Zölibat: Verwaltungsvorschrift mit Ausnahmen

Der Zölibat ist die aus religiösen Gründen gewählte Ehelosigkeit. Seit 1139 ist er Voraussetzung für die Priesterweihe in der lateinischen Kirche. Er ist kein Dogma, sondern eine Verwaltungsvorschrift mit Ausnahmen.

In Österreich gibt es derzeit fünf verheiratete Priester des östlichen Ritus, die auch in römisch-katholischen Pfarren arbeiten. Sie besitzen das Privileg der „Biritualität“. Das heißt, diese Priester dürfen in beiden Riten, dem orthodoxen und römischen Ritus, Liturgie feiern. Sie sind etwa in einer griechisch-katholischen Kirche als auch in einer römisch-katholischen Pfarre als Kapläne oder Pfarrer tätig.

Die unterschiedlichen Regelungen für Ehe und Ehelosigkeit führt teilweise zu „skurrilen“ Situationen, wie sie Herbert Bartl, vom Verein Priester ohne Amt, immer wieder dokumentiert. So musste etwa in Wien ein römisch-katholischer Priester, der heiraten wollte und die Absicht hatte, eine Familie zu gründen, seine Pfarre verlassen und um Dispens seiner Weihe ansuchen. Er durfte darauf nicht mehr als Seelsorger tätig sein. Sein Nachfolger, ein griechisch-katholischer Priester, kam mit Familie und übernahm die Arbeit in der römisch-katholischen Pfarre.

In der griechisch-katholischen Kirche dürfen Priester heiraten. Bischöfe und Patriarch müssen aber den Zölibat befolgen.

Reuters/Konstantin Chernichkin

In der griechisch-katholischen Kirche, einer mit Rom unierten Kirche, dürfen Männer vor der Priesterweihe heiraten. Zum Bischof darf aber nur ein Mann geweiht werden, der den Zölibat befolgt

Tausende verheiratete römisch-katholische Priester

Darüber hinaus gibt es auch in der römisch-katholischen Kirche Tausende kirchlich verheiratete Priester, die nach den Gesetzen ihrer Kirche dennoch ihr Priesteramt ausüben dürfen. Wenn etwa Priester der anglikanischen Kirche, die verheiratet sind, in die römisch-katholische Kirche übertreten, dürfen sie auch weiterhin verheiratet bleiben und ihr Priesteramt in der römisch-katholischen Kirche ausüben.

Aber auch wenn Christen aus evangelischen Kirchen konvertieren, gibt es immer wieder Ausnahmeregelungen. In Wien wurde im Juni 2007 der frühere evangelische Pfarrer Gerhard Höberth zum römisch-katholischen Priester geweiht. Höberth ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Ehelosigkeit als besonderes Zeichen

In der jungen christlichen Kirche der Antike entwickelte sich nach und nach die Überzeugung, dass Ehelosigkeit ein besonderes Zeichen der Nachfolge von Jesus Christus und der Verfügbarkeit für die Kirche sei. Auch die Bewertung des Geschlechtlichen als „unrein" spielte eine Rolle. Dabei stützte man sich auf Bibelstellen wie Matthäus 19,10, wo Jesus von der Ehelosigkeit spricht: „... manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen.“

Auch der Apostel Paulus schreibt im ersten Brief an die Korinther davon, dass es „gut für den Menschen“ sei, „so (ehelos) zu sein“. Theologen interpretieren die Bibelstellen zur Ehelosigkeit heute im damaligen Kontext der „Naherwartung“ der „Wiederkunft Christi“. Man war damals fest überzeugt, noch zu Lebzeiten die Vollendung der Heilsgeschichte mit dem Kommen des „Gottesreiches“ zu erleben.

Zölibatäre für Weihen bevorzugt

Im zweiten Jahrhundert wechselten viele Gemeinden im Gebiet des Patriachats von Rom von der griechischen zur lateinischen Liturgiesprache. Von da an spricht man von der lateinischen Kirche oder auch Westkirche.

