Hadsch: Pilgeransturm auf Mekka

Mekka ist dieser Tage wieder das Ziel enormer Pilgerströme aus der ganzen Welt. Der Hadsch, die große muslimische Pilgerfahrt, begann heuer am 13. Oktober. Mehr als zwei Millionen Menschen wollen ihrer religiösen Pflicht nachkommen.

„Und Gott hat den Menschen die Pflicht zur Wallfahrt nach dem Haus auferlegt, allen, die dazu eine Möglichkeit finden.“ So steht es im Koran, in Sure 3, 97. Auch heuer werden Muslime aus aller Welt diesem Gebot Folge leisten, nach Mekka pilgern und damit eine der fünf wichtigsten religiösen Pflichten des Islams – der „fünf Säulen“ – erfüllen.

Das Datum des Hadsch wurde etwa eine Woche zuvor - am 6. Oktober - festgelegt, nachdem in Saudi-Arabien die Mondsichel gesichtet wurde, berichtete die saudische Nachrichtenagentur SPA. Es richtet sich nach dem islamischen Mondkalender: Der Hadsch beginnt immer am 8. Tag des Monats Dhu l-Hidscha, am 9. Tag (14. Oktober) findet er seinen Höhepunkt am Berg Arafat. Dhu I-Hidscha ist der letzte Monat im islamischen Kalender. Am Ende des Hadsch steht das viertägige Opferfest (Id al-Adha).

Mindestens einmal im Leben

Jeder fromme Muslim, der gesund ist und es sich leisten kann, sollte einmal im Leben nach Mekka pilgern. In diesem Jahr gibt es allerdings aus Furcht vor der Ausbreitung des gefährlichen Coronavirus’ eine Reihe von Einschränkungen: Eine Meningitis-Impfung ist Pflicht, Impfungen gegen Grippe und Polio werden ebenfalls empfohlen. Chronisch Kranken, Schwangeren und Alten wird von der Wallfahrt abgeraten.

Jedes Jahr nehmen rund zwei Millionen Gläubige an der Wallfahrt teil. Das Fest bietet damit eine beispiellose Gelegenheit für die Anhänger des Islam aus den verschiedensten Ländern und Kulturen, zusammenzukommen.

Viele haben Hadsch noch vor sich

Tatsächlich bereits durchgeführt hat den Hadsch laut einer Studie des US-amerikanischen Pew Forum on Religion & Public Life aus dem Jahr 2012 allerdings nur eine Minderheit der Muslime weltweit. Die Studie unter dem Titel „The World’s Muslims: Unity and Diversity“ basiert auf 38.000 Face-to-Face-Interviews in 39 Ländern und Regionen, in denen Muslime die Bevölkerungsmehrheit oder zumindest eine starke Minderheit stellen.

Unter den Muslimen aus der Region Nahost/Nordafrika findet sich demnach - wohl auch aufgrund der geografischen Nähe - der höchste Anteil an Gläubigen, die bereits mindestes einmal nach Mekka gepilgert sind: 17 Prozent. Aus den Ländern im subsaharischen Afrika haben 13 Prozent den Hadsch bestritten, in Südostasien sind es acht, im südlichen Asien sechs und in Zentralasien sowie Südosteuropa jeweils drei Prozent.

Für den Hadsch gilt eine Reihe von Regeln und Ritualen, die streng eingehalten werden müssen, da die Pilgerreise sonst ungültig im Sinn der Glaubenspflicht wird. Die meisten Pilger reisen daher in Gruppen und lassen sich von kundigen Pilgerführern anleiten und begleiten. Weil Mekka jedes Jahr während des Hadsch überlaufen ist, gibt die saudi-arabische Regierung Visa nur sehr restriktiv aus: Pro 1.000 Einwohner eines Landes wird nur ein Visum ausgestellt.

Eintritt in den Weihezustand

Die Pilgerreise beginnt mit dem Eintritt in den Weihebezirk etwa 20 Kilometer rund um Mekka, der für Nicht-Muslime tabu ist. Die Pilger versetzen sich in den Weihzustand (Ihram): Sie duschen (Ghusl), legen ihr Pilgergewand an und bekunden ihre innere Absicht (Nidscha), den Hadsch zu machen. Durch die einheitliche, einfache Kleidung soll die Gleichstellung aller Gläubigen vor Gott und dem jüngsten Gericht – ungeachtet der Klasse und Herkunft – symbolisiert werden.

Heute wird der Übertritt in den Weihebezirk meist im Flugzeug vollzogen, der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung wird an Bord bekannt gegeben. Während des gesamten Hadsch ist es verboten, sich zu rasieren, sich die Haare und die Fingernägel zu schneiden und Parfüm zu benutzen. Außerdem dürfen Muslime während dieser Zeit nicht heiraten und keinen Geschlechtsverkehr haben. Auch Auseinandersetzungen, Provokationen und das Töten von Tieren, beispielsweise auf der Jagd, sind verboten.

