Katholische Kirche startet Zukunftsforum

Unter dem Slogan „Wo drückt der Schuh“ will die römisch-katholische Kirche in Österreich mit dem neuen Zukunftsforum Druckstellen in Gesellschaft und Kirche aufdecken und beheben.

“Wo drückt der Schuh?” Mit dieser Frage wurden am 5.Oktober viele Gespräche am Wiener Brunnenmarkt eröffnet. Zwischen den Marktständen waren rund dreißig Katholikinnen und Katholiken des „Zukunftsforums“ der römisch-katholischen Kirche unterwegs. Vor dem Start der großen Kick-off Veranstaltung des neuen Dialogprozesses der Kirche wollten sie hinhören, was die Menschen bewegt und bedrückt. Groß war die Palette der angesprochenen Themen: Von Familie und Beziehung über Arbeit und Wirtschaft, bis hin zu Sorgen mit der Kirche.

Startveranstaltung Zukunftsforum der römisch-katholischen Kirche am Yppenplatz in Wien. Platz vor der Bühne.

ORF/Marcus Marschalek

Kardinal Christoph Schönborn und Präsidentin der Katholischen Aktion, Gerda Schaffelhofer, eröffneten das Zukunftsforum am Yppenplatz in Wien

„Sich öffnen und hinhören“

Die wichtigste Aufgabe und der erste Schritt im Zukunftsforum sei hinzuhören und die Ohren weit zu öffnen, erklärt Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KA). Die Druckstellen in Gesellschaft und Kirche sollen aufgedeckt werden. In der Folge müsse es aber Taten gesetzt und Änderungen in Angriff genommen werden, so Schaffelhofer im Gespräch mit religion.ORF.at. Als bisher treibende Kraft dieser neuen Initiative wurde sie auch von der Österreichischen Bischofskonferenz mit der Moderation des Projektes beauftragt und ist “flotten Schrittes” unterwegs, manchen auch „ein bisschen zu schnell“, wie man von kritischen Beobachtern immer wieder hört.

Noch im Sommer sprachen Österreichs Bischöfe von einem Starttermin des Zukunftsforums im Herbst 2014, doch Schaffelhofer hat den Starttermin vorverlegt und zwar gleich um ein ganzes Jahr. Eine Entscheidung, die für viele etwas überraschend kam und die langen Entscheidungswege in den kirchlichen Strukturen durchaus gefordert hat. Eingeladen mitzumachen seien alle, denen ein Zukunftsdialog für unser Land und in der Kirche ein Anliegen sei, so Schaffelhofer. Die Einladung zur Auftaktveranstaltung des Zukunftsforums sei an alle kirchlichen Organisationen, Bewegungen und die Pfarren ergangen.

Kommunikationsprobleme beim Dialog?

Das in der Eile vielleicht nicht alle Einladungen auch offiziell zugestellt wurden, wird noch diskutiert. Die Pfarrerinitiative habe jedenfalls keine Einladung erhalten, teilt sie via Presseagentur mit. Andere hatten da mit dem Postboten mehr Glück und kamen zu der Auftaktveranstaltung am Wiener Brunnenmarkt. Mit einem großem gelben Plakat war “Wir sind Kirche” präsent und auch die “Laieninitiative” machte durch Transparente mit dem Aufdruck “Frauenpriester jetzt” auf sich aufmerksam. Als man sich dann mit Spruchbändern direkt vor der Bühne platzierte, schien gleich zu Beginn des neuen Dialogforums Sand im Getriebe zu sein. Schließlich machten die Vertreter der Laieninitiative doch ein paar Schritte auf die Seite und das neue Zukunftsforum konnte beginnen.

Kardinal Christop Schönborn betonte, dass es „keine Nabelschau“ der Kirche mehr geben darf. “Wir sind um uns selber gekreist und haben uns viel zu wenig um die großen brennenden Fragen der Gesellschaft gekümmert. Das sei der eigentliche Kernauftrag der Christen, ist der Kardinal überzeugt. Es sei notwendig, „wirklich hinzuschauen, wo der Schuh drückt“.

„Veränderungen erwünscht“

Gegen die Gefahr der „globalisierten Gleichgültigkeit“ solle das Zukunftsforum „eine Kultur des offenen Blicks und des wachen Zuhörens in der Kirche stärken“, betonte Gerda Schaffelhofer in ihren Eröffnungsworten. Waches Zuhören würde den Einzelnen, genauso wie Gesellschaft und Kirche ändern. Dass der christliche Einsatz für gesellschaftliche Fragen auch Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Kirche selbst hat, stellte Schaffelhofer in das Zentrum ihrer Ansprache.

Ein Mann hat zwei unterschiedliche Schuhe angezogen. Ein Symbol für "Wo drückt der Schuh" beim Zukunftsforum der römisch-katholischen Kirche.

