D: Eltern müssen vor Beschneidung mit Sohn sprechen

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Nordrhein-Westfalen) hat die neue deutsche Gesetzesregelung zu Beschneidungen konkretisiert und einer Mutter einen solchen Eingriff bei ihrem sechsjährigen Sohn untersagt.

In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss vertreten die Richter die Auffassung, dass Eltern und Arzt den Eingriff vorher mit dem Kind besprechen müssen. Auch müssten sich die Eltern im Vorhinein umfassend über die Beschneidung aufklären lassen - anderenfalls sei ihre Einwilligung zu dem Eingriff unwirksam.

Im vorliegenden Fall wollte eine 31-jährige Frau ihren Sohn entsprechend den kulturellen Riten ihres Heimatlandes Kenia beschneiden lassen. Als Grund gab die sorgeberechtigte Mutter vor allem an, der Bub solle bei Besuchen in dem afrikanischen Land als vollwertiger Mann angesehen und geachtet werden.

Der OLG-Senat verwies zwar darauf, dass die Mutter nach der neuen Beschneidungsvorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch grundsätzlich das Recht zur Einwilligung in eine Beschneidung des Buben habe - und zwar solange das Kind in dieser Frage nicht selbst entscheiden könne. Im konkreten Fall lägen aber die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einwilligung der Mutter nicht vor.

Gericht: Eingriff wurde nicht mit Kind besprochen

Zwar sei ein Sechsjähriger noch nicht in der Lage, über seine Beschneidung selbst zu entscheiden, heißt es weiter in dem rechtskräftigen OLG-Beschluss. Die gesetzliche Vorschrift verpflichte aber Eltern und Arzt, die Beschneidung mit dem Kind „in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Art“ zu besprechen und die Wünsche des Kindes bei der elterlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Das sei aber im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Auch sei die Einwilligung in eine Beschneidung nur dann wirksam, wenn die Eltern über den Eingriff „zuvor ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt“ worden seien. Mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall verwiesen die Richter zudem darauf, dass die Familie der Mutter ihren ständigen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, Besuche in Kenia selten möglich seien und der Bub zudem evangelisch getauft sei.

Außerdem gebe es gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass eine Beschneidung zum jetzigen Zeitpunkt das psychische Wohl des Sechsjährigen beeinträchtigen könne. Das gelte insbesondere, weil sich die Mutter nach eigenen Angaben außerstande sehe, ihren Sohn bei dem Eingriff zu begleiten.

Neues Gesetz seit Dezember

Die neue Beschneidungsvorschrift war im vergangenen Dezember in Kraft getreten. In dem entsprechenden Paragrafen heißt es: „Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.“

Die Neuregelung soll Rechtssicherheit nach einem umstrittenen Kölner Gerichtsurteil schaffen, in dem die religiöse Beschneidung im Mai 2012 als strafbare Handlung gewertet worden war. Die Rechtsauffassung des Kölner Gerichts war von jüdischen und muslimischen Verbänden scharf kritisiert worden.

AFP