Katholische Priester mit Frauen und Kindern?

Sie sind Priester, haben Frau und Kinder und stehen dennoch legal im Dienst der römisch-katholischen Kirche. Was Wunschdenken vieler Kirchenreformer ist, wird längst vielerorts, auch in Österreich praktiziert.

Der eine war römisch-katholischer Priester in Stammersdorf, beliebt bei den Gläubigen, engagiert in seinem Beruf, den er aber nur zölibatär ausüben darf. Dennoch fühlte er sich auch berufen eine Familie zu gründen. Der andere ist griechisch-katholischer Priester, sowie sein Vater, sein Großvater, schon seit 400 Jahren sind in jeder Generation Priester und alle verheiratet.

Marcus Piringer, der römisch-katholische Priester musste wegen der Liebe zu einer Frau sein Priesteramt aufgeben. Römisch-katholische Priester dürfen seit dem zwölften Jahrhundert nicht verheiratet sein. Georg Papp, sein Nachfolger, kam mit Frau und Kindern und übernahm die leere römisch-katholische Pfarrstelle in Stammersdorf. Als griechisch-katholischer Priester im byzantinischen Ritus ist ihm die Eheschließung vor der Priesterweihe erlaubt.

Archivfoto von Marcus Piringer als junger römisch-katholischer Priester nach der Priesterweihe.

ORF/Marcus Marschalek

Marcus Piringer nach der Priesterweihe. Er habe sich zwar zum Priesteramt berufen gefühlt, allerdings nicht zum Zölibat

Georg Papp ist nicht der Einzige verheiratete Priester im Dienst der römisch-katholischen Kirche in Österreich: Rund 25 griechisch-katholische verheiratete Priester gibt es mittlerweile in Österreich. Seit 1956, mit der Errichtung des Ordinariats für byzantinischen Gläubige, gibt es diese Regelung. Ordinarius ist der Erzbischof von Wien, aktuell Kardinal Christoph Schönborn.

Video on Demand

Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ sendete am Sonntag, 29.9.2013 einen Beitrag zum Thema „Das Kreuz mit dem Zölibat: Verheiratete Priester im Dienst des Vatikan“.

Die Sendung steht hier hier als Video on Demand zur Verfügung.

Bis heute, zehn Jahre später, gibt es noch immer Kopfschütteln bei manchen Gemeindemitgliedern. Viele können und wollen nicht verstehen, was da passiert ist. Zwei engagierte Priester in der Katholischen Kirche, beide haben den Papst als Oberhaupt, doch der eine darf und der andere darf nicht heiraten. Grund dafür sind die sechs unterschiedlichen Kirchenrechte in den 23 Teilkirchen, der sich als „einzig und einig“ bezeichnenden Katholischen Kirche. Traditionen oder auch Riten werden die unterschiedlichen Rechtsvorschriften in der Katholischen Kirche genannt. Entstanden sind sie durch Spaltungen und Wiedervereinigungen, sowie regionale Besonderheiten über Jahrhunderte hinweg.

„Zölibat nicht leichtfertig gebrochen“

Marcus und Sigrid Piringer haben lange mit ihrer Entscheidung eine Familie zu gründen gerungen. „Als römisch-katholischer Priester hatte ich ein Versprechen zur Ehelosigkeit abgegeben, das bricht man nicht leichtfertig“, erzählt Marcus Piringer im Gespräch mit religion.ORF.at. Doch schon vor der Priesterweihe sei er nicht vom verpflichtenden Zölibat überzeugt gewesen, „der Ruf Priester zu werden war damals aber stärker“. Noch stärker war dann aber die Liebe zu Sigrid. „Es war eine sehr schwierige Zeit“, erinnern sich die beiden heute.

Marcus und Sigrid Piringer nach der Segensfeier vor der Kirche. Sie werden mit Reis beworfen.

ORF/Marcus Marschalek

Marcus und Sigrid Piringer wollten ihr Liebe öffentlich und verbindlich machen. In einer Segensfeier gaben sie ihr „Ja“ zueinander. Kirchlich heiraten durften sie erst, als Marcus Piringer Jahre später laisiert wurde

Nach und nach vertrauten sich Marcus und Sigrid Piringer damals ihren Freunden und nahen Menschen in der Pfarre an, schließlich auch offiziellen Stellen in der römisch-katholischen Kirche. Die Reaktionen seien sehr unterschiedlich gewesen. Viele seien sehr behutsam mit der Situation umgegangen, haben versucht zu helfen um Klarheit zu finden. Andere machten aber Vorwürfe und warfen Sigrid vor, der Kirche eine Priesterberufung zu nehmen, erzählen die beiden. Es gab aber auch Stimmen, die dem Paar rieten, es einfach nicht öffentlich zu machen, ihre Beziehung im „Geheimen“ zu leben und so beides, Priesteramt und Familie in der römisch-katholischen Kirche zu verbinden. „Es war zeitweise sehr schlimm“, erinnern sich die Piringers an die viele Diskussion, Gespräche, Verletzungen und Tränen.

„Kein Versteckspiel“

Doch sie wollten „keine Halbwahrheiten, kein Versteckspiel“, sie wollten sich zueinander bekennen, erzählen sie. In einer Segensfeier machten sie schließlich ihre Beziehung ganz offiziell. Marcus Piringer durfte sein Amt als Priester nicht mehr ausüben und beide wurden vom Sakramentenempfang ausgeschlossen.

