Das Positionspapier im Wortlaut

„Kathpress“ dokumentiert das "Positionspapier des Staatssekretariates für Integration in Absprache mit der Katholischen Kirche Österreichs, Evangelischen Kirche Österreichs, der „griechisch-orientalischen" (Orthodoxen) Metropolis von Austria, der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der Israelitischen Kultusgemeinde zur Frage eines alternativen verpflichtenden Ethikunterrichts“ im Wortlaut

"Österreich zeichnet sich durch eine große gesellschaftliche Diversität aus. Ausdruck dieses Pluralismus ist auch eine religiös-konfessionelle Vielfalt. Ca. 78 Prozent der in Österreich lebenden Bürgerinnen und Bürger bekennen sich derzeit zu einer der gesetzlich anerkannten Kirchen- oder Religionsgesellschaft. Viele Menschen fühlen sich auch anderen Glaubensgemeinschaften zugehörig.

Im Rahmen der österreichischen Integrationspolitik sind die Religionsgemeinschaften ein wichtiger Partner. Durch ihr breit gefächertes Wirken - auch im konfessionellen Religionsunterricht in all seiner Vielfalt - leisten sie einen wichtigen und wertvollen Beitrag und sind somit ein nicht weg zu denkender Bestandsteil unserer Gesellschaft, deren gemeinsame Wertebasis ohnehin immer brüchiger wird.

Es besteht ein Konsens darüber, dass bestimmte Werte und Prinzipien die Grundlage für das Zusammenleben in diesem Land darstellen. Bei deren Vermittlung kommt dem konfessionellen Religionsunterricht eine große Bedeutung zu, aber er leistet noch wesentlich mehr. Dieser befasst sich in breiter Art und Weise auch mit unterschiedlichen ethischen Entwürfen und ist für die individuelle Identitätsstiftung von zentraler Bedeutung. Konfessioneller Religionsunterricht ist somit die tragende Säule für eine individuelle, ethisch- und werteorientierte Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Eine von zunehmender Diversität gekennzeichnete Gesellschaft muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass ein bestimmter Anteil von Bürgerinnen und Bürgern, die in diesem Land leben, keiner Religionsgemeinschaft zugehörig ist. Der breite, über Konfessions-und Gesellschaftsgrenzen hinausgehende Konsens hinsichtlich bestimmter Werte und Prinzipien macht es in diesem Zusammenhang erforderlich auch jenen Kindern und Jugendlichen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, einen bestimmten, kursorischen Unterricht im Bereich der Werte und Prinzipien zu teil werden zu lassen. Diese Rolle kann ein alternativer verpflichtender Ethikunterricht wahrnehmen.

Es ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass Ethikunterricht nicht die Rolle eines konfessionellen Religionsunterrichts übernehmen kann, soll und darf. Da aber sichergestellt werden soll, dass allen Kindern und Jugendlichen in diesem Land im Rahmen ihrer Schul- und Bildungslaufbahn sich auch systematisch mit ethischen Fragestellungen beschäftigen, und dabei Werte und Prinzipien guten Handelns vermittelt werden, ist ein verpflichtender alternativer Ethikunterricht erforderlich.

Der konfessionelle Religionsunterricht darf also durch Einführung eines Ethikunterrichts für alle SchülerInnen keinesfalls eine Schwächung erleiden, er soll auch weiterhin im Rahmen der staatlichen Schul- und Bildungsstrukturen seine Beiträge zu Sinn-und Wertefragen, zu Persönlichkeitsbildung und Identitätsstärkung leisten. Dies ist besonders für religiöse Minderheiten unverzichtbar. Die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen müssen erhalten bzw. wenn erforderlich geschaffen werden.

All jene Schülerinnen und Schüler, die - aus welchen Gründen immer - keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen bzw. erhalten, sollen daher verpflichtend an einem alternativen Ethikunterricht teilnehmen."