Kirchenhistoriker äußert Skepsis über „Santo subito“

Der prominente deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf steht der Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. am 27. April in Rom skeptisch gegenüber.

„Mir geht die Heiligsprechung von Johannes Paul II. zu schnell“, sagte Wolf in einem Gespräch mit Kathpress anlässlich eines Vortrages in Wien. Die Kirchengeschichte kenne Jahrhunderte ohne einen einzigen heiligen Papst - „und plötzlich haben wir jetzt ein Jahrhundert, in dem jeder zweite Papst heiliggesprochen wird. Das macht einen erstmal skeptisch.“

Die Kirche habe nicht umsonst ein ausgefeiltes, gestuftes Verfahren, das beim zweiten Kanonisierten, Johannes XXIII., entsprechend lange gedauert habe. Mit Ausnahmen sollte man da zurückhaltend sein. „‚Santo subito‘ ist immer schwierig“, so Wolf.

Problematische Häufung

Problematisch sei die Häufung gerade der Heiligsprechungen von Päpsten etwa im Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965): Wenn man ernst nehme, dass das Konzil Kirche vornehmlich als „wanderndes Gottesvolk“ verstanden hat, so müsste das bedeuten, entsprechend den Päpsten „auch jeden zweiten katholischen Arbeiter heiligzusprechen“, so Wolf. „Natürlich soll jeder Papst auch die Chance haben, heiliggesprochen zu werden, in der Häufung in den letzten 150 Jahren sehe ich jedoch eine deutliche Unausgewogenheit.“

Johannes Paul II. steigt im Juni 1984 aus einem Hubschrauber

APA/Keystone/str

Das Heiligsprechungsverfahren von Johannes Paul II. war das kürzeste der Neuzeit

Positiv hingegen sieht Wolf, dass die beiden Päpste gemeinsam heiliggesprochen werden, da dies die Breite des Katholischen im Blick auf das päpstliche Amtsverständnis repräsentiere: „Johannes Paul II. und Johannes XXIII. stehen für zwei unterschiedliche Typen des Petrusdienstes. Wenn diese beiden nun gemeinsam zu den Ehren der Altäre erhoben werden, wird damit nicht ein enges, einheitliches Bild von Kirche vermittelt, sondern die ganze Weite des Katholischen. Daher ist es gut, dass es so einen ‚Doppelschlag‘ gibt.“

Vorbehalte von Kardinal Martini

Am Mittwoch hatte die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera"unter Berufung auf nicht zugängliche Prozessakten berichtet, der prominente frühere Mailänder Erzbischof Kardinal Carlo Maria Martini (1927 bis 2012) habe als Zeuge Vorbehalte zur Heiligsprechung Johannes Paul II. geäußert. "Ich möchte die Notwendigkeit seiner Heiligsprechung nicht besonders unterstreichen, da mir scheint, dass das historische Zeugnis seiner ernsten Hingabe für die Kirche und für den Dienst an den Seelen ausreicht“, zitierte die Zeitung aus Martinis Stellungnahme aus dem Jahr 2007 - mehr dazu in Martini: Bedenken gegen Wojtyla-Heiligsprechung.

Johannes Paul II. wird am 27. April zusammen mit Johannes XXIII. in Rom heiliggesprochen. Sein Verfahren war das kürzeste der Neuzeit. Insgesamt wurden 114 Zeugen angehört, unter ihnen 35 Kardinäle, 20 Bischöfe und ein jüdischer Vertreter.

religion.ORF.at/KAP