Geistheiler in Salzburg: Retter oder Scharlatan?

Joao de Deus ist ein „Geistheiler“, gleichermaßen beliebt wie umstritten. Millionen soll er schon geheilt haben. Kritiker reden von Täuschung. Vergangenes Wochenende war er in Salzburg und „behandelte“ Hunderte Menschen.

Weiße Hosen, weiße Schuhe, weiße Hemden: Immer mehr Menschen, komplett weiß gekleidet, steigen in den Salzburger Obus der Linie 1. Bei der Endstation Salzburgarena sind bunt angezogene Menschen dann eindeutig in der Minderheit. Hunderte Besucher der „Geistheilungstage“ prägen von Freitag bis Sonntag das Bild auf dem Gelände der Salzburger Messe.

Die Farbe Weiß soll empfänglich machen für die göttliche Kraft, die die Menschen hier zu erhalten hoffen. Medium dafür ist Joao de Deus, ein 72-jähriger Brasilianer. In wenigen Minuten soll er auf die kleine Bühne kommen. Inzwischen erzählen Organisatoren von dem Heiler aus Südamerika.

Joao de Deus - Geistheilungstage Salzburg

ORF/Marcus Marschalek

Hunderte Menschen wollten in Salzburg von Joao de Deus „geheilt“ werden

Mit 16 Jahren habe Joao de Deus, der damals noch Teixeira da Faria hieß, seine mediale Begabung entdeckt und sei plötzlich immer wieder in Trance gefallen. Ohne es bewusst zu merken, habe er damals Hunderte Menschen behandelt und viele von ihnen geheilt.

Millionen angeblicher Heilungen

Teixeira da Faria hatte kaum Schulbildung und war zuvor als Hilfsarbeiter tätig. Fünf Jahrzehnte später ist er für seine Anhänger so etwas wie ein Star unter den vielen Heilern Brasiliens. Millionen Menschen habe er bereits von psychischen und physischen Krankheiten befreit, erzählen seine Anhänger auf der Bühne in Salzburg.

Plötzlich wird es hektisch im Saal, einige beginnen zu klatschen, dann steht Joao de Deus auch schon vor den neugierigen Besuchern. Viele sind das erste Mal dabei und fast alle haben schwer unter einer geistigen oder körperlichen Krankheit zu leiden. Ein Mann aus Linz erzählt von seiner Diagnose: Krebs. Unheilbar. Die Ärzte hätten ihm nur noch ein paar Monate gegeben.

Joao de Deus - Geistheilungstage Salzburg

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Es sei nicht er, der wirke, vielmehr nähmen Wesenheiten von seinem Körper Besitz und wirkten durch ihn, erzählt Joao de Deus auf der Bühne

„Die vorangegangenen Chemotherapien waren schrecklich. Der Moment, wo das Gift durch deinen Körper schießt, ist furchtbar“, erzählt der Mann. „Doch ich spüre, mein Zeitpunkt zu gehen ist noch nicht gekommen. 2023 möchte ich mit Haien auf den Malediven schwimmen“, so der Mann. Die Begegnung mit Joao de Deus sei wie ein „Strohhalm zum Klammern, um weiterzuleben“.

Religionsmix

Das „Vater Unser“-Gebet wird angestimmt und gleich darauf folgt ein „Ave Maria“. Alle beten mit. Dann spricht Joao de Deos auf Portugiesisch zu den Menschen. Es sei nicht seine Kraft, nicht er wirke, sondern 36 „Wesenheiten“, wie etwa Ignatius von Loyola, Franz von Assisi oder König Salomon.

Auch verstorbene Ärzte werden immer wieder genannt, zum Beispiel Dr. Adolf Fritz. In der Szene ist Dr. Fritz den Menschen als ein deutscher Arzt bekannt, der im Ersten Weltkrieg gestorben sein soll. Schon vor Joao de Deus soll er durch mehrere andere brasilianische Geistheiler gewirkt haben. Ob er jemals wirklich existiert hat, ist unklar.

Joao de Deus - Geistheilungstage Salzburg

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Viele Menschen sind mit großer Hoffnung auf Heilung ihrer psychischen und physischen Krankheiten und Probleme gekommen

In Salzburg erklärt Joao de Deos gleich zu Beginn seines Auftritts, dass immer wieder eine dieser „Entitäten“ von seinem Körper Besitz ergreife und mit göttlicher Energie wirke. Katholizismus trifft hier auf New Age und Geisterglauben. Im Publikum sitzen Muslime neben Katholiken, Anhänger von östlichen Religionen neben Praktizierenden esoterischer Rituale. Alle Religionen führten letztlich zum selben Ziel, ob Allah, Shiva oder Gott, das seien nur Namen für ein und dieselbe göttliche Kraft, erzählt Victor Rollhausen.

