Tück zu Papst-Schreiben: „Akzentverschiebung“

Mit „Evangelii Gaudium“ nimmt Franziskus „Akzentverschiebungen“ gegenüber Benedikt XVI. vor, so der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.

Zu den wohl am intensivsten erörterten Fragen rund um das bisherige Pontifikat von Papst Franziskus zählt die Frage, inwiefern er in seiner Lehre an den emeritierten Papst Benedikt XVI. anschließt oder sich davon abhebt. Nach der Veröffentlichung des Schreibens „Evangelii Gaudium“ dürfte diese Debatte um einige Argumente auf beiden Seiten reicher sein: schließlich zitiert Franziskus viel und ausführlich aus den Schriften von Papst Benedikt XVI. - um zugleich aber auch „Akzentverschiebungen“ vorzunehmen, so Tück.

„Franziskus geht über Vorgänger hinaus“

Eine solche Verschiebung ortet der Theologe etwa beim Begriff der Reform. So knüpfe Franziskus dezidiert bei Paul VI. an, der Reform als „Maßnehmen am Vorbild Jesu“ verstand. Zugleich jedoch leite Franziskus daraus keine „Reform von oben“ ab, sondern ziele auf eine „heilsame Dezentralisierung“ etwa im Blick auf eine Stärkung der Bischofskonferenzen und Ortskirchen. Klar spreche Franziskus aus, dass die Kirche auf dem Weg dieser Dezentralisierung und einer stärkeren Einbeziehung des Volkes Gottes bisher nicht weit genug gegangen sei. Bei aller theologischer Rückkopplung an seine Vorgängerpäpste: „Beim Begriff und Konzept der Kirchenreform geht Franziskus über seine Vorgänger hinaus.“

Eine neue Dringlichkeit

Die Vorgehensweise des neuen Papstes sei dabei klug gewählt, insofern Franziskus sich bewusst „in den lehramtlichen Traditionsstrom stellt, aber dort dann nach unabgegoltenen Potenzialen sucht“. Das gelte ebenso, wenn er das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) zitiere, das in seinem Dokument „Lumen Gentium“ etwa bereits den Gang der Kirche „an die Ränder der Gesellschaft“ beschreibe.

Wenn Franziskus darauf Bezug nehme und seine eigene lateinamerikanische Erfahrung hinzuziehe, so entstehe aus einem bereits damals vorhandenen, dann jedoch etwas zurückgestellten Aspekt plötzlich eine neue Dringlichkeit, so Tück.

Vorsichtig sei er indes mit dem medial ausgeschlachteten Schlagwort einer „Regierungserklärung“ des Papstes. Das Schreiben könne aber durchaus als ein „Fahrplan“ im Blick auf die innerkirchlichen Reformprojekte des Papstes betrachtet werden.

religion.ORF.at/KAP

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