Sieben Mal um die Kaaba

Der erste Weg in Mekka führt die Wallfahrer in die Al-Masdschid al-Haram, die große Moschee mit einem Fassungsvermögen von 700.000 Menschen, in deren Innenhof die Kaaba steht. Dort laufen die Pilger sieben Mal spiralförmig gegen den Uhrzeigersinn um die Kaaba, bis sie den schwarzen Stein erreichen, der in ihre Ostseite eingelassen ist. Dieser Lauf heißt Tawaf.

Nach einem persönlichen Gebet trinken die Pilger Wasser aus dem Zamzam-Brunnen. Dieser Brunnen soll an jener Stelle stehen, aus der Gott nach islamischer Überlieferung Wasser sprudeln ließ, um Hagar und ihren Sohn Ismael vor dem Verdursten zu retten, nachdem Abraham (Arabisch: Ibrahim) sie in Mekka zurückgelassen hatte. Der verzweifelten Wassersuche Hagars wird auch beim nächsten Pilgerritual gedacht: Wie Hagar laufen die Wallfahrer sieben Mal zwischen den beiden Hügeln Safa und Marwa hin und her, begleitet von Gebeten. Dieses Ritual heißt Sa’i.

Berg Arafat: Spiritueller Höhepunkt

Nach diesen Vorbereitungen beginnt die eigentliche, gemeinschaftliche Wallfahrt am 8. Dhu l-Hidscha mit dem „Lauf nach Mina“, einem Ort östlich von Mekka, wobei der „Lauf“ heute meist in Bussen absolviert wird. Dort verbringen die Pilger einen ganzen Tag, vom Mittagsgebet (Zuhr) bis zum Morgengebet (Fadschr) am darauffolgenden Tag.

Am 9. Dhu l-Hidscha geht es in der Morgendämmerung zum nahe gelegenen Berg Arafat, wo die Pilger bis zum Sonnenuntergang bleiben. Es ist die Zeit für persönliche Gebete in der Muttersprache, für die Bitte um Vergebung der Sünden und für die völlige Hingabe an Allah. Spirituell gilt der Aufenthalt auf und um den Berg Arafat, einer etwa 70 Meter hohen Granitformation, als Höhepunkt des Hadsch.

„Steinigung des Teufels“

Die Nacht verbringen die Pilger unter freiem Himmel im Nachbarort Muzdalifa. Noch vor Sonnenaufgang, nach dem Morgengebet (Fadschr) machen sich die Pilger wieder Richtung Mina auf. Spätestens jetzt sollten alle mindestens sieben Steinchen für die „Steinigung des Teufels“ gesammelt haben. Dieses Ritual wird heute auf der Dschamarat-Brücke absolviert, wo die Pilger den Teufel symbolisch steinigen, indem sie sieben Steinchen - oder ein Vielfaches davon: 49 oder 70 - gegen eine Wand werfen, die den Satan repräsentiert. In früheren Zeiten waren es statt der Wand drei Säulen, die Dschamarat al-Akaba (Säulen von Akaba).

Am 10. Dhu l-Hidscha bringen die Pilger in Mina ein Tieropfer dar. Das ist auch der Auftakt zum Id al-Adha (Opferfest), das alle Muslime weltweit gleichzeitig feiern und das neben dem Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadan das höchste Fest des Islams ist. Mit dem Tieropfer wird der Bereitschaft Abrahams gedacht, seinen Sohn Ismael für Gott zu opfern. Das Fleisch essen die Pilger teils selbst, teils spenden sie es Bedürftigen.

Ende des Hadsch

Nach der rituellen Schlachtung treten die Wallfahrer aus ihrem Weihezustand. Die Männer lassen sich die Kopfhaare abrasieren, die Frauen die Haare schneiden. Duschen, rasieren und normale Straßenkleidung sind wieder erlaubt. Alle Verbote, die während des Ihram gelten, sind aufgehoben, außer jenem der Enthaltsamkeit. Zurück in Mekka verrichten die Pilger noch einen Tawa“, die siebenmalige Umrundung der Kaaba. Der Sa’i, das siebenmaligen Hin- und Herlaufen zwischen den Hügeln Safa und Marwa, kann zu diesem Zeitpunkt nachgeholt werden, falls man vor der Pilgerfahrt nicht dazu gekommen ist.

Ehrentitel „Hadschi“

Vom 11. bis zum 13. Dhu l-Hidscha kehren die Pilger schließlich nach Mina zurück und wiederholen die „Steinigung des Teufels“. Den Abschluss bilden dann die Rückkehr nach Mekka und eine letzte siebenfache Umrundung der Kaaba, der Abschiedstawaf. Nach der Pilgerfahrt besuchen viele Wallfahrer noch Medina, wo der Prophet Mohammed begraben ist.

Wer vom Hadsch zurückkehrt, wird meist festlich empfangen. In vielen Gegenden wird das Haus mit Motiven der Pilgerreise bemalt. Männer, die den Hadsch absolviert haben, erhalten den Ehrentitel Hadschi, Frauen Hadscha.

religion.ORF.at

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