Strafe bis Toleranz: Christen und Homosexualität

Diskriminierung oder sogar Verfolgung Homosexueller aus vermeintlich christlichen Motiven heraus sorgen immer wieder für Diskussionen. Dabei gibt es in den christlichen Kirchen sehr differenzierte Standpunkte.

Christentum und Homosexualität - glaubt man den Schlagezeilen, dann geht das einfach nicht zusammen. Immer wieder werden - auch auf Druck von christlichen Gruppierungen oder Einzelpersonen - Gesetze, Gerichtsurteile oder Verordnungen erlassen, die homosexuelle Menschen diskriminieren oder - wie zuletzt etwa in Uganda - Homosexualität gar unter Strafe stellen.

Das Christentum scheint, wie auch die anderen abrahamitischen Weltreligionen, Judentum und Islam, seine liebe Not mit dem Thema zu haben. Der ugandische Präsident Yoweri Museveni ist ein strenggläubiger Evangelikaler. Er gehört damit jener bibeltreuen Strömung des Christentums an, die beispielsweise auch in den USA immer wieder für Kritik von Menschenrechtlern und Homosexuellen-Communitys sorgen.

Männer mit selbstgeschriebenen Plakaten mit Anti-Homosexuellen-Parolen

Reuters/Edward Echwalu

Evangelikale Christen machten in Uganda Stimmung für das neue Gesetz gegen Homosexuelle

Christentum ist gleich Homophobie - so einfach ist die Formel dann aber doch nicht, denn in fast allen christlichen Kirchen finden sich auch differenzierte Standpunkte zum Thema, die bis zu einer Befürwortung der völligen Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Menschen gehen.

Die Bibel als Quelle der Homophobie

Jene konservativen christlichen Kreise, die Homosexualität als widernatürlich betrachten und Schwule und Lesben „umerziehen“ oder gar „heilen“ wollen, beziehen ihre Argumente meist direkt aus der Bibel. „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel“ heißt es zum Beispiel im Buch Levitikus im Alten Testament.

Die historisch-kritische Bibelwissenschaft weist allerdings darauf hin, dass diese und ähnliche Passagen, im Alten wie im Neuen Testament, sich meist konkret gegen sexuelle Praktiken richteten, die in den jeweiligen Gesellschaften, von denen sich die Autoren der Texte abgrenzen wollten, üblich waren. Von einer Wahrnehmung der Homosexualität als tief in der Persönlichkeit eines Menschen verankertes Merkmal konnte zu dieser Zeit noch keine Rede sein.

Sodom und Gommorha

In den biblischen Texten werde also, so die Interpretation moderner Bibelwissenschaftler, von homosexuellen Handlungen durch heterosexuelle Menschen ausgegangen. So auch in der Geschichte von Sodom und Gomorrha im Alten Testament, in der Gott zwei Engel zu Lot nach Sodom schickt, um den dort angeblich herrschenden Sittenverfall zu überprüfen. Die Sodomiter verlangen von Lot, dass er die beiden Gäste nach draußen schickt, um - so die deutsche Einheitsübersetzung der Bibel - „mit ihnen zu verkehren“.

Über die Jahrhunderte haben sich allerdings auch andere Deutungsmuster dieser Stelle herauskristallisiert. Je nach Übersetzung heißt es nämlich nicht „verkehren“, sondern beispielsweise „über sie hermachen“ oder sogar wörtlicher „kennenlernen“. Aus diesen Unklarheiten resultieren auch Deutungen, die die in der Geschichte darauf folgende Zerstörung von Sodom und Gomorrha gar nicht auf homosexuelles Verhalten, sondern auf die fehlende Gastfreundschaft der Sodomiter zurückführen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass in der Legende von Lots Besuchern und den Sodomitern Vergewaltigung gemeint war, dann sei der Gewaltakt zu verurteilen, nicht aber der homosexuelle Akt an sich, so ein weiteres Argumentationsmuster liberaler Bibelexegeten.

Differenzierte Positionen

Heute gibt es jedenfalls in bzw. zwischen den christlichen Kirchen sehr unterschiedliche Positionen zur Homosexualität - und zwar sowohl in der Morallehre als auch in der daraus resultierenden Praxis. In der römisch-katholischen Kirche etwa wird ein klarer Unterschied gemacht zwischen homosexuellen Neigungen und homosexuellen Taten. Während Erstere per se noch nicht als Sünde gewertet werden, sind homosexuelle Menschen laut der katholischen Lehre zur Enthaltsamkeit aufgefordert. Gehen sie ihren Neigungen nach, begehen sie eine Sünde.

Homosexuelle Verhaltensweisen „verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen“, heißt es im Katechismus der katholischen Kirche. „Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“ Gleichzeitig aber heißt es im darauf folgenden Absatz in Bezug auf homosexuelle Menschen, man solle ihnen mit „Achtung, Mitleid und Takt“ begegnen. „Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“

Letzteres steht offenbar auch für Papst Franziskus im Vordergrund, der mit seiner bisher einzigen konkreten Aussage zur Homosexualität für Aufsehen gesorgt hat: „Wenn jemand schwul ist und den Herrn sucht, wer bin ich, um ihn zu verurteilen? Man darf diese Personen nicht diskriminieren oder ausgrenzen“, sagt er im vergangenen Sommer beim Rückflug vom Weltjugendtag in Brasilien nach Rom.

