Wien: Unklare Regelungen bei Schulkreuzen

An einer Wiener Volksschule ist der Streit über das Schulkreuz erneut entbrannt. Religionsrechtsexperte Richard Potz sieht „keine klaren Regelungen“ für den Fall, dass weniger als die Hälfte der Schüler nicht Christen sind.

Wenn an einer Schule die Mehrzahl der Schüler ein christliches Bekenntnis haben, dann ist in allen Klassenzimmern ein Kreuz anzubringen. So sagt es das Religionsunterrichtsgesetz aus dem Jahr 1962. Ist das nicht der Fall, so gibt es keine klaren Regelungen und damit auch „keine gesetzliche Grundlage“ für ein Abhängen der Kreuze, hielt Richard Potz, der das Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien leitet, angesichts der neu aufgeflammten Schulkreuzdebatte in einem Interview mit der „Wiener Zeitung“ (Donnerstag) fest.

Das Gesetz spreche dezidiert von allen Christen, einzubeziehen seien also auch die seit Sommer staatlich anerkannten Freikirchen. 1962 habe man, so Potz, allerdings nicht daran gedacht, dass es einmal auch andere Religionen in Österreich geben würde. Daher gebe es keine klare Gesetzesbestimmung für Fälle, in denen Christen die Minderheit sind.

Richard Potz

ORF/Marschalek

Richard Potz

Probleme mit Datenschutz

Potz bestätigte, es könne „mühsam werden“, wenn sich Schüler, Lehrer oder Elternteil an dem Kreuz störten und dessen Entfernung aus Schulräumen wünschten. Denn dann müsse die Schulleitung, „ohne dass es ein Datenschutzproblem ist - es wird ja nicht das Religionsbekenntnis jedes Einzelnen weitergegeben -, feststellen, ob mehr als 50 Prozent Christen sind“. Wenn die Schule aber nicht kooperiere, dann hat man laut dem Rechtsexperten „ein Problem, weil es keine Rechtsgrundlage dafür gibt“.

Potz’ Empfehlung: „Man sollte es auf die ganze Klasse und nicht auf die gesamte Schule abstellen.“ Es gebe Landesgesetze, die nach Klasse rechnen: Wenn die Mehrheit jener Schüler, die den Klassenraum regelmäßig nutzen, Christen sind, dann ist es anzubringen. „Meiner Meinung nach müsste es nicht sein, dass, wie in vielen Wiener Schulen, wo zwei Drittel keine Christen sind, ein Kreuz hängt“, merkte Potz an. „Das erscheint mir etwas seltsam.“

Holzkreuz in einer Schulklasse

APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Das Kreuz in der Klasse wird erneut zum Zankapfel

Kreuze ab- und wieder aufgehängt

Im vergangenen Mai wurde in der betreffenden Schule das Schulkreuz nach Protesten konfessionsfreier Eltern abgehängt und vor kurzem zum Ärgernis dieser Eltern wieder aufgehängt. Laut einem Bericht von „Wien heute“ (Dienstag) wurden in fünf von 14 Klassenzimmern und drei von neun Gemeinschaftsräumen Kreuze wieder aufgehängt.

Der Elternverein der Schule wies das unter Berufung auf Informationen der früheren Schulleiterin zurück: Im Frühjahr sei ausschließlich in der einen betreffenden Klasse das Kreuz abgehängt und seit Mai kein zusätzliches aufgehängt worden. Insgesamt würden in einigen Klassen Kreuze hängen, in anderen nicht.

Die „Kreuzfrage“ sei übrigens, so der Elternverein, nur in der einen Klasse thematisiert worden und es könne „nicht Aufgabe des Elternvereins sein, die persönlichen Interessen einzelner Eltern gegen die Interessen der Mehrheit durchzusetzen“, heißt es in der Stellungnahme.

Kritik von „Religion ist Privatsache“

Kritik an der Vorgehensweise der Schulleitung übte am Dienstag die Initiative „Religion ist Privatsache“. Laut einer Aussendung der Initiative wurden rechtliche Schritte eingeleitet. In einer von der Initiative Religion ist Privatsache eingebrachten Anzeige wurde der Wiener Stadtschulrat, als Aufsichtsbehörde, auf die laut Initiative „gesetzlich nicht gedeckte und daher willkürliche Vorgehensweise der Schulleitung“ hingewiesen.

Außerdem stellte die Initiative eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch in Aussicht, sollte demnächst keine gesetzlich gedeckte Lösung gefunden werden. Der Obmann der Initiative, Heinz Oberhummer, bezeichnete die betroffenen Eltern als „couragierte Bürgerinnen und Bürger, die gegen die religiöse und letztendlich auch politische Instrumentalisierung von öffentlichen Einrichtungen ihre Stimme erhoben haben“.

KAP, religion.ORF.at