Geschäft mit dem Heil

Mit seiner Kölner Eventagentur Earth Oasis hat Rollhausen Joao de Deus schon mehrfach nach Deutschland oder Österreich gebracht. Auch die Geistheilungstage in Salzburg hat er organisiert. Vor zehn Jahren habe er Joao de Deus kennen gelernt und aus seiner Begeisterung für den Geistheiler auch ein Geschäft gemacht, sagt Rollhausen, inklusive Reisebüro und Eventagentur sowie Heilkräuter- und Heilkristallverkauf. Rund hundert Euro Eintritt pro Tag verlangt er nun von den Hilfesuchenden bei den Geistheilungstagen.

Die große Halle der Salzburgarena hat Rollhausen durch Trennwände in vier unterschiedliche Bereiche teilen lassen. Im Bühnenbereich sammeln sich alle, die Joao de Deus begegnen möchten. In einer langen Schlange schreiten sie nun durch den zweiten Bereich, in dem einige Hundert Menschen schon seit Stunden in Stille meditieren und so die Arbeit von Joao de Deus unterstützen wollen. Von dort geht es zum Medium selbst.

Jaoa de Deus hat einem seiner Vertrauten die Hand gereicht, dann durchströmt ihn ein Zucken. Jetzt sei er von einer „Entität“ ergriffen, erklärt Victor Rollhausen. Die Hilfesuchenden strömen nun vorbei, geben Joao de Deus für ein paar Sekunden die Hand und hoffen auf eine „spirituelle Intervention“.

Weiße Kleidung und blutige Rituale

Veranstalter Rollhausen ist sehr darauf bedacht, dass in Europa Worte wie „Operation“ oder „medizinische Behandlung“ im Zusammenhang mit Joao de Deus vermieden werden. Immer wieder betont er, dass die Geistheilung kein Ersatz für medizinische oder medikamentöse Behandlungen sei, nicht zuletzt deswegen, weil die österreichische Ärztekammer Veranstaltungen dieser Art sehr kritisch gegenübersteht und bei Gesetzesverstößen sofort mit Klagen droht.

Joao de Deus - Geistheilungstage Salzburg

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In langen Schlangen ziehen die Gläubigen bei Joao de Deus vorbei, berühren ihn kurz und hoffen auf Heilung

Anders in Brasilien. Hier sind die Geistbehandlungen durch Joao de Deus, der keinerlei medizinische Ausbildung absolviert hat, durchaus blutig. Videos auf YouTube zeigen, wie der Geistheiler mit Scheren in Nasen herumfährt, mit Messern an der Augenhornhaut kratzt oder mit bloßer Hand durch einen Schnitt in den Bauchraum greift. Die Fähigkeiten dazu hätte er auf Grund von 30 „Doktor-Entitäten“, denen er seinen Körper zur Verfügung stelle, wie man über Joao de Deus auf Websites von Fans lesen kann.

Victor Rollhausen war schon oft bei Operationen dabei. Über 70 Mal sei er schon in Brasilien, an der Wirkungsstätte von Joao de Deus, der Casa Dom Ignacio de Loyola in Abadiania, gewesen. „Die blutigen Eingriffe werden alle ohne Betäubung und Desinfektionsmittel durchgeführt“, erzählt er im Gespräch mit religion.ORF.at.

Kritik und die dunklen Seiten der Geister

Obwohl es in Brasilien eine lange Tradition von Geistheilern gibt, ist Joao de Deus umstritten. Vor allem zu Beginn seiner Tätigkeit wurde er öfter polizeilich verfolgt. Auch mit Ärzten gab und gibt es immer wieder Konflikte. Viele werfen ihm Scharlatanerie vor. Seine Operationen seien geschickte trickreiche Inszenierungen mit Tierblut und Tierorganen, liest man etwa im Internetforum psiram, das sich kritisch mit „irrationalen Überzeugungssystemen“ auseinandersetzt.

Gleichzeitig schwören viele Menschen, durch eine Begegnung mit Joao de Deus geheilt worden zu sein. So auch die Schweizerin Beatrice Wiesli. Bei den Geistheilungstagen in der Salzburgarena erzählt sie auf der Bühne von ihrer genetisch bedingten Myotomen Muskeldystrophie, einer progressiven Muskelkrankheit. In der Begegnung mit Joao de Deus habe sie erfahren, dass sie geheilt sei. Allerdings sei die Krankheit auch zuvor bei ihr nicht ausgebrochen gewesen, was das „Heilungswunder“ aus medizinischer Sicht in den Bereich des „Normalen“ rückt, wie Kritiker anmerken.

Umfangreiche, systematische medizinische Untersuchungen der angeblichen Heilungserfolge gibt es bis heute nicht. Immer wieder wurden aber in Zuge von TV-Dokumentationen Patienten über mehrere Monate mit der Kamera begleitet. In einigen Fällen kam es dabei zu medizinisch nicht erklärbaren dokumentierten Verbesserungen der Krankheitsbilder.