Zugeständnisse in der Praxis

In der Praxis resultieren daraus sehr unterschiedliche Zugänge zum Umgang mit Homosexuellen. Während die katholische Hierarchie überall auf der Welt mehr oder weniger geschlossen gegen homosexuelle Partnerschaften auftritt, gibt es immer wieder auch Zugeständnisse. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn aus dem Jahr 2012, einen gewählten Pfarrgemeinderat in seiner Diözese, der in einer Beziehung mit einem Mann lebt, in seinem Amt zu bestätigen.

Das katholische Kirchenvolk und auch Teile des Klerus vertreten ohnehin oft einen weitaus toleranteren Standpunkt, wie zahlreiche Studien belegen. Zuletzt sorgte etwa die weltweite Umfrage des Vatikans zur Vorbereitung der Bischofssynode zu Familienfragen für Aufsehen, in der sich in vielen Ländern die Hälfte der Katholiken und teilweise noch mehr für eine Gleichstellung von Homosexuellen aussprachen.

Keine Einheit unter Protestanten

In den protestantischen Kirchen ist die Bandbreite auch schon auf institutioneller Ebene sehr groß. Während die einen Homosexualität verdammen und keine gleichgeschlechtlich orientierten Mitglieder dulden, sind diese in anderen Kirchen willkommen und völlig gleichberechtigt - sogar bis in kirchliche Weiheämter hinein.

Wie kontrovers das Thema auch innerhalb der Kirchen behandelt wird, zeigt etwa die Diskussion um die 2013 veröffentlichte „Orientierungshilfe“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Darin hatte sich die Kirchenleitung für eine Erweiterung des klassischen Familienbegriffs ausgesprochen. „Gleichgeschlechtliche Partnerschaften, in denen sich Menschen zu einem verbindlichen und verantwortlichen Miteinander verpflichten“ seien „auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen“, heißt es in dem Papier, das in der Folge innerkirchlich und auch von anderen Kirchen teils heftig kritisiert wurde.

Uneinigkeit bei Segnungsfeiern

Andere protestantische Kirchen - vor allem im Bereich der evangelikalen oder charismatischen Freikirchen - stehen homosexuellen Partnerschaften ähnlich wie die katholische Kirche sehr kritisch oder sogar ablehnend gegenüber. Die medial meistdiskutierten Fälle von Diskriminierung Homosexueller aus christlicher Motivation heraus kommen meist aus evangelikalen Kreisen in den USA. Zuletzt machte etwa ein letztlich doch noch verhindertes Gesetz in Arizona Schlagzeilen, dass es Geschäftsleuten erlauben sollte, homosexuelle Kunden aus religiösen Gründen abzulehnen - mehr dazu in Arizona: Heftige Kritik an geplantem Religionsgesetz und Arizona: Gouverneurin verhindert Religionsgesetz.

Uneins sind sich die Kirchen auch in der Frage, ob standesamtlich geschlossene gleichgeschlechtliche Partnerschaften in einer kirchlichen Zeremonie gesegnet werden dürfen. In der katholischen Kirche ist das jedenfalls nicht zulässig, bei den Protestanten von Kirche zu Kirche und von Land zu Land unterschiedlich. In Österreich ist die Segnung eines homosexuellen Paares in einem öffentlichen Gottesdienst bei den Reformierten (Helvetisches Bekenntnis) möglich, bei den Lutheranern (Augsburger Bekenntnis) aber nicht. Letztere erlauben lediglich eine Segnung „im seelsorgerlichen Rahmen“.

Bischof Gene Robinson bei der Übernahme des Bischofsstabs vom seinem Vorgänger

Reuters/Brian Snyder

Bischof Gene Robinson von New Hampshire (l.) war der erste offen homosexuell lebende Bischof in einer anglikanischen Kirche

Streit bei Anglikanern, Einheit bei Orthodoxen

Viel diskutiert wird über das Thema auch bei den Anglikanern. Sowohl die Frage der Segnungsfeiern als auch jene von Homosexuellen in kirchlichen Weiheämtern wurde in vielen der weltweiten Landeskirchen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten teils sehr kontrovers diskutiert. In einigen Teilkirchen gibt es sogar offen homosexuell lebende Geistliche in Bischofsämtern. Der erst von ihnen war der Bischof von New Hampshire der US-amerikanischen Episcopal Church, Gene Robinson, der 2003 geweiht wurde. Grundsätzlich stehen die anglikanischen Kirchen Europas und Nordamerikas homosexuellen Partnerschaften eher offen gegenüber, während sich jene in den Ländern der dritten Welt eher kritisch äußern.

Weitgehend einig in ihrer Haltung gegenüber Homosexuellen sind sich dagegen die orthodoxen Kirchen. Sie betrachten homosexuelle Handlungen als Sünde, schließen Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren kategorisch aus stehen in offener Opposition zu gesetzlichen Regelungen, die homosexuelle mit heterosexuellen Beziehungen gleichstellen. Besondere Beachtung fand hier kürzlich etwa die Forderung nach einem Referendum über ein Verbot homosexueller Aktivitäten im Jänner - mehr dazu in Homosexuelle: Russlands Kirche für Verbotsreferendum.

Die altkatholische Kirche erkennt die Tatsache an, dass es homosexuell lebende Menschen gibt. Auch sie sind Menschen und daher Teil der christlichen Gemeinde, so die Position der Altkatholiken. Die österreichische Synode beschloss 1997, für homosexuelle Paare, die schon längere Zeit zusammen leben, die Möglichkeit eines kirchlichen Segens zu schaffen, der aber mit einer sakramentalen und staatlichen Eheschließung (laut derzeit geltender österreichischer Gesetzeslage) nichts zu tun hat.

Michael Weiß, religion.ORF.at