Georg Papp im Gottesdienst

ORF/Marcus Marschalek

Georg Papp kommt aus einer griechisch-katholischen Priesterfamilie. Jetzt steht der verheiratete Priester im Dienst der römisch-katholischen Pfarre Stammersdorf

Georg Papp, der neue Priester in Stammersdorf, hatte es anfangs nicht leicht. Er ist verheirateter Priester der griechisch-katholischen Kirche. Warum er „legal“ verheiratet sein durfte, sein Vorgänger aber nicht, war schwer den Gläubigen in der Pfarre zu erklären, und ist für manche unverständlich bis heute. Die griechisch-katholische Kirche lebe in „voller Einheit mit den anderen katholischen Teilkirchen“, habe aber ein eigenes Kirchenrecht, das die Weihe von verheirateten Männer erlaube, erzählt er. „Ein Priester der griechisch-katholischen Kirche darf in römisch-katholischen Pfarren arbeiten und die Sakramente spenden, trotz Frau und Kindern“.

Pfarrmoderator Georg Papp mit dem Pfarrteam in Stammersdorf beim Gebet vor der Sitzung.

ORF/Marcus Marschalek

Das Pfarrteam in Stammersdorf. Vor den Besprechungen wird gemeinsam gebetet

Die Gläubigen in Stammersdorf haben Georg Papp mittlerweile ins Herz geschlossen. Ein Priester, der selber die Schwierigkeiten mit Kindern und Ehe erlebe, könne die Probleme der Menschen besser verstehen, erzählen einige Gottesdienstbesucher nach der Abendmesse. Doch einfach sei das Heiraten in der griechisch-katholischen Kirche nicht, erzählt Georg Papp. Die Priesterkandidaten, die nicht ehelos leben wollen, müssen noch vor der Priesterweihe heiraten. Das sei früher leichter gewesen, heute fällt es aber vielen Seminaristen schwer, neben dem Studium, eine Frau fürs Leben zu finden. Das führt immer öfter dazu, dass ein fertig ausgebildeter Theologe, der nicht zölibatär leben möchte, nicht geweiht werden kann, weil er noch keine Ehefrau hat. „Bei vielen dauert es bis zu zehn Jahren, bis sie dann eine Frau finden, mit der auch der Bischof einverstanden ist“, erzählt Papp. Die Meinung des Bischofs zähle viel, er habe ein gewichtiges Wort bei der Partnerwahl mitzureden, hört man immer wieder von verheirateten griechisch-katholischen Priestern.

Priesterfamilien

Im Verständnis der griechisch-katholischen Kirche habe nämlich die ganze Familie des Priesters eine wichtige Funktion in der Seelsorge. „Die Gläubigen kommen ja nicht nur zum Priester, sondern besprechen auch viele Probleme mit dessen Ehefrau“. Sie müsse also auch in einer gewissen Weise für diesen Beruf bereit und berufen sein, ist Papp überzeugt.

Der griechisch-katholische Priester Georg Papp im Interview

ORF/Marcus Marschalek

Als Priester stehe man mit seiner Familie immer in der Öffentlichkeit. Das hat Georg Papp schon als Kind selbst in einer Priesterfamilie erlebt

„Als Priesterfamilie steht man wie in einem Schaufenster“. Als Kind habe er öfters darunter gelitten. Er sei immer der Sohn des Pfarrers gewesen, alles was er gesagt habe, wurde auf die Waagschale gelegt, war öffentlich und Diskussionsthema in den Pfarrstellen des Vaters. Und noch ein Problem kennen viele verheiratete Priester: „Finanziell müssen die Frauen durch Berufstätigkeit die Familie erhalten, denn ein Kirchenbeitragssystem und eine geregelte Priesterbesoldung, wie in Österreich, gibt es in vielen Ländern nicht“, erzählt Papp.

Priester ohne Amt

Marcus Piringer hat mittlerweile drei Kinder, musste sich beruflich umorientieren, ist aber wieder im Dienst der Kirche gelandet. Heute ist er Regionalleiter der Caritas in Mistelbach. Es habe ein paar Jahre gedauert, bis die Kirche sein Ansuche um Rückversetzung in den Laienstand, der sogenannte Laisierung stattgegeben hat. Nach wie vor Priester, aber ohne Erlaubnis sein Amt auszuüben, durfte er schließlich auch kirchlich heiraten und war wieder zu den Sakramenten zugelassen.

Die aktuelle Diskussion über das Ende des Pflichtzölibats in der römisch-katholischen Kirche findet er gut. Zuvor müsse man aber über das Priesterbild in vielen Gemeinden reden. Der oft erhobene Anspruch an Priester „immer und überall verfügbar zu sein, verträgt sich nicht mit Familie“, ist Marcus Piringer überzeugt. Wenn man Priestern aber genügend Raum für ihre Familien ließe, wäre auch er bereit, vorausgesetzt das wäre nach 800 Jahren in der römisch-katholischen Kirche wieder möglich, „als Priester mit Familie zu arbeiten, am besten zusammen mit einem zölibatär lebenden Priester“. Seine Berufung zum Priester fühle sich nämlich genauso echt und ehrlich an, wie die Berufung zu Familie und die Liebe zu seiner Frau.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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