Neues Papst-Interview: Kirche zu „vatikanbezogen“
Papst Franziskus setzt große Hoffnungen in die Kommission aus acht Kardinälen, die mit ihm die Kurie reformieren soll und von Dienstag bis Donnerstag erstmals im Vatikan tagt. „Es handelt sich um keine Höflinge, sondern um weise Menschen, die meine Gefühle teilen. Das ist der Beginn einer Kirche, die nicht nur eine hierarchische Organisation ist, sondern auch horizontal strukturiert ist“, sagte Franziskus in dem Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“, das am Dienstag veröffentlicht wurde.
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„Als (der verstorbene Mailänder Erzbischof), Kardinal Carlo Maria Martini davon sprach und dabei den Akzent auf Konzilien und Synoden setzte, wusste er genau, wie lang der Weg in diese Richtung ist. Wir werden diesen Weg mit Umsicht, aber mit Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit beschreiten“, sagte der Papst. Martini war wie Franziskus Jesuit und galt als eine Galionsfigur der liberalen Strömungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche.
„Lepra des Papsttums“
Den derzeitigen Zustand der vatikanischen Verwaltung beurteilt der Papst in dem Interview kritisch: Er stimmte seinem Gesprächspartner zu, dass es in der Kurie durchaus Höflinge gebe und manche Personen in Leitungsfunktionen von ihren Mitarbeitern umschmeichelt und falsch informiert würden. Diese Mentalität sei „die Lepra des Papsttums“.
Die Kurie habe einen Fehler, so der Papst: „Sie ist vatikanbezogen.“ Die vatikanische Verwaltung sehe und befasse sich hauptsächlich mit den Interessen des Vatikans, die zum Großteil noch weltliche Interessen seien. „Diese vatikanzentrische Vision vernachlässigt die Welt, die um uns ist“, so der Papst. „Ich teile diese Sicht nicht. Und ich werde alles tun, um sie zu ändern.“
Die Kirche müsse wieder eine „Gemeinschaft des Volkes Gottes“ werden, betonte der Papst. Die Kleriker seien Diener des Volkes Gottes, und der Heilige Stuhl müsse, ungeachtet seiner wichtigen Funktion, der Kirche dienen.
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Gegen Klerikalismus
In dem Interview richtete sich Franziskus außerdem gegen den Klerikalismus. „Wenn ich vor mir einen Klerikalisten habe, werde ich schlagartig antiklerikal. Klerikalismus sollte nichts mit Christentum zu tun haben. Der heilige Paulus, der als Erster mit Heiden und Andersgläubigen sprach, war auch der Erste, der uns das gelehrt hat“, so Franziskus.
Debatte: Was muss Papst Franziskus verändern?
Das sei auch heute noch aktuell: „Das Zweite Vatikanische Konzil, inspiriert von Papst Johannes XXIII. und Paul VI., beschloss, mit modernem Geist in die Zukunft zu blicken und sich der modernen Kultur zu öffnen. Die Konzilsväter wussten, dass sich die Öffnung in Richtung moderne Kultur eigentlich bedeutete, sich dem religiösen Dialog und dem Dialog mit den Nicht-Gläubigen zu öffnen", sagte der Papst. „Seitdem wurde wenig in diese Richtung getan. Ich habe die Demut und die Ambition, das tun zu wollen.“
Zweites großes Interview
Das Interview in „La Repubblica“ ist das zweite große Interview des Papstes binnen weniger Wochen. Vor kurzem hatten mehrere Jesuiten-Zeitschriften weltweit ein Gespräch mit dem Papst veröffentlicht, das international für großes Aufsehen sorgte.
Beobachter werteten das Interview als Arbeitsauftrag für die Gruppe aus acht Kardinälen, die am Dienstag zu ihrer ersten Sitzung zusammentreten. Franziskus hatte die Bildung der Kardinalsgruppe wenige Woche nach seiner Wahl bekanntgegeben. Am Montag erhob er das achtköpfige Gremium zur ständigen Institution mit der Bezeichnung „Kardinalsrat“.
religion.ORF.at/APA/KAP
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