Orthodoxe Kirche: Seelenreinigung im Eiswasser

Dieser Tage stürzen sich bei sibirischem Frost viele Russen in vereiste Seen und Flüsse. Wenn die russisch-orthodoxe Kirche die Taufe von Jesus Christus im Jordan feiert, ist das auch für viele Nichtgläubige Anlass für ein kaltes Bad.

Das Eisbaden soll die Gesundheit stärken und die Seele reinigen, so der Glaube vieler Russen. Allein in Moskau stehen für das Ritual Hunderte Sicherheitskräfte bereit, darunter Sanitäter. Der Andrang am Platz der Revolution in der russischen Hauptstadt ist auch dieses Jahr wieder groß.

Gläubige nehmen am 19. Jänner zur Taufe Jesus ein von Sünden reinigendes Bad im Eiswasser

Reuters/Ilya Naymushin

Rund 3000 Eislöcher in Kreuzform wurden für die Gläubigen an vielen Orten in Russland in die zugefrorenen Seen und Flüsse geschnitten

Mit geistlichem Gesang weiht ein Priester im prunkvollem Ornat bei 17 Grad minus das Wasser - stilecht in einem Becken aus Eisblöcken, am Rand ein Kreuz aus Eis. Glockengeläut begleitet das Ritual zur Feier der Jesus-Taufe am 19. Jänner. Dann springen einige Gläubige mit Geschrei ins eisige Nass, tauchen dreimal unter, bekreuzigen sich und beten für sich und ihre Nächsten.

Badende „Walrösser“

In vielen Regionen gibt es sie, die Morschi - das ist das russische Wort für Walross und bezeichnet auch die Eisbadenden. Die Männer und Frauen organisieren sich in Gruppen, um den nicht ungefährlichen „Sport“ zu trainieren. Wodka ist tabu. Zum Aufwärmen gibt es Tee. „Molodez! Molodez!“, rufen Zuschauer in dicken Mänteln am Rand, was soviel wie „Prachtkerl!“ heißt und die Eisbadenden anfeuern soll.

Erst würde einem eiskalt, dann heiß, so beschreiben viele Schwimmer das Gefühle der Freude und des eisigen Schreckens zugleich. 54 Stellen sind in Moskau für das Blitzbad freigegeben. „Die Zahl der Badenden könnte allein am Sonntag auf rund 120.000 Menschen steigen“, sagt Alexander Jelissiejew, Leiter des Moskauer Stabquartiers vom Zivilschutzministerium.

Eisbad eines russisch-orthodoxen Christen anlässlich zur Taufe Jesu

Reuters/Alexander Natruskin

Das Bad im eiskalten Wasser ist nicht ungefährlich. Die russisch-orthodoxe Kirche warnt vor übertriebenen Mutproben

3.000 Eislöcher

Landesweit bewachen dem Zivilschutzministerium zufolge mehr als 30.000 Sicherheitskräfte rund 3.000 Löcher im Eis. Viele Stellen haben die Form von Kreuzen. Das russische Staatsfernsehen schaltet zu den Wagemutigen in verschiedenen Teilen des Landes mit den neun Zeitzonen. „Es ziept auf der Haut, aber das Gefühl ist gut, wärmer als an der Luft, einfach herrlich! Es ist wie eine zweite Geburt“, sagt Ljubow Kotelnikowa in Moskau, nach seinem Bad in die TV Kamera.

Weil es bisweilen auch Todesfälle gibt, warnen Behörden vor Risiken vor allem für Ältere und Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen. Oft würden auch Kinder der Gefahr ausgesetzt.

Eisbaden ist schwer in Mode

Ob gläubig oder nicht - Ärzte sehen keinen Grund, der Gesundheit Wunder abzuverlangen. „Hören sie auf ihren Körper“, mahnt die Ärztin Galina Cholmogorowa. „Das kalte Wasser kann zu schweren Krämpfen der Körpergefäße führen, was wiederum zum Infarkt führen kann“, warnt sie in der Boulevardzeitung „MK“. Trotz der Gefahren und Warnungen sei das Eisbaden schwer in Mode. „Die Popularität wächst mit jedem Jahr“, schreibt das Blatt.

Und auch die Kirche warnt vor übertriebenen Mutproben oder unvorbereiteten Sprüngen in das Eisbad. Als Alternative empfehlen Geistliche, das geweihte Wasser einfach in Flaschen abzufüllen und zu Hause zu trinken. Es soll Wunder vollbringen und angeblich ein Jahr frisch bleiben.

APA/dpa,Ulf Mauder/religion.ORF.at

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