Fußball-WM: Warnung vor sexueller Ausbeutung

Katholische und andere Organisationen haben vor sexueller Ausbeutung, Menschenhandel und Kinderprostitution gewarnt. Vor allem die Prostitution von Minderjährigen sei ein riesiges Problem.

"Es gibt keine offiziellen Zahlen, auch weil die Prostitution von Minderjährigen streng verboten ist. Aber das „Forum gegen Kinderarbeit" hat die Anzahl der Kinderprostituierten bereits 2012 auf eine halbe Million geschätzt“, erklärte der Vorsitzende der Hilfsorganisation Jugend Eine Welt, Reinhard Heiserer. „Wir befürchten, dass es durch die WM zu einer Zunahme sexueller Gewalt gegen Kinder kommen wird.“

Bei den vergangenen beiden Weltmeisterschaften in Südafrika und Deutschland sei die sexuelle Ausbeutung um 30 bis 40 Prozent gestiegen, legten Vertreter von Ordensorganisationen gegen Menschenhandel - von Brasiliens „Un Grito pela Vida“ und der weltweiten „Talitha Kum“ - vergangene Woche im Vatikan dar.

Illusionen vom großen Glück

Laut Tiana Sento-Se, Vertreterin der brasilianischen Kinderrechtsorganisation ECPAT, machen sich viele Mädchen Illusionen: „Sie bemühen sich Englisch zu lernen und träumen vom großen Geld. Manche hoffen auf eine Heirat mit einem reichen Ausländer, der sie nach der WM mit nach Europa nimmt.“ Die Situation sei jedoch je nach Landesteil unterschiedlich. Während etwa in Rio der „Babystrich“ so gut wie unsichtbar sei, würden im besonders armen Nordosten des Landes immer wieder Minderjährige am Straßenrand angetroffen.

Ein Frauenkopf vor einer von Kindern bemalten Wand

Reuters/Ricardo Moraes

Schätzungen gehen von mindestens einer halben Million Kinderprostituierten in Brasilien aus

Miriam Jose dos Santos, Präsidentin des Nationalen Kinderrechtsrates, befürchtete außerdem, „dass Kinder während der WM außer Landes gebracht werden“. Diese Gefahr würde insbesondere im