Reaktionen auf Papst-Äußerung zu Schwulen

Die Aussage von Papst Franziskus, er maße sich kein Urteil über Homosexuelle an, wird von vielen als Reformschritt gewertet. Doch darf nicht übersehen werden, dass gelebte Homosexualität weiterhin als Sünde gilt.

Die liberale Zeitung „Hospodarske Noviny“ schreibt in ihrer tschechischen Ausgabe am Dienstag: „Papst Franziskus ist den Homosexuellen in der Geschichte der katholischen Kirche mit dem weitesten Schritt entgegengekommen. Bei seinen Worten - ‚Wer bin ich, dass ich urteile?‘ - dürften bei jedem Homophoben aus den Reihen der Gläubigen die Alarmglocken geläutet haben“. Nach katholischer Lehre ist das Ausleben einer homosexuellen Neigung eine Sünde, die Veranlagung selbst nicht.

Das Blatt resümiert: „Für die Kirche selbst ist es am wichtigsten, dass Papst Franziskus im Unterschied zu seinem Vorgänger Benedikt XVI. nichts dagegen hat, dass Schwule Priester werden. Homosexuelle Akte betrachtet die Kirche weiterhin als Sünde: Die Bibel schreibt der Papst nicht um“, so die „Hospodarske Noviny“.

Papst Franziskus mit Journalisten auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Rom

Reuters/Luca Zennaro

Papst Franziskus bei dem Gespräch mit Journalisten auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Rom

„Umkehr am Absatz“

Die österreichische Plattform „Wir sind Kirche“ erkennt in den Aussagen des Papstes dieselben Positionen, wie sie auch seine beiden letzten Vorgänger vertreten haben, sie ortet aber doch deutliche Unterschiede.

„Es ist wie die Umkehr am Absatz. Der Standplatz ist noch derselbe. Die Blickrichtung ist eine andere. Mit Franziskus schaut die Kirche wieder in die Zukunft. Das gibt Hoffnung“, so „Wir sind Kirche“ in einer Aussendung vom Dienstag. Auch wenn Franziskus sich nicht unmittelbar zu homosexuellen Partnerschaften geäußert habe, sei doch deutlich geworden, dass er an keine Verurteilung homosexuell empfindender Menschen denke.

Zur Achtung der Würde der Menschen, die dem Bischof von Rom ein großes Anliegen sei, gehöre aber auch die freie und verantwortungsvolle Ausübung der Sexualität, reagiert „Wir sind Kirche“. „Es wird weiterer wegbereitender Vorarbeiten in den Gemeinden am Ort bedürfen, damit die volle Gleichheit der Geschlechter und die vollständige Anerkennung schwuler und lesbischer Paare in der ganzen Kirche zur Selbstverständlichkeit werden. ‚Wir sind Kirche‘ wird alle Aktivitäten in dieser Richtung weiterhin anregen und unterstützen“.

Gegen den Kurs der Vorgänger

Was Papst Franziskus zu tun scheine, sei gegen eine Richtlinie von Benedikt XVI. aus dem Jahr 2005 zu sprechen, schreibt das Onlinemagazin „Religion News Service“. Denn sein Vorgänger hatte festgehalten, dass ein Mann mit „tief verwurzelten homosexuellen Tendenzen“ nicht ordiniert werden könne. 2010 untermauerte er dem Magazin zufolge seine Ansicht mit dem Satz: „Homosexualität ist mit dem Priesteramt nicht vereinbar“.

Während Johannes Paul II. und Benedikt XVI. einer harten, manchmal auch unmenschlichen, dogmatisch geprägten Linie zur Abwehr des Zeitgeistes oder eines Relativismus den Vorzug gegeben hätten, wende sich der „neue Bischof von Rom“, wie sich Franziskus oft nennt, den Menschen zu, heißt es in der Aussendung von „Wir sind Kirche“. „Er will Frauen nicht auf die Rolle der Mutter reduzieren“, so die Plattform. Auch Caritas-Direktorinnen und Katechetinnen seien zu wenig. Franziskus hatte gesagt, man müsse weiter gehen und eine „profunde Theologie der Frau" entwickeln“.

Papst Franziskus mit Journalisten auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Rom

Reuters/Luca Zennaro

Franziskus stand den Journalisten im Flugzeug „unzensuriert“ Rede und Antwort

Neue Gesprächskultur

„Wir sind Kirche“ fordert weiterhin, Frauen solche Positionen in der Kirche zu übertragen, in denen sie auch im theologischen und seelsorglichen Bereich Entscheidungen zu treffen haben. „Für viele kirchliche Ämter dürfen nicht die Priester- oder Bischofsweihe, sondern müssen Sachverstand und menschlicher Führungsstil die ausschlaggebenden Qualifikationen sein“, schreibt die österreichische Plattform.

Die Offenheit von Papst Franziskus trifft bei Deutschlands Katholiken auf Zustimmung. „Der Papst ist dabei, die Gesprächskultur in der katholischen Kirche zu verändern“, sagte ZdK-Präsident Alois Glück am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Im Hinblick auf die Lehre der Kirche habe der Papst nichts revolutionär Neues gesagt, betonte ZdK-Präsident Glück. Aber Franziskus setze andere Akzente. „Dabei geht es nicht nur um Homosexuelle.“

„Befreiungsschlag“ für homosexuelle Priester

Der Sprecher der deutschen Reformbewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, wertete den Vorstoß des katholischen Kirchenoberhaupts als einen Befreiungsschlag. „Dies kann und muss ein Befreiungsschlag für alle Priester sein, die homosexuell sind und dies bisher verbergen mussten“, sagte Weisner am Montagabend der Nachrichtenagentur dpa in München.

Bisher hätten schwule Priester oftmals in Angst vor Erpressung oder in Angst vor kirchlichen Sanktionen leben müssen. Es sei bemerkenswert, dass Franziskus sich kein Urteil über die sexuelle Orientierung anderer Menschen anmaße. Er wolle nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung über Schwule urteilen. Als besonders positiv wird von „Religion News Service“ hervorgehoben, dass Franziskus nicht von „Homosexuellen“ sprach, sondern den nicht so negativ besetzten Terminus „gay“ verwendet hat.

Die Aussage des Papstes sei ein wichtiges Signal, „dass Franziskus keine Angst vor der Realität hat“, so Weisner. Zugleich seien die Papst-Äußerungen zur Homosexualität eine Abkehr von der starren Haltung seiner Vorgänger, diese Kursänderung müsse aber auch entschieden von den Bischöfen und Kardinälen aufgegriffen werden.

religion.ORF.at/dpa

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