Pastafarianer und Jedi-Ritter: Was ist Religion?

In der Diskussion über das Verhältnis zwischen Religion und Staat taucht immer wieder die Frage auf, was denn eigentlich eine Religion ist. Beantwortet ist diese Frage freilich selbst von jenen Wissenschaften, deren Forschungsgebiet die Religionen sind, bis heute nicht.

Die Satanisten im US-Bundesstaat Oklahoma wollen Gleichberechtigung. Weil christliche Gruppierungen vor dem dortigen Parlament eine Tafel mit den Zehn Geboten aufgestellt haben, wollen sie nun ebenfalls ein Denkmal, nämlich eine Teufelsstatue, aufstellen. Zahlreiche andere Gemeinschaften haben ebenfalls Denkmäler beantragt, nun sind die Gerichte gefragt – mehr dazu in Satanisten stellen Denkmalpläne vor (news.ORF.at).

Was zunächst bloß wie ein Schrei nach Öffentlichkeit aussieht, hat auf juristischer Ebene durchaus einen ernsthaften Hintergrund. Dass unterschiedliche religiöse Gemeinschaften vor dem Gesetz gleichberechtigt sein müssen, leuchtet ein. Aber wer bestimmt, was als Religion zu gelten hat? Nicht nur Staaten, die ihr Verhältnis zu verschiedensten religiösen Gruppierungen bestimmen müssen, sondern auch die Wissenschaft beißt sich an dieser Frage die Zähne aus.

Es gibt natürlich Definitionen des Begriffs Religion – und nicht wenige. Immer wieder haben Theologen, Philosophen, Soziologen und Religionswissenschaftler mit unterschiedlichen Zugängen versucht zu bestimmen, was eine Religion ausmacht. Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es aber bis heute nicht. Der Hauptgrund dafür ist die unglaubliche Bandbreite von Phänomenen, die mit dem Begriff Religion umschrieben werden.

Große Bandbreite

Da gibt es jene Gemeinschaften, die landläufig als Weltreligionen tituliert werden, aber in sich schon so unterschiedlich sind, dass es schwierig ist, sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: So kommen etwa Buddhismus und Konfuzianismus weitgehend ohne Gottesfiguren aus, während diese in monotheistischer Ausprägung in den abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam zentral sind.

Daneben gibt es aber auch „Naturreligionen“, die die ganze Welt als beseelt ansehen, und neureligiöse Bewegungen, die sich aus völlig anderen Quellen speisen. Der Gesetzgeber ist gezwungen, sich mit dieser Bandbreite an unterschiedlichen Gemeinschaften zu arrangieren.

Drei Systeme

Grundsätzlich gibt es drei Wege für dieses Arrangement: das Staatskirchensystem, den Laizismus und das Kooperationsmodell. In einem Staatskirchensystem ist eine religiöse Gruppierung tief im Staat verwurzelt und daher den anderen gegenüber klar bevorteilt. Laizistische Staaten entziehen sich der Entscheidung, was Religion ist und was nicht, indem sie die Religion aus der Öffentlichkeit verdrängen und nur im privaten Bereich zulassen.

Zwei Männer und eine Frau als Jedi-Ritter mit Lichtschwertern verkleidet

Reuters/Suzanne Plunkett

Das Science-Fiction-Universum von „Star Wars“ hat weltweit eine große Fangemeinde. Mancherorts gibt es aber auch Menschen, die den daraus entnommenen „Jediismus“ als ihre Religion bezeichnen.

Das Kooperationsmodell – wie es in den meisten modernen Staaten, so auch in Österreich, angewandt wird – geht einen Mittelweg: Religionsgemeinschaften werden vom Staat als solche anerkannt und haben dadurch gewisse Vorteile. Dazu muss der Staat aber zwangsläufig festlegen, was eine Religion ist.

Jedi-Ritter als Herausforderung

Das Problem dabei ist, dass Glaubensinhalte der jeweiligen Religionen auf juristischer Ebene wegen ihres übernatürlichen Charakters schlichtweg nicht fassbar sind. „Da stößt das Gesetz an seine Grenzen“, bestätigt auch Richard Potz, Leiter des Instituts für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht an der Universität Wien, gegenüber religion.ORF.at. Eine staatliche Behörde kann sich grundsätzlich nicht anmaßen, ob das Konzept des christlichen Gottes „wahrer“ oder „echter“ ist als zum Beispiel jenes der „Macht“ aus den „Star Wars“-Filmen.

Zu Letzterem haben sich in den vergangenen Jahren bei Volkszählungen in verschiedenen Ländern nicht unwesentliche Bevölkerungsgruppen bekannt. In Großbritannien gaben 2001 beispielsweise fast 400.000 Menschen den Jediismus (das Wort bezieht sich auf die Jedi-Ritter in „Star Wars“) als ihr religiöses Bekenntnis an, in Australien im gleichen Jahr 70.000, in Tschechien waren es 2011 15.000. Entstanden ist das Phänomen aus einer Grassroots-Bewegung, die auf diese Weise ihren Protest gegen die Pflicht, das religiöse Bekenntnis bei der Volkszählung anzugeben, ausdrücken wollte. Eine offizielle Anerkennung des Jediismus wurde allerdings in beiden Fällen nicht ausgesprochen.

Weil sich der übernatürliche Inhalt einer (angeblichen) Religion der Beurteilung des Staates entzieht, müssen andere, äußerliche Kriterien angewandt werden. Neben Beschränkungen, die sich auf Eingriffe in die Rechte anderer oder verfassungswidrige Handlungen beziehen, sind das zum Beispiel oft – wie auch in Österreich – die Mitgliederzahlen. Doch auch hier gibt es Probleme, denn in den Augen vieler Experten kommt es zu einer Diskriminierung, wenn einer Religionsgemeinschaft die staatliche Anerkennung verwehrt wird, nur weil sie weniger Anhänger hat als eine andere.

Tastenkürzel als religiöse Symbole

An den Definitionsrändern des Religionsbegriffs passieren aufgrund dieser Probleme mitunter skurrile Dinge wie jüngst in Oklahoma. Doch auch anderswo gibt es ähnliche Fälle: 2011 wurden in Schweden die Kopimisten als religiöse Gemeinschaft staatlich registriert. Die Gruppierung entstand aus der schwedischen Filesharer-Community, ihre Anhänger geben vor, Information anzubeten, indem sie sie kopieren, und die Tastenkürzel Strg-C und Strg-V als religiöse Symbole zu verehren.

In Österreich sind die gesetzlichen Bestimmungen dazu, was Religion ist und was nicht, nicht besonders ausführlich. Die Gesetzestexte erwähnen ausschließlich äußere Kriterien wie das Vorliegen von Statuten, Mitgliederzahlen und Ähnliches. Allerdings, so Potz, gebe es in der Rechtsprechung und im ergänzenden Schrifttum im deutschsprachigen Raum grundsätzlich drei Kriterien, die angewendet werden: Eine Religion brauche demnach erstens eine umfassende Weltdeutung, zweitens einen Transzendenzbezug und drittens ein Mindestmaß an rituellen Vorgaben.

Mit Nudelsieb auf Führerschein

Dennoch bemühen sich auch hierzulande Gruppierungen, bei denen nicht ganz klar ist, ob sie als Religion zu gelten haben oder nicht, um Anerkennung. 2011 sorgte der nunmehrige Nationalratsabgeordnete Niko Alm (NEOS) im Vorfeld des von ihm mitinitiierten Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien für Aufsehen, als er ein Foto, auf dem er ein Nudelsieb auf dem Kopf trug, für seinen Führerschein einreichte.

Niko Alm mit Nudelsieb und Führerschein

APA/Georg Hochmuth

Niko Alm

Das Nudelsieb ist die Kopfbedeckung der Pastafarianer, einer Satirereligion, die 2005 in den USA gegründet wurde. Gemäß der Lehre des Pastafarianismus, auch unter dem Namen Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters bekannt, steuert ein unsichtbares fliegendes Spaghettimonster mit Nudeltentakeln die Welt. Ein Mann namens Bobby Henderson gründete die Bewegung als Opposition zu christlichen Gruppierungen, die die Berücksichtigung des Schöpfungsglaubens neben der Evolutionstheorie im Schulunterricht forderten.

„Staat muss sich nicht alles gefallen lassen“

Auch wenn Alm - entgegen eigenen Angaben - das Führerscheinfoto schließlich nicht aus religiösen Gründen erlaubt wurde, sondern schlichtweg, weil laut der Durchführungsverordnung zum Führerscheingesetz nichts dagegen sprach, hieß es damals, die Pastafarianer wollten versuchen, die Anerkennung als religiöse Gemeinschaft in Österreich zu erreichen.

Zwar hat der Staat in Fällen wie diesen rein vom Gesetzestext her keine Möglichkeit, die Glaubensinhalte einer Gemeinschaft wie jener der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters als nicht religiös zurückzuweisen. Dennoch sieht Potz hier keine Chance auf eine Anerkennung: Die zuständige Behörde könne die Ernsthaftigkeit der Gruppierung in Zweifel ziehen, so der Experte. „Der Staat kann zwar nicht vorgeben, was eine Religion ist, aber er muss sich auch nicht alles gefallen lassen.“

Die Frage, wo die Grenze zwischen Religion und Satire liegt, bleibt dennoch eine Grauzone, die im Extremfall von den Gerichten ausgeleuchtet werden muss. Schließlich gibt es auch Gruppierungen, bei denen es keinen offensichtlichen Spaßcharakter wie bei den Pastafarianern oder den Kopimisten gibt. Mit der Frage, ob es sich bei Scientology um eine Religion handelt, befassen sich Juristen beispielsweise schon seit Jahren in mehreren Ländern - mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Michael Weiß, religion.ORF.at

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