Joao de Deus - Geistheilungstage Salzburg

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Beatrice Wiesli sieht sich als von Joao de Deus von Muskeldystrophie Geheilte

Man hört und liest aber auch von ganz anderen Berührungen durch den Geistheiler. 2006 berichten zwei Mitarbeiterinnen der Eventagentur Earth Oasis von sexuellen Übergriffen von Joao de Deus in seinem kleinen Ruheraum in Abadiania. „Nach diesen für uns schockierenden Schilderungen, die sich mit den inzwischen erhaltenen Aussagen anderer Frauen in Europa und Brasilien decken, konnten wir nur eine mögliche Konsequenz ziehen: Medium Joao dringend aufzufordern, von seinem Besuch der 4. Geistheilungstage in Berlin, Alsfeld und Ulm Abstand zu nehmen“, schrieb Earth Oasis damals.

Viele Anhängerinnen und Anhänger waren damals schockiert und versuchten ihr Idol zu verteidigen. Er sei „in diesen speziellen Fällen von einem Geistwesen besetzt und hat keinen Einfluss auf seine Handlungen“, so die Verteidigungsversuche der sexuellen Übergriffe von Joao de Deus. Heute scheint Earth Oasis diesbezüglich kein Probem mehr mit Joao de Deus zu haben. Die Firma arbeitet wieder mit dem brasilianischen Geistheiler zusammen.

Hoffnung auf Genesung

Hunderte Menschen ziehen in der Salzburgarena an dem „Geistheiler“ vorbei. Im Gespräch mit religion.ORF.at erzählen viele, dass es ihnen nicht um Wissenschaftlichkeit gehe. Es genügten die Berichte von denen, die von kleineren oder größeren Genesungsfortschritten erzählen. Das gebe Hoffnung. Manche kommen bereits zum zweiten Mal und haben bereits am eigenen Leib Besserung erfahren. Auch sei es die Gemeinschaft hier, die sie fasziniere, erzählt eine junge Ärztin. Das gemeinsame Meditieren, die Rituale würden die Selbstheilungskräfte stärken. Einen Widerspruch zur Schulmedizin kann sie nicht erkennen. In den Arztpraxen geübte Medizin und Geistheilung würden sich wunderbar ergänzen, ist sie überzeugt.

Helfer sorgen für einen geordneten Ablauf. Sie geben den Hilfesuchenden kurze Befehle und achten auf die Einhaltung der Regeln. Durch das lange Warten und das Durchschreiten der Meditationsbereiche werden für viele die Begegnung mit Joao de Deus und die „spirituelle Intervention“ zum Höhepunkt des Tages. Danach werden alle in den nächsten Raum zur Unterweisung geschickt.

Die Macht der „Wesenheiten“

In verschiedenen Sprachen werden dort kurz die Vorgaben für eine wirksame Geistheilung erklärt: Zwölf Stunden Bettruhe nach der Begegnung mit Joao de Deus, sieben Tage lang körperliche Anstrengung vermeiden. Alle, die zum ersten Mal eine „Intervention“ erhalten haben, sollen für 40 Tage noch weitere Regeln einhalten: So ist etwa sexuelle Enthaltsamkeit vorgeschrieben, es gilt Alkoholverbot und Speisen dürfen nicht scharf gewürzt werden. Auch gibt ein Verbot, befruchtete Hühnereier zu essen. Dann wird ein Becher Suppe gereicht.

Joao de Deus - Geistheilungstage Salzburg

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Nach der Behandlung meditieren viele stundenlang gemeinsam im Saal

Auf die Frage nach dem Sinn so mancher Verbote erhält man hier keine langen Erklärungen, sondern einen Verweis auf göttliche Autorität: „Weil es die Wesenheiten so angeordnet haben.“ Eine transzendente Geistwelt und Kräfte außerhalb des menschlichen Vorstellungsvermögens werden hier von den meisten Besuchern als selbstverständlich vorausgesetzt. Groß ist das Vertrauen gegenüber dem Heiler und seinen Helfern als Mittler zwischen Jenseits und Diesseits. Was er und der engere Kreis der Organisatoren im Namen der Geistwesen verkünden, wird von vielen hier bedingungslos akzeptiert.

Drei Tage lang hat Joao de Deus in Salzburg ordiniert. Täglich sind Hunderte Menschen an ihm vorbeigezogen, haben ihn kurz berührt und sind dann stundenlang in Meditation versunken. Das Rahmenprogramm ist kaum erwähnenswert: ein paar Lieder, ein paar Berichte von Heilungen und ein paar Stände mit Produkten, die die spirituelle Heilung unterstützen sollen. Kräuter, Kristalle, Lichtbetten und gesegnetes Wasser werden von Mitarbeitern der Earth Oasis Agentur angeboten. Die Hoffnung auf Heilung ist auch ein gutes Geschäft.

Er sei kein esoterischer Typ, erzählt ein Mann beim Verlassen der Salzburgarena. Aber hier, nach der „spirituellen Intervention“, habe er wieder Mut und Hoffnung geschöpft, doch noch den Kampf gegen den Krebs zu gewinnen.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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