In den „lateinischen Gemeinden“ wurden nach und nach bevorzugt Ehelose für die Weihen ausgewählt. Kirchenvater Hippolyt betrachtete Anfang des 3. Jahrhunderts das Priester-Heiratsverbot als feste Ordnung. Die Synode von Elvira um 306 schrieb den Bischöfen, Priestern und Diakonen die eheliche Enthaltsamkeit vor: Eine Entwicklung, die jedoch die Kirche im Osten nicht mit vollzog.

Macht, Geld und Politik

Eine Festschreibung des Zölibats (vom lateinischen caelebs, unvermählt) wurde jedoch erst durch den Investiturstreit zwischen dem deutschen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. im 11. Jahrhundert angestoßen. Papst Gregor stellte das Recht des deutschen Königs in Frage, eigenmächtig Bischöfe einzusetzen und so seine Macht im Reich zu festigen. Gregor VII. suchte nach einem Druckmittel gegen weltliche Bischöfe und fand im Zölibat eine Eintrittshürde in den Kirchendienst.

Er wollte so verhindern, dass weltliche Bischöfe Kirchenbesitz an ihre Nachkommen vererbten. In der Folge wurde der Zölibat zum Kirchengesetz für die lateinische Kirche und seit einem Beschluss des Zweiten Laterankonzils (1139) Voraussetzung für die Weihe von römisch-katholischen Priestern. „Höhere Kleriker, die geheiratet haben oder eine Konkubine halten, [...] verlieren Amt und Benefizium“ und Messen von Priestern, die eine Ehefrau oder Konkubine haben, dürfen „nicht mehr gehört werden“.

Seit 1139 müssen Priester der römisch-katholischen Kirche das Zölibatsversprechen ablegen.

Reuters/Agustin Marcarian

Seit 1139 müssen Priester in der Tradition des lateinischen Ritus das Zölibatsversprechen ablegen. Amtsbrüder in der Tradition der Ostkirche dürfen hingegen vor der Priesterweihe heiraten.

Freier für „Dienst an Gott und den Menschen“

Die Vorschreibung des aktuellen Codex Iuris Canonici der lateinischen Kirche lautet: „Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; ... und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können.“

Eine Kirchenregel der lateinischen Kirchentradition, die durch die Jahrhunderte nicht ohne Widerspruch blieb. Zahlreiche Initiativen versuchten das Gesetz zu ändern, etwa auf dem Konzil von Konstanz und auch auf dem Konzil von Basel. Sie blieben aber ohne Erfolg.

Reformation ohne Zölibat

Auch Martin Luther forderte 1520 in seiner Schrift „An den Christlichen Adel ...“, dass der Zölibat abgeschafft werden solle. Luther war überzeugt, dass die Schöpfungsordnung für alle Menschen die Ehe vorsehe. Sie könne den Menschen vor den Sünden, die aus der Triebhaftigkeit entsprängen, schützen. Luther selber heiratete dann als Mönch die Nonne Katharina von Bora.

In den Ostkirchen, Kirchen im Bereich des ehemals oströmischen Reiches, wurde der Pflichtzölibat nie eingeführt. Eine vor der Weihe geschlossene Ehe darf fortgeführt werden. So gibt es zwei Arten von Klerikern: Verheiratete Priester und unverheiratete Priester-Mönche. Bischof kann aber nur ein unverheiratete Priester oder Witwer werden.

Heute kann man die Ostkirchen in drei große Gruppen zusammenfassen: orthodoxe, altorientalische Kirchen und katholische Ostkirchen. Viele dieser Kirchen leben im Schisma, in Trennung von der lateinischen Kirche. Doch einige Kirchen haben sich wieder versöhnt und zusammengeschlossen, dabei aber besondere Rechte und Liturgieformen bewahrt.

Die wiedervereinten Ostkirchen nennt man unierte Kirchen. Sie stehen mit dem Papst in voller Kirchengemeinschaft. Der Papst ist somit nicht nur Oberhaupt der lateinischen Kirche (meist als römisch-katholische Kirche bezeichnet), sondern auch Oberhaupt aller Teilkirchen, die in ihrer Gesamtheit auch als Katholische Kirche bezeichnet wird.

Das Besondere: Ihrer Tradition folgend, dürfen Priester in den unierten Kirchen verheiratet sein und dennoch auch in römisch-katholischen Pfarren arbeiten.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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