Weitere Schadenersatzklage gegen Kremsmünster

Die Missbrauchsaffäre im oberösterreichischen Stift Kremsmünster zieht nun eine weitere Schadenersatzforderung nach sich. Der Kläger war in den 1980er-Jahren Schüler im Stiftsgymnasium und wohnte im dortigen Internat.

Ein ehemaliger Schüler hat das Kloster und den früheren Konviktsdirektor, der im Sommer nicht rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden ist, auf 30.000 Euro wegen erlittener seelischer, körperlicher und sexueller Gewalt geklagt. Sollte er den Prozess gewinnen, werde er das Geld an eine Institution spenden, die Missbrauchsopfer in staatlichen und kirchlichen Institutionen unterstützt, sagte er nach dem ersten Prozesstag am Freitag im Landesgericht Steyr gegenüber der APA.

Vorfälle lange verdrängt

Der verurteilte Ex-Pater war damals Konviktsdirektor. Durch ihn sei er „systematisch und wiederholt körperlich sowie sexuell misshandelt und seelisch gequält worden“, heißt es in der Klagsschrift. Demütigungen und körperliche Gewalt seien auf der Tagesordnung gestanden. Der Schüler habe u. a. mit körperlichen Symptomen reagiert. Er habe die Vorfälle lange verdrängt, aber mittlerweile seien sie wieder an die Oberfläche gekommen. Er leide noch heute an einer massiven Retraumatisierung, Schlafstörungen, Depressionen etc.

Der ehemalige Internatsschüler hat vom Stift und dem Ex-Konviktsdirektor bereits in einem Brief Schadenersatz verlangt. Weil nichts passierte, klagte er. Nach dem ersten Verhandlungstag wurde ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Ein wesentlicher Punkt für die Entscheidung des Gerichts dürfte zudem die Frage der Verjährung sein.

„Nicht akzeptabel, dass Missbrauch verjährt“

Rechtsanwalt Johannes Öhlböck, der bereits an die 50 Missbrauchsopfer - u. a. aus den Causen Wilhelminenberg und Kremsmünster - vertreten hat, sieht diese nicht und will seinen Standpunkt vor Gericht nachweisen. „Es ist nicht akzeptabel, dass schwerer sexueller Missbrauch in Österreich verjährt und auch nicht, dass sich der Täter darauf berufen darf“, argumentiert er.

Auch halte er es für rechtsmissbräuchlich und sittenwidrig, dass die Soforthilfe der Unabhängigen Opferschutz-Anwaltschaft („Klasnic-Kommission“) auf spätere Schadenersatzzahlungen angerechnet werden soll. „Die Kommission hat die Unerfahrenheit der Leute ausgenutzt“, denn viele hätten einen entsprechenden Passus unterschrieben.

Eine zweiter Zivilprozess gegen das Stift steht kurz vor der Entscheidung. Der Akt sei bereits geschlossen, man warte auf das Urteil, so Öhlböck, der auch in diesem Fall den Kläger vertritt. Hier geht es ebenfalls um schwere Anschuldigungen gegen den heute 80-jährigen Ex-Pater, aber auch gegen mehrere Lehrer und Erzieher.

Verdacht der Wiederbetätigung

Unter anderem ist die Rede von Gruppenvergewaltigungen, Scheinexekutionen durch eine „GeStiPo“ (Geheime Stiftspolizei) sowie NS-Relikten. Eine damit in Zusammenhang stehende Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts der Wiederbetätigung wird derzeit vom Verfassungsschutz bearbeitet.

In der Missbrauchsaffäre ist der ehemalige Konviktsdirektor die zentrale Figur. Unter ihm als Internatsleiter soll in den 1970er- bis 1990er-Jahren der Großteil der Übergriffe passiert sein. Er wurde im Sommer zu zwölf Jahren Haft verurteilt, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Neben ihm gerieten auch zwei andere Ordensmänner ins Visier der Justiz. Die Ermittlungen gegen sie wurden aber eingestellt.

Auch die Vorwürfe gegen acht weitere Personen - darunter drei weltliche Lehrer - wegen körperlicher oder seelischer Gewalt wurden als strafrechtlich nicht relevant oder verjährt eingestuft. Laut Stift sind zudem zumindest vier Fälle aus den 1950er-Jahren dokumentiert, die drei bereits verstorbenen Patres zugeschrieben werden. Die Zahl der Opfer ist nicht ganz exakt festzustellen: 45 hatten sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe an die Diözesane Kommission gegen Missbrauch und Gewalt gewandt.

religion.ORF.at/APA

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