ORF/Marcus Marschalek

Viele Teilnehmer waren in unterschiedlichen und unpassenden Schuhen gekommen. Ein Symbol für die Druckstellen in Kirche und Gesellschaft

In der ersten Phase des Zukunftsforums geht es um das Aufspüren der gesellschaftlichen Druckpunkte in Bereichen wie Beziehung, Familie, Bildung, Arbeit, Ökonomie und Ökologie. Um möglichst viele Meinungen zu sammeln, wurde auch eine Online-Befragung auf www.wodruecktderschuh.at gestartet. Betreut wird die Umfrage durch den Religionssoziologen Paul Michael Zulehner. Dieser kann sich im Gespräch mit religion.ORF.at durchaus einen doppelten Veränderungseffekt für Gesellschaft und Kirche vorstellen. Er ist überzeugt, dass eine in der demokratischen Gesellschaft engagierte Kirche selbst demokratischer wird.

Experten werten Ergebnisse aus

Eine wesentliche Rolle bei der Auswertung der Ergebnisse spielen dann vier Themenverantwortliche, die bei der Auftaktveranstaltung vorgestellt wurden und ihre Bereiche skizzierten. Es sind dies die Religionspädagogin Andrea Lehner-Hartmann und die Pastoraltheologin Prof. Regina Polak, die für die Bereiche Bildung bzw. Pluralität und Zusammenleben in der Gesellschaft zuständig sind. Der Familienforscher und Sozialrechtsexperte Prof. Wolfgang Mazal wird für das Themenfeld Beziehung und Familie zuständig sein, der Kärntner Theologe Ernst Sandriesser für Fragen der Umwelt und globalen Verantwortung.

Rund dreihundert Menschen waren gekommen und verfolgten das Programm der Auftaktveranstaltung. Viele von ihnen kamen aus kirchlichen Gruppierungen und Bewegungen, etwa aus der Gemeinschaft Emmanuel, der Fokolarbewegung oder auch von „Wir sind Kirche“ und Caritas. Dabei waren auch delegierte KA-Funktionäre aus den Bundesländern und die Bischöfe Alois Schwarz und Franz Lackner, die jeweils mit Vertretern ihrer Diözesen per Bus angereist waren.

Einige waren aber auch ganz bewusst nicht gekommen. “Zwanzig Jahre lang machen wir Eingaben, formulieren Nöte und Reformwünsche bei der Kirchenleitung. Wo sind denn all die Tonnen Papier gelandet, die da beschrieben wurden? Es haben uns die Bischöfe bisher nicht ernst genommen, warum sollten sie es plötzlich jetzt tun”, liest man mehrfach unter anderem in Facebook-Kommentaren. Aber auch auf dem Yppenplatz bei der Startveranstaltung formulieren manche ihre Befürchtungen. „Diesmal dürfen die Eingaben der Menschen nicht wieder versanden, sollte die Kirche ihr letztes Fünkchen Glaubwürdigkeit bewahren wollen“, sagte eine junge Frau aus Wien.

Startveranstaltung Zukunftsforum der römisch-katholischen Kirche am Yppenplatz in Wien. Auch Reformbewegungen wie "Wir sind Kirche" machen mit und sind mit ihren Plakaten präsent.

ORF/Marcus Marschalek

Rund 300 Personen waren zur Auftaktveranstaltung auf den Yppenplatz gekommen

Rückenwind aus Rom

Es sei der deutlich spürbare Rückenwind aus Rom, der sie diesmal an einen Erfolg glauben lässt, entgegnete die KA Präsidentin. Auch sei der Ansatz neu: Diesmal versuche man sich im Blick nach außen und im Einsatz für andere auch selbst zu ändern. Frühere Bestrebungen hätten meist nur den Blick nach innen im Fokus. Doch jetzt träumten viele, „so wie Papst Franziskus von einer Kirche, die nicht ängstlich um sich selbst kreist, sondern ihre Tore weit öffnet, um hinauszugehen zu den Menschen, die nicht mehr hereinkommen in die Kirchen.“ Papst Franziskus habe „viele Tore aufgestoßen“. Statt „betretenes Schweigen“ in der Kirche sollten „alle anstehenden Fragen offen angesprochen werden, ehrlich, mutig, selbstkritisch“.

Ein Ansatz der schließlich auch Reformer wie Hans Peter Hurka von „Wir sind Kirche“ oder auch Fery Berger von der „Weizer Pfingstvision“ überzeugte. Auch sie sehen diesmal im Gespräch mit religion.ORF.at die Chance, dass es gelingen könnte und tiefgreifende Veränderungen in der römisch-katholischen Kirche möglich wären. Dass Katholiken aus so verschiedenen Gruppierungen zusammen ein Event organisieren und ein gemeinsames Kick-off veranstalten, sei ein erstes Zeichen dafür. Doch jetzt müssen konkrete weitere Schritte folgen, sind alle Befragten überzeugt.
Marcus Mareschalek, religion.ORF.at

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