UNO-Juristin fordert Vatikan-Haftung für Missbrauch

Ein Expertenkomitee der Vereinten Nationen hat dem Vatikan eine einengende Auslegung der Anti-Folter-Konvention vorgeworfen. Erzbischof Silvano Tomasi wies in Genf die Vorwürfe umgehend zurück.

In der Debatte über den turnusmäßigen Bericht zur Umsetzung der UNO-Anti-Folter-Konvention durch den Heiligen Stuhl am Montag in Genf äußerte sich die US-Juristin Felice Gaer „besorgt“ über die Sichtweise des Vatikans, das Abkommen sei nur auf das Territorium des Vatikanstaates und dessen Justizpersonal anzuwenden. Eine solche Interpretation würde „bedeutende Lücken“ in der Umsetzung darstellen. Dabei verwies Gaer auch auf sexuelle Übergriffe durch Kleriker.

Der ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi, wies umgehend den Vorwurf zurück, der Vatikan lege die Antifolterkonvention zu eng aus, weil er sie nur auf sein kleines Gebiet und nicht auf alle Mitarbeiter der Kirche anwenden wolle. Der Vatikan sieht sich demnach im Kampf gegen Folter auf einer Linie mit den Vereinten Nationen.

Erzbischof Silvano Tomasi beim Uno-Anti-Folter-Komitee

APA/EPA/Salvatore di Nolfi

Der ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi bei seinem Hearing am 5. Mai

Konvention für das gesamte Völkerrechtssubjekt gültig

Der Vatikan dürfe keinen „sicheren Hafen“ für Schuldige schaffen, so Gaer. Die Konvention dürfe weder nur auf einen Teil des Völkerrechtssubjekts des Heiligen Stuhls noch nur auf einen eingegrenzten Personenkreis angewandt werden. Der Vatikan hatte bereits im Vorfeld der Überprüfung seine Auffassung dargelegt, der Verpflichtungsbereich des Antifolterabkommens erstrecke sich ausschließlich auf den Bereich des Vatikanstaates. Der Heilige Stuhl vertritt jedoch nicht nur den Vatikanstaat, sondern die die gesamte katholische Kirche. Der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt des Vatikans trat der UNO-Antifolterkonvention 2002 bei.

Ferner verlangte Gaer Rechenschaft über die späte Vorlage des Berichts und über mögliche Maßnahmen gegen Mitarbeiter der vatikanischen Gendarmerie und der Schweizergarde bei eventuellen Übergriffen. Der Heilige Stuhl hat erstmals den Vereinten Nationen einen Rechenschaftsbericht über die Anwendung der Antifolterkonvention vorgelegt. Das UNO-Komitee gegen Folter erörtert ihn mit einer Vatikandelegation unter Leitung des päpstlichen Botschafters Silvano Tomasi am Montag und Dienstag. Die abschließenden Beobachtungen sollen am 23. Mai vorgestellt werden.

Heiliger Stuhl warnt vor „ideologischem Druck“

Kurz vor der Überprüfung durch das Anti-Folter-Komitee der UNO hatte sich der Heilige Stuhl auch gegen „ideologischen Druck“ verwahrt, der von bestimmten Nichtregierungsorganisationen ausginge. Ergänzend zu dem 23 Seiten umfassenden Bericht des Heiligen Stuhls hatten mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen Stellungnahmen eingereicht, darunter der US-amerikanische Verband von Missbrauchsopfern SNAP und das „Child Rights Information Network“ in London.

Die Diskussion um sexuellen Missbrauch Minderjähriger gehöre in den Bereich der internationalen Kinderschutzkonvention, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Das Thema Kindesmissbrauch solle nicht in die Diskussion über Anti-Folter-Standards im Vatikan hineingetragen werden, erklärte Lombardi am Freitag. Wenn sich UNO-Komitees darauf einließen, schadeten sie ihrem Ansehen, warnte Lombardi.

Schon bei der Prüfung des entsprechenden Berichts des Vatikanstaates im Januar habe das zuständige UNO-Komitee in Genf Fragen aufgeworfen, „die nicht streng an den Text der Konvention gebunden waren“, sondern eine weite Interpretation des Abkommens zugrundegelegt hätten, so Lombardi.

religion.ORF.at/KAP

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