„Roma-Gipfel“ Graz: Ethnische Zugehörigkeit sekundär

Die am Grazer „Roma-Gipfel“ von Mittwoch beteiligte steirische Caritas hat sich gegen eine allzu enge Fokussierung auf ethnische Zugehörigkeit ausgesprochen.

In einem Kathpress-Gespräch am Donnerstag sagte Caritas-Sprecher Harald Schmied zum Umgang mit Bettlern in Graz, es gelte den Blick auf Armutsmigration aus Südosteuropa insgesamt zu weiten. Angesichts von Not sei es nachrangig, ob jemand Bulgare, Rumänin oder Rom sei. Die Caritas helfe den Betroffenen - und auch den Roma - jedenfalls in mehrfacher Weise.

Vertreter von Politik, Behörden, Diplomatie, Caritas und Vinzenzgemeinschaft hatten am Mittwoch auf Einladung der Grazer Vizebürgermeisterin und Sozialstadträtin Martina Schröck (SPÖ) bei einem Runden Tisch über Fragen des Umgangs mit Bettlern vom Balkan beraten. Anlass waren rund 50 Roma, die im Sommer in Graz präsent waren und zum Thema in Politik und Medien wurden.

Koordiniertes Vorgehen und Rückkehrhilfe

Ergebnisse des vierstündigen Treffens waren das koordinierte Vorgehen aller betroffenen Stellen wie Polizei und Jugendamt, klare Information darüber, was die Stadt Graz leisten kann und was nicht sowie gezielte Rückkehrhilfe, in die auch die Caritas und deren Partner in den Herkunftsländern eingebunden ist.

Harald Schmied wies auf Hilfsprojekte der Caritas in Rumänien, Bulgarien, Bosnien-Herzegowina und in der Slowakei hin, die der Armut vor Ort entgegenwirken sollen. In Zentrum stehe dabei Bildung bzw. Ausbildung und Betreuung für Kinder und Jugendliche; z. B. seien die inzwischen in ganz Österreich erfolgreichen Caritas-„Lern-Cafes“ erfolgreich „exportiert“ worden, so Schmied.

Rückkehrhilfe leiste die Caritas Steiermark in Kooperation mit jener in Alba Iulia (Rumänien). U. a. mit Spenden der Auslandshilfe würden Rückkehrer mit Fahrkarten und vor Ort mit Lebensmitteln, Kleidung und Schulbedarf versorgt.

Nothilfe vor Ort

Dessen ungeachtet werde auch für bereits in Graz befindliche Armutsbetroffene auch Nothilfe geleistet. Schmied wandte sich dabei gegen die Darstellung, Roma bekämen in der Caritas-Ausspeisungsstätte Marienstüberl kein Essen. Auch hier spiele die ethnische Zugehörigkeit keine Rolle, wohl aber sei das Stüberl als Anlaufstelle für Obdachlose und Alkoholsüchtige „kein Ort für Kinder, egal, woher sie kommen“. Niemand werde hungrig weggeschickt, versicherte der Caritas-Mitarbeiter. „Wir geben Leuten, darunter auch Roma-Familien, Essenspakete mit.“

Von den 50 im Sommer in Graz präsenten Roma seien 32 von der Caritas betreut worden, neun seien in zwei Grazer Pfarren aufgenommen worden, berichtete Schmied. Eines der Kinder gehe bereits in eine Grazer Volksschule, ein weiteres zur Tagesmutter, einem Vater liege ein Stellenangebot vor. Bei allen werde Wert auf Spracherwerb gelegt. Das seien „kleine Schritte“, so Schmied, „aber wir sind stolz, dass uns das gelungen ist“. Weitere Hilfsmaßnahmen für Roma seien erforderlich.

Bereits am Mittwoch hatte der Grazer „Vinzi“-Pfarrer Wolfgang Pucher den „Roma-Gipfel“ als positives Zeichen gewertet, dass man bei bettelnden Roma vom Balkan „nicht mehr wie bisher wegschauen will“. Schon die breite Beteiligung von Politik, Behörden, Diplomatie und Kirche am Rundem Tisch sei ein bemerkenswertes Novum, das über Graz hinaus Bedeutung habe, so der Ordenspriester nach dem Treffen im Kathpress-Interview. Als „Menschenrechtsstadt“ habe Graz eine besondere Verantwortung für Notleidende in ihrem Bereich.

Nachhaltige Hilfe und Arbeitsprojekte

Pucher brachte bei dem Treffen den Vorschlag ein, nach dem Vorbild von Hostice in der Ostslowakei auch in der rumänischen Stadt Sfantu Gheorghe - woher derzeit die meisten Roma kämen - nachhaltige Hilfe und Arbeitsprojekte vor Ort anzubieten. Der Pfarrer hielte - wie er sagte - eine „Teilintegration“ der Armutsmigranten für sinnvoll: Betroffene sollten in Graz eine kostengünstige bzw. kostenlose Wohnmöglichkeit bekommen und ein Jahr lang Fuß fassen können, also Arbeit und eine Dauerwohnstatt suchen. In Graz lebten bereits rund 20 gut integrierte Roma, die sich durch Jobs, Wohnung und Bildungszugang eine Existenzgrundlage geschaffen hätten, so Pucher.

Dass Graz durch derartige Angebote weiteren Zuzug geradezu provozieren würde, lässt der engagierte Pfarrer nicht gelten. Das hieße nämlich im Umkehrschluss, bereits hier befindliche Roma möglichst leiden zu lassen - quasi zur Abschreckung. Pucher werde es nicht zulassen, dass Notleidende „Weihnachten in einem Dreckloch zubringen müssen“, versicherte er. „Wenn es sein muss, nehme ich sie mit in die Kirche.“

religion.ORF.at/KAP

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