Mormonen: Fasten das ganze Jahr über

Während für viele Christen die vorösterliche Fastenzeit zu Ende geht, fasten Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) in dieser Zeit nicht, sondern das ganze Jahr hindurch jeden ersten Sonntag im Monat.

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints) ist die größte von etwa 70 Gemeinschaften, die sich auf das Buch Mormon berufen. Für Anhänger der HLT spielen Ostern und der christliche Glaube an die Auferstehung zwar eine zentrale Rolle, die 40-tägige Fastenzeit davor finde sich aber in keiner der heiligen Schriften, zu denen für die „Heiligen der Letzten Tage“ (HLT) neben der Bibel auch das Buch Mormon zählt, erklärt Thomas Soucek, „Ratgeber“ (Stellvertreter) des Pfahlpräsidenten (Leiter) in Wien, im Gespräch mit religion.ORF.at.

Pfähle

Pfähle sind die Verwaltungseinheiten der Kirche der HLT - ähnlich katholischer oder protestantischer Diözesen. In Österreich gibt es zwei Pfähle (je einen in Wien und in Salzburg), in denen insgesamt 17 Gemeinden vereint sind.

Davon, beim Fasten auf andere Dinge als Essen und Trinken zu verzichten, wie es bei Katholiken und Protestanten oft üblich ist, hält Soucek nicht viel. Aus den Schriften gehe eindeutig hervor, dass mit Fasten der Verzicht auf Speisen und Getränke gemeint ist, nicht nur auf Fleisch, Süßigkeiten, oder Autofahren, so Soucek. Zwei aufeinanderfolgende Mahlzeiten werden an Fasttagen ausgelassen, Getränke ebenfalls.

Der Mormonen-Tempel in Salt Lake City

Reuters/George Frey

Der Mormonen-Tempel in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah - Hauptsitz der HLT]

Großzügig spenden statt essen und trinken

In Summe soll 24 Stunden gefastet werden. Soucek etwa fastet von Samstagmittag bis Sonntagmittag oder vom Abendessen bis zum nächsten Abendessen. Die Summe, die durch den Verzicht gespart wird, werde als sogenanntes Fastopfer gespendet und man sei aufgerufen, diesbezüglich großzügig zu sein, sagt Soucek. Zunächst wird ihm zufolge das Geld intern verwendet - etwa bei finanziellen Engpässen einzelner Familien.

Das Buch Mormon

Das Buch Mormon entstammt der Feder von Joseph Smith, dem Religionsgründer der Mormonen. Im Glauben der Mormonen übersetzte Smith mit Hilfe hellseherischer Fähigkeiten Zeichen, die der Prophet Mormon in goldene Platten eingraviert hatte. Diese Platten wurden ihm demzufolge von einem Engel übergeben, nach Beendigung der „Übersetzung“ der Zeichen musste Smith die Platten wieder zurückgeben.

Überschüsse an Spendengeldern würden in übergeordnete Töpfe der Gemeinden und Pfähle fließen und auch für humanitäre Hilfe verwendet. In seltenen Fällen rufen Mormonen ihre Mitglieder zu einem zusätzlichen Fasttag auf, um in bestimmten Katastrophensituationen zu helfen. Bei dem schweren Hochwasser 2003 wurde beispielsweise so ein Fasttag bei den Mormonen in einigen deutschen Bundesländern ausgerufen - das gespendete Geld wurde an Betroffene in ganz Europa übergeben.

Fasten und Beten für Körper und Geist

Das Fasten der Mormonen geht laut Soucek immer mit Gebeten einher, bei denen man sich mit einem Anliegen oder einer Bitte an Gott wendet: „Man wendet sich bei Problemen zum Beispiel wegen einer Krankheit mit Gebeten an Gott.“ Soucek berichtet im Gespräch mit religion.ORF.at von dem Fall einer jungen Mutter, die an Zungenkrebs erkrankt war, für die die Gemeinschaft einen zusätzlichen Fasttag eingelegt habe. Mit Erfolg, denn die Frau wurde geheilt.

Abendmahl (Eucharistie) bei den Mormonen.  Zwei Männer reichen Brot und Wasser an zwei Burschen.

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Beim Abendmahl der Mormonen werden Brot und Wasser gereicht

Die Gebete und das Fasten haben zur Heilung beigetragen, ist Soucek überzeugt, denn diese würden spezielle geistige Kräfte aktivieren, um Veränderungen herbeizuführen. Verliert ein Mensch den Kampf gegen eine Krankheit trotz des Einsatzes der Gemeinschaft, so wird das hingenommen. „Das Fasten erleichtert auch das Akzeptieren der Dinge, wie sie sind“, so Soucek. Der „Vater im Himmel“, wie Mormonen Gott in ihren Gebeten ansprechen, greife in manchen Fällen ein, aber nicht in allen.

Teilnahme an der „Zeugnisversammlung“

Mormonen fasten also, um eine Veränderung zu bewirken, aber auch für Vergebung. Zum Fasten gehört auch die Teilnahme an der „Zeugnisversammlung“ im Rahmen der sonntäglichen Abendmahlsversammlung (dem Gottesdienst der Mormonen). Dabei können Mitglieder ihre Erfahrungen oder Erkenntnisse spontan öffentlich kundtun.

Nach eigenen Angaben haben die Heiligen der letzten Tage etwa 15 Millionen Mitglieder weltweit. Fast die Hälfte der Anhänger lebt in den USA, wo die Bewegung 1830 gegründet wurde. Der Hauptsitz befindet sich in der 1847 von Mormonen gegründeten Stadt Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah, wo Mormonen die Bevölkerungsmehrheit stellen. In Österreich haben sie eigenen Angaben zufolge etwa 4.300 Mitglieder. Bei der Volkszählung 2011 gaben 2.236 Personen ihre Zugehörigkeit zu dieser Religionsgemeinschaft an. In Österreich sind die Mormonen seit 1955 staatlich anerkannt.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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