„Mechaye Hametim“: Gedenken an Novemberpogrome

Mit der „Bedenkveranstaltungs“-Reihe „Mechaye Hametim - Der die Toten auferweckt“ wird von 26. Oktober bis 13. November der Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome gegen Juden gedacht.

Zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung 1938 in Wien veranstalten auch heuer wieder mehrere christliche und jüdische Organisationen gemeinsam die „Bedenkveranstaltungs“-Reihe „Mechaye Hametim - Der die Toten auferweckt“.

Aber auch über den religiösen Bereich hinaus gedenken Vereine, Gemeinden, Organisationen, Schulen, Künstler oder Privatinitiativen der schrecklichen Ereignisse vor 75 Jahren. Die Parlamentsdirektion hat aus Anlass des 75-Jahr-„Jubiläums“ eine Broschüre herausgegeben, in der die Veranstaltungen kompakt angeführt sind.

Die „Reichskristallnacht“

In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938, die noch immer unter dem euphemistischen Nazi-Ausdruck „Reichskristallnacht“ bekannt ist, wurden im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge der Pogrome insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.

Wiener Ruprechtskirche

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Ruprechtskirche in Wien

Im Zentrum der diesjährigen Gedenkveranstaltungen steht ein ökumenischer Gottesdienst am Samstag, 9. November, um 17.00 Uhr in der Wiener Ruprechtskirche. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker und die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs Beatrix Mayrhofer werden Worte des Gedenkens sprechen. Anschließend ist ein Schweigegang zum Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoa auf dem Judenplatz vorgesehen.

„Die Last der Geschichte“

Am Samstag, 2. November, findet um 17 Uhr ebenfalls in der Ruprechtskirche ein Gottesdienst unter dem aus Psalm 137 entnommenen Titel „Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem!“ statt.

Die Ruprechtskirche - sie ist die älteste Kirche Wiens - liegt auf halbem Weg zwischen dem jüdischen Stadttempel und dem Morzinplatz, wo sich 1938 bis 1945 das Hauptquartier der Gestapo befand. Die Gemeinde St. Ruprecht weiß sich von daher besonders verpflichtet, an die „Last der Geschichte“ zu erinnern. Die Initiative „Mechaye Hametim“ gibt es seit 1987. Inzwischen haben sich zahlreiche Kirchen und Organisationen angeschlossen.

König: „Gedenken keine vergeudete Nostalgie“

Am 9. November 1999 stand Kardinal Franz König dem Gedenkgottesdienst in der Ruprechtskirche vor. Seine damaligen Worte, die auf der Homepage der Ruprechtskirche dokumentiert sind, zeigen die ungebrochene Aktualität und Notwendigkeit des Gedenkens:

„Die Erinnerung an die Tage von 1938 ist keine vergeudete Nostalgie. Denn auch heute müssen wir uns fragen, ob nicht das Wort, das Gotteswort aufs Neue verbrannt wird. Gott sei dank - es brennen heute keine Synagogen, auch aus Büchern werden keine Scheiterhaufen errichtet. Aber sind nicht immer noch die Brandstifter unter uns, welche Worte wie Solidarität oder unantastbare Würde des Menschen oder Unteilbarkeit der Menschenrechte den Flammen zu überantworten suchen?“

Die „Bedenkveranstaltungen“ werden außer von der Gemeinde St. Ruprecht unter anderem auch von der Katholischen Aktion, vom Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, vom Jüdischen Institut für Erwachsenenbildung, den theologischen Kursen, dem Kardinal König Haus, der Wochenzeitung „die Furche“ und von evangelischen Einrichtungen organisiert.

Umfangreiches Programm

In Vorträgen werden Themen behandelt wie Haltung und Sprache im christlich-jüdischen Dialog (28. Oktober, 19 Uhr, Kardinal König Haus), der wachsende Antisemitismus in der Ersten Republik und die Rolle der katholischen Kirche (4. November, 18 Uhr, Kardinal-König-Archiv) oder Kindertransporte nach Großbritannien, mit denen fast 10.000 Kinder vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis gerettet werden konnten (7. November, 19 Uhr, Anglikanische Kirche, 1030 Wien).

Die Autorin Ruth Steiner wird im Rahmen einer Veranstaltung am 11. November im Kardinal-König-Haus über ihr Leben in der doppelten Identität als Christin und Jüdin berichten. Zuvor wird ein Film über den Pariser Kardinal Jean-Marie Lustiger gezeigt, der ebenfalls jüdische Wurzeln hatte.

Eine Exkursion gibt es u.a. zu zerstörten Synagogen in der Leopoldstadt (30. Oktober, 17 Uhr, Tandelmarktgasse 5).

religion.ORF.at/KAP

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