Wiederverheiratete: Theologe will Licht in Grauzonen

Hoffnung auf eine Neuregelung des kirchlichen Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen hat der Dogmatiker Jan-Heiner Tück in der aktuellen Ausgabe der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) geäußert.

Eine klare Entscheidung auf der kommenden Sondersynode im Herbst und eine Ratifizierung der Vorschläge, die Kurienkardinal Walter Kasper bei seinem Vortrag vor dem Kardinalkollegium im Februar über die Familie präsentiert hat, sei zu wünschen, so der Wiener Theologe.

Licht würde somit „in jene Grauzonen gebracht werden, in denen Seelsorger heute nicht selten agieren, wenn sie wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion reichen, ohne dass dies offiziell erlaubt wäre“.

Kaspers Vorstoß nicht neu

Papst Franziskus wolle allem Anschein nach produktiv mit der beträchtlichen Kluft umgehen, die laut der Vatikan-Familienumfrage zwischen der offiziellen Lehre und dem Leben der Menschen bestehe, so Tück. „Bemerkenswert“ sei dabei, dass er just Kaspar für den Vortrag „Das Evangelium von der Familie“ vor dem versammelten Kardinalskollegium im Februar ausgewählt habe, zumal dieser 1993 einen Vorstoß zu einem sensibleren Umgang der Seelsorge mit wiederverheirateten Geschiedenen gemacht hatte.

Damals schlug Kaspar gemeinsam mit seinen Bischofskollegen Karl Lehmann und Oskar Saier vor, Betroffene auf Grundlage ihres Gewissensurteils in bestimmten Fällen wieder zu den Sakramenten zuzulassen. Kaspar scheiterte am Präfekten der Glaubenskongregation, dem späteren Papst Kardinal Joseph Ratzinger. Dessen Begründung, das subjektive Gewissen dürfe nicht über Bestehen oder Nichtbestehen der vorausgegangenen Ehe urteilen und die Kirchenlehre von der Unauflöslichkeit der Ehe nicht verdunkelt werden, unterstrich jüngst auch sein Nachfolger in diesem Amt, Gerhard Ludwig Müller. „Dennoch hat Franziskus nicht Müller, sondern den einst getadelten Kasper vortragen lassen - und seine Rede demonstrativ gelobt“, hob Tück hervor.

Kasper: „Situationsgerechte“ Lösung finden

Kaspar hatte in seiner Rede vor dem Konsistorium betont, es gebe keine „einfachen Lösungen“ für wiederverheiratete Geschiedene. Das strenge Wort Jesu von der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe müsse dennoch eingebettet werden in dessen Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes, der jeden Sünder, der umkehrt, mit einladenden Armen empfange. Ein Mittelweg zwischen Rigorismus und Laxismus sei nötig, so der deutsche Kurienkardinal, mit differenzierter Aufarbeitung der Einzelfälle.

Hätten die Betroffenen die Situation der Kinder geklärt, sich mit dem ehemaligen Partner ausgesöhnt, ihre Schuld ehrlich bereut, die eingegangenen neuen Verbindlichkeiten in Verantwortung übernommen und würden aktiv am Leben der Kirche teilnehmen, müsse man ernsthaft fragen, ob ihnen die Kommunion noch verweigert werden könne.

Tück bezeichnete diesen Zugang als „Votum dafür, im Lichte der Barmherzigkeit eine situationsgerechte Lösung für die Betroffenen zu suchen“. Kaspar sei über seinen einstigen Vorstoß hinausgegangen, wenn er in seiner aktuellen Rede auch die Einsetzung erfahrener Priester in den Diözesen gefordert habe, die den Prozess der Umkehr begleiten und die Wiederzulassung zu den Sakramenten amtlich bescheinigen. Dies würde Klarheit schaffen und die Priester entlasten, vor Ort je neu nach Lösungen suchen zu müssen.

KAP

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