Ordensfrauen diskutierten über Frauenhandel

Ordensfrauen, Sozialwissenschaftler, Sicherheitsexperten, Juristen und NGO-Mitarbeiterinnen haben in Wien das Tabu-Thema des Frauenhandels für die Sexindustrie diskutiert.

Im Gedenken an die 2012 seliggesprochene katholische Sozialpionierin Hildegard Burjan (1883-1933) wurden die „17. Hildegard-Burjan-Gespräche“ zum Thema Menschenhandel und im speziellen Frauenhandel organisiert. Um Menschenhandel verhindern zu können, müssten viele wohlhabende westliche Staaten endlich vor Ort in den betroffenen Regionen aktiv werden, sagte die Gründerin des Vereins EXIT, Joanna Adesuwa Reiterer am Donnerstagabend.

Perspektiven erarbeiten

„Wenn diese Frauen nicht ‚gehandelt‘ würden, hätten wir diese Problematik überhaupt nicht“. Die Orte, wo viele Frauen gehandelt werden, seien bekannt, etwa Nigeria, so Reiterer. Den oft minderjährigen Frauen und deren Eltern müssten in ihren Heimatländern neue Perspektiven eröffnet werden.

Hildegard Burjan

war Gründerin der Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“, die Pflegeheime sowie ein Hospiz unterhält und in der Ausbildung für Sozialberufe tätig ist. Die aus einer jüdischen Familie stammende Burjan trat 1909 zum Katholizismus über. Sie zog 1919 als erste weibliche Abgeordnete der Christlichsozialen Partei in das österreichische Parlament ein.

Reiterer sagte, dass der Verein EXIT mit einer Textilfabrik in Nigeria zusammenarbeite, um so Arbeitsplätze zu garantieren. Es gebe in Nigeria durchaus wirtschaftliche Möglichkeiten. Wenn es dennoch geschehe, dass Frauen von Menschenhändlern nach Österreich gebracht würden, sollte dringend darauf geachtet werden, dass die Betroffenen hier eine Zukunft aufbauen und den Ausstieg aus der Prostitution schaffen könnten.

Der Verein EXIT betreibe deshalb in Österreich Streetwork und arbeite unter anderem mit der Ordens-NGO „SOLWODI“ (Solidarity with Women in Distress/Solidarittä mit Frauen in Not) zusammen, betonte Reiterer.

Schutzhaus ein „kleiner Akzent“

CS-Generalleiterin Susanne Krendelsberger, die Stellvertretende Obfrau von SOLWODI, wies auf die Vielfältigkeit des Problems hin. Viele illegal in Österreich lebende Frauen würden unterdrückt und litten unter Gewaltsituationen. Deshalb trauten sich diese Frauen oft nicht, gegenüber der Polizei auszusagen.

SOLWODI habe sich mit der Einrichtung eines Schutzhauses dazu entschlossen, hier einen kleinen Akzent zu setzen und Frauen dabei zu helfen, „einen Ausstieg aus dem System zu wagen“. Dabei helfen die Ordensschwestern den Betroffenen, sich in Österreich zu integrieren und eine Berufsausbildung zu machen.

Freier im Fokus

Patricia Erber, Leiterin von SOLWODI, betonte, dass das Menschenbild der Freier stärker in den Fokus rücken müsse. „Die Würde der Frau, der Umgang mit ihr, sie nicht als Objekt, sondern als ebenbürtig zu sehen“, sei hierbei sehr wichtig. Viele Freier würden die Prostituierte als „Lustobjekt, das ich benutzen kann“ sehen, oder sie glaubten, dass die Frau die Prostitution selbst als befriedigend empfinde.

Deshalb wünsche sie sich, dass Freier an Diskussionen wie der aktuellen teilnehmen, damit so die andere Seite gesehen werden und für dieses Thema sensibilisiert werden können. Bei einigen sei das bereits der Fall, da SOLWODI immer wieder Hinweise von Freiern erhalte, die „ein Gespür dafür haben, wenn eine Frau das nicht freiwillig macht“.

Menschenhandel - Problem mit langer Geschichte

Der Soziologe Roland Girtler unterstrich in seinem Vortrag, dass das Thema Frauenhandel ein Problem mit einer langen Geschichte in Österreich sei. Er zitierte dabei - neben einigen anderen Quellen aus der Zeit Kaiser Franz Josefs. Zitiert wurde aus dem Brief eines Opfer aus dem Jahr 1883, in dem dieses der k.u.k. Polizei ihr Leid klagte. Früher seien sehr oft Frauen jüdischer Abstammung die Opfer gewesen. Der Hauptgrund sei auch damals schon die Armut gewesen und den jungen Frauen aus dem Osten wurden - wie heute - Jobs in Österreich versprochen.

Trend zum „Massagesalon“

Gerald Tatzgern, der Leiter der Zentralstelle Schlepperkriminalität/Menschenhandel, erklärte, dass der Trend derzeit weg vom klassischen Bordell hin zu asiatischen „Massagesalons“ gehe. Das sei sehr problematisch, da die dort tätigen Frauen - dabei handle es sich laut Tatzgern vor allem um Chinesinnen - völlig von der Außenwelt isoliert seien.

Aus der Sicht der Freier seien diese Etablissements aus einem sehr einfachen Grund praktisch: Sie haben von 9 bis 18 Uhr geöffnet, das Hauptgeschäft beginne nicht erst in der Nacht. So müsse sich der Freier nicht einmal mehr eine Ausrede für die Ehefrau einfallen lassen, da er seinen Besuch an die eigene Arbeitszeit hängen könne.

Tatzgern kritisierte in diesem Zusammenhang auch Österreichs größte Tageszeitung. Diese widme die jeweils letzte Seite vor dem Sportteil ausnahmslos diesen asiatischen Angeboten.

Prostitution verbieten?

Für Prostitution gelte in Österreich, dass sie „erlaubt, aber gleichzeitig verboten“ sei, so Tatzgern. Unter bestimmten Bedingungen dürfe man der Sexarbeit in Österreich nachgehen, „aber nur als selbstständige Erwerbstätige“. In Deutschland oder Frankreich gebe es mittlerweile die Diskussion dasrüber, ob man mit einem Verbot der Prostitution den Menschenhandel eindämmen könne.

Tatzgern sagte weiter, dass von den mehr als 6.000 in Österreich registrierten Prostituierten insgesamt 3.200 in Wien lebten. Österreich sei vom Menschenhandel in zwei verschiedenen Formen betroffen: einerseits Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, andererseits zur Ausbeutung der Arbeitskraft.

Es gebe auch eine Form des Menschenhandels, bei dem das Opfer dann Einbruchs- und Taschendiebstähle begehen müsse. Man dürfe, auch wenn man diese Menschen zuerst einmal als Täter sehe, nicht vergessen, dass es sich bei ihnen um Opfer handeln könnte.

religion.ORF.at/KAP

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