtungen in Polen. Zudem sei es ein herber Rückschlag für alle, die sich um ein Wiedererstehen jüdischen Lebens in Polen bemüht hätten, erklärte WJC-Präsident Ronald Lauder laut deutscher katholischer Nachrichtenagentur KNA am Wochenende in New York. Er frage sich, „welche Botschaft jene im Parlament, die für das Verbot stimmten, an ihre nichtchristlichen Mitbürger senden wollten“.

Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses

Reuters//Tobias Schwarz

Ronald Lauder

Lauder, dessen Stiftung sich seit Jahren für den Wiederaufbau jüdischer Gemeinden in Polen und anderen mitteleuropäischen Staaten engagiert, sagte: „Diese Entscheidung ist ein Schlag in das Gesicht von Juden und Muslimen gleichermaßen“. Besonders verstörend sei, dass in der Parlamentsdebatte in Warschau mehrere Abgeordnete das Schächten von Tieren als „fremd in der polnischen Kultur“ bezeichnet hätten.

Goldschmidt: „Trauriger Tag“

Juden, die die religiösen Speisevorschriften beachteten, hätten „Grund, sich zu fragen, ob sie in Polen noch willkommen sind“, so Lauder weiter. Das Land, das einst die größte jüdische Bevölkerung weltweit besaß, sei nun das erste Land in Europa, das rituelles Schlachten verbiete, so Lauder. Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, der Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, sprach von einem „sehr traurigen Tag für die polnischen Juden und für alle Juden Europas“.

Ein Abgeordneter der nationalkonservativen polnischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nannte die Reaktionen jüdischer Organisationen am Samstagabend im Fernsehsender TVN „hysterisch“. Das polnische Parlament dürfe keinem Druck von außen nachgeben, sagte der Parlamentarier Tomasz Poreba. „Man kann viel sagen über die Gründe (der Parlamentsentscheidung), aber es war kein Antisemitismus“, betonte Robert Biedron von der Linkspartei Palikot-Bewegung am Sonntag.

Fleisch im Wert von 300 Millionen Euro

Laut einem Urteil des Verfassungsgerichts sind Schächtungen seit Januar 2013 verboten. Die Richter begründeten die Entscheidung damit, dass das entsprechende polnische Recht nicht mit der Europäischen Konvention zum Schutz von Schlachttieren vereinbar sei. Polen hatte vor dem Schächtverbot einen Großteil des koscheren und Halal-Fleisches nach Israel und in die Türkei exportiert.

Nach Regierungsangaben wurde mit der im Islam und Judentum vorgeschriebenen Schlachtmethode zuletzt Fleisch im Wert von 300 Millionen Euro produziert. Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski befürchtet, dass nach dem Schächtungsverbot nun Entschädigungsklagen der Fleischindustrie drohen.

KAP/dpa

Links: