Ukrainische Kirchen fordern Stopp der Gewalt
Patriarch Filaret, Oberhaupt der von Moskau unabhängigen orthodoxen Landeskirche, verurteilte am Mittwoch das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Regierungsgegner in der Hauptstadt Kiew scharf. Er betonte, Gott kenne alle, die „verbrecherische Befehle“ gegeben hätten. „Gott wird das Böse bestrafen; niemand wird der Strafe entgehen.“
Reuters/David Mdzinarishvili
Das Kirchenoberhaupt forderte einen sofortigen Stopp der Gewalt. Er rief Staatspräsident Viktor Janukowitsch und die Oppositionsführer auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und ein „positives Ergebnis“ zu erzielen. Janukowitsch trage die Hauptverantwortung für die Entwicklung.
Papst-Appell gegen Gewalt
Papst Franziskus rief am Mittwoch ebenfalls zu einem Ende der Gewalt in der Ukraine auf. „Mit Besorgnis verfolge ich, was in diesen Tagen in Kiew passiert“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche bei der wöchentlichen Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom. „Ich versichere dem ukrainischen Volk meine Nähe und ich bete für die Opfer der Gewalt, für ihre Familien und die Verletzten.“
Gleichzeitig appellierte der Pontifex vor Tausenden Pilgern an alle Parteien in der Ukraine, „jede gewaltsame Aktion zu beenden sowie Einigkeit und Frieden für das Land zu suchen.“ Nach blutigen Straßenkämpfen sind in der Ukraine seit Dienstagabend mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen.
Sendungshinweis
Das ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ berichtete am 2. Februar 2014 über die Rolle der Kirchen im Ukraine-Konflikt.
Schewtschuk: Machthaber sind verantwortlich
Der griechisch-katholische Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk ordnete am Dienstagabend an, wegen der „Gefahr des Brudermordes“ alle Kirchenglocken zu läuten. „Im Namen Gottes verurteile ich Gewalt und die Missachtung von Menschenrechten und des Willens des Volkes“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung des Oberhaupts der mit Rom verbundenen ukrainischen Kirche. Die Machthaber trügen die volle Verantwortung für das, was im Land passiere.
Bei schweren Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Polizisten kamen seit Dienstagnachmittag in Kiew laut Regierungsangaben 25 Menschen ums Leben. Darunter seien neun Polizisten und ein Journalist. Spezialeinheiten hatten in der Nacht zum Mittwoch den Unabhängigkeitsplatz (Maidan), den zentralen Ort des Protests gegen die Regierung, gestürmt und zum Großteil geräumt.
Lazarett in Kirche eingerichtet
Ärzte versorgten und operierten Schwerverletzte auch in der orthodoxen Michaelskirche. Aus dem in Brand geratenen Gewerkschaftshaus, dem Hauptquartier der Opposition, war die Krankenstation in das in der Nähe des Maidan gelegenen Gotteshaus verlegt worden. Auch in der griechisch-katholischen Kathedrale der Haupstadt wurde ein Lazarett eingerichtet.
In der Nacht wurde auf dem Maidan auch eine vor mehr als zwei Monaten von griechisch-katholischen Priestern errichtete Zeltkapelle zerstört. Die Spezialtruppe „Berkut“ der Polizei habe sie angezündet, teilte die Kirche am Mittwochmorgen unter Berufung auf Aktivisten mit. In der Zeltkapelle hatten auch orthodoxe und römisch-katholische Priester mehrmals täglich Gottesdienste gefeiert.
religion.ORF.at/KAP/APA/dpa