Franz Jägerstätter: Vom Geächteten zum Seligen

Am neunten August jährt sich der Todestag von Franz Jägerstätter zum 70. Mal. Mit Gedenkfeiern wird an den Katholiken, der den Kriegsdienst unter den Nazis verweigert hat und dafür hingerichtet wurde, erinnert.

Franz Jägerstätter war gläubiger Katholik, der den Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg verweigerte und dafür am neunten August 1943 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Die römisch-katholische Theologin und Jägerstätter-Biografin Erna Putz nahm in ihrem Vortrag im Österreichischen Kulturforum Berlin am Donnerstagabend den Wandel des Jägerstätter-Bildes in Justiz, Kirche und Öffentlichkeit in den Blick. Der Bibelexperte Otto Schwankl von der Universität Passau kehrte am Freitag Jägerstätters Bibeltreue hervor.

Jägerstätter-Biografin Erna Putz

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Jägerstätter-Biografin Erna Putz

Steiniger Weg

Wurde die Weigerung Jägerstätters, aus Gewissens- und Glaubensgründen für die Nazis in den Krieg zu ziehen, auch nach dem Zweiten Weltkrieg lange geschmäht, stellt vor allem die 2007 erfolgte Seligsprechung des Märtyrers einen Höhepunkt in der positiven Trendumkehr dar. Vom Geächteten und Ausgegrenzten zum vielfach Gewürdigten. So lässt sich nach Erna Putz auch die öffentliche Haltung zu der heuer 100-jährig verstorbenen Witwe Franziska Jägerstätter bestimmen.

Der steinige Weg der Anerkennung der Gewissensentscheidung Jägerstätters werde bereits am Standpunkt der Rechtsprechung deutlich: Es dauerte bis zum 7. Mai 1997, bis das Unrechtsurteil vom NS-Landgericht Berlin, das Franz Jägerstätter am 6. Juli 1943 wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt hatte, aufgehoben wurde.

Wandel war auch in der Kirche nötig

Für Franziska Jägerstätter war es eine „Genugtuung, dass von staatlicher Seite festgestellt wurde, dass ihr Mann kein Verbrecher gewesen sei“, so Putz. Auch ehemalige Soldaten seien vom Faktum der Rehabilitation eines Wehrdienstverweigerers beeindruckt gewesen. „Es bedurfte offensichtlich bei manchen eines Formalaktes, um die NS-Rechtsmaßstäbe überwinden zu können“, sagte die österreichische Theologin.

Auch innerhalb der katholischen Kirche habe es eines Wandels in Fragen der Gewissensfreiheit und Menschenwürde bedurft, um Franz Jägerstätter zu würdigen. Der 1946 zum Linzer Bischof ernannte Josef Fließer, mit dem Jägerstätter noch als Weihbischof über seine Bedenken hinsichtlich eines Kampfes mit der Waffe für Hitler-Deutschland äußerte, habe die „damals übliche Position“ vertreten: „Als Familienvater stünde es Franz nicht zu, Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Kriegs zu entscheiden, das sei Sache der weltlichen Obrigkeit“, erläuterte Erna Putz.

Franz Jägerstätter

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Franz Jägerstätter 1938

Gewissensfreiheit nur langsam anerkannt

50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gehöre das Faktum der Gewissensfreiheit „unabdingbar zum christlichen Selbstverständnis“. Deshalb konnte Papst Benedikt XVI. die am 26. Oktober 2007 erfolgte Aufnahme Jägerstätters in das Verzeichnis der Heiligen und Seligen damit begründen, er habe „sein Leben hingegeben in hochherziger Selbstverleugnung, mit aufrichtigem Gewissen in Treue zum Evangelium und für die Würde der menschlichen Person“, so die Biografin.

„Die Bibel machte ihn wachsam und fähig zur Unterscheidung der Geister. Er ging dadurch den raffiniert umgedeuteten religiösen Begriffen der Nazis nicht auf den Leim", sagte Schwankl in einem Vortrag am Freitag in St. Radegund, dem Heimatort Jägerstätters. Schwankl erläuterte die Bedeutung der Bibellektüre im Leben von Franz Jägerstätter und seiner Gewissensentscheidung, den Kampf mit der Waffe für den Nationalsozialismus zu verweigern und damit den Tod auf sich zu nehmen“, so Schwankl.

Putz: „Franz ist undenkbar ohne Franziska“

Die Bibellektüre habe seine politische Urteilskraft gestärkt und seinen Entschluss bekräftigt, dem totalen Krieg die totale Nachfolge Jesu als freiwillige Hingabe entgegenzustellen resümiert der Experte. Aus den religiösen Angeboten seiner Kirche, insbesondere die Bibellektüre habe der junge Bauer Energie für seinen Widerstand geschöpft, so Putz. Untrennbar damit verbunden sei auch die Ehe mit Franziska: „Franz ist undenkbar ohne Franziska“, erinnert die Jägerstätter-Biografin und langjährige Begleiterin der Witwe.

Dafür sei Franziska innerhalb des Dorfes und darüber hinaus als Schuldige gebrandmarkt worden. „Die anderen Frauen, deren Männer im Krieg geblieben sind, waren die bedauerten Witwen; mich haben sie behandelt als die Mörderin meines Mannes“, erzählte sie Erna Putz. Erst mit 1. Februar 1950 wurde Franziska Jägerstätter eine Witwenpension zuerkannt.

Umstrittene Würdigung

Dass die Würdigung Franz Jägerstätters selbst bis in die 1990er Jahre hinein umstritten gewesen sei, verdeutlichen Kontroversen um Straßen- und Platzbezeichnungen: Ein 1993 in Braunau neu geplanter Brunnen hätte per Gemeinderatsbeschluss - gegen die Stimmen der FPÖ - nach Franz Jägerstätter benannt werden sollen.

Das Vorhaben wurde ein Jahr später zum Wahlkampfthema und der Braunauer Gemeinderat erteilte schließlich im Dezember 1994 sowohl dem Brunnen als auch einer Jägerstätterstraße eine Absage. In Linz scheiterte die Absicht, die nach dem SS-Brigadeführer und Oberbürgermeister Franz Langoth benannte Straße Ende 1985 in Jägerstätterstraße zu ändern, an Anrainerprotesten. Aus der Langothstraße wurde die „Kaisergasse“ und erst 1988 wurde eine Jägerstätterstraße an anderer Stelle beschlossen, führte Putz aus.

Internationale Gedenkfeiern

Die Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Todes von Franz Jägerstätter werden am Freitag ab 15.30 Uhr vor der Justizvollzuganstalt in Brandenburg/Havel fortgesetzt, wo Franz Jägerstätter am 9. August 1943 hingerichtet wurde. Der oberösterreichische Pfarrer Alfons Einsiedl wird dabei in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste den letzten Brief Jägerstätters verlesen. Nach einer Gedenkmesse um 18 Uhr wird Erna Putz einen zweiten Vortrag zu „Franz und Franziska Jägerstätter - Wachsen und Werden einer Entscheidung“ halten. Gedenkfeiern finden auch St Radegund und London statt.

KAP

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