Fragebögen: Kluft zwischen katholischer Lehre und Praxis

Parallel zum Fragebogen des Vatikans zu Familie und Sexualität haben auch die „Laieninitiative“ und „Wir sind Kirche“ eigene Umfragen gestartet. Das Ergebnis: Theorie und Praxis in der Kirche klaffen auseinander.

Die beiden Laienorganisationen forderten am Freitag Österreichs Bischöfe auf, die von ihnen gesammelten Ergebnisse der vatikanischen Umfrage zu Ehe und Familie zu veröffentlichen. Die Reformorganisationen hatten ihre eigene Version des Fragebogens ins Internet gestellt. Mehr als 4.000 meist kirchenkritische Antworten kamen zurück.

Kirchenbürger wollen mehr Selbstbestimmung

Zusätzlich wurden in der nicht repräsentativen Befragung fast 7.000 Kommentare abgegeben, berichtete Margit Hauft von der „Laieninitiative“ in einer Pressekonferenz. Für sie ist das ein Beweis, dass die Kirchenbürger mehr Selbstbestimmung einfordern. „Sie sehen es nicht mehr ein, dass Zölibatäre über ureigenste Bereiche wie Sex und Familie entscheiden sollen.“ Der Umgang mit den Ergebnissen sei die Nagelprobe für das Amtsverständnis der römisch-katholischen Bischöfe, sagte Hauft.

Margit Hauft

APA/Hebert Pfarrhofer

Margit Hauft

Die Ergebnisse der Kirchenkritiker-Umfrage referierte Hans-Peter Hurka von „Wir sind Kirche“. Die Lehren der Kirchenleitung zu Ehe, Familie und Sexualität sind demnach bekannt (zu 54 Prozent in Grundzügen), aber nicht verständlich (56 Prozent kaum oder überhaupt nicht), nicht hilfreich (73 Prozent kaum oder überhaupt nicht) und werden (zu 68 Prozent) als nicht umsetzbar angesehen.

Regeln zur Empfängnisverhütung nicht akzeptiert

Die kirchlichen Regeln zur Empfängnisverhütung würden nicht akzeptiert, sagen 76 Prozent jener, die den Fragebogen beantwortet haben. 75 Prozent geben an, dies werde kaum oder nie gebeichtet, und es werde trotzdem zur Kommunion gegangen. Für 67 Prozent werden Partner in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften von der Kirche ignoriert oder sogar lieblos behandelt. Gläubige in zweiter Ehe fühlten sich ausgegrenzt, sagten 84 Prozent.

Ergebnisse ähnlich wie bei KAÖ-Umfrage

Diese Ergebnisse ähneln inhaltlich jeden, die am Donnerstag von der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) präsentiert worden waren. So würden 87 Prozent für eine zweite kirchliche Heirat nach dem Beispiel anderer Kirchen plädieren. 75 Prozent der Befragten halten es für richtig, wenn Paare vor der Heirat zusammenleben. Die kirchliche Ehevorbereitung betrachten lediglich 29 Prozent als hilfreich. In Fragen der Empfängnisregelung sehen sich nur sieben Prozent der KAÖ-Umfrage zufolge dem kirchlichen Nein zu künstlichen Verhütungsmitteln verpflichtet - mehr dazu in: Geschiedene: Viele für anderen Umgang in Kirche.

Mehr als 7.400 Personen nahmen an der Umfrage der Katholischen Aktion teil. Der Wunsch nach Änderung der Regeln der katholischen Kirche im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sei „das wichtigste Thema derzeit, sogar noch vor dem Priestermangel“, sagte der für den Umfragebogen verantwortliche Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner gegenüber den Tageszeitungen „Die Presse“ und „Kurier“ (Freitag-Ausgaben).

Zulehner: „Druck aus Kirchenvolk wird größer“

Die Ergebnisse seien zwar nach wissenschaftlichen Kriterien nicht repräsentativ, aber wegen der guten Streuung der Teilnehmer hinsichtlich Geschlecht und Alter „aussagekräftig“, so Zulehner in der „Presse“. Überraschend seien die Ergebnisse der Laien-Fragebögen jedenfalls nicht. Bereits Kardinal Franz König habe 1963 für eine Orientierung der katholischen Kirche an der orthodoxen Kirche - und damit für die Möglichkeit einer zweiten kirchlichen Heirat - plädiert. „Das wird kommen, der Druck aus dem Kirchenvolk wird größer“, zeigte sich Zulehner überzeugt.

Den Familien-Fragebogen des Vatikans selbst füllten mehr als 30.000 Österreicher aus, allein 26.000 davon entfielen auf die Diözese Graz-Seckau. Das endgültige Ergebnis soll noch im Jänner präsentiert werden, wie berichtete Kathpress am Freitag berichtete. Dem Vatikan übergeben werden die Antworten beim anstehenden Ad-limina-Besuch der Bischöfe in der letzten Jännerwoche.

religion.ORF.at/APA/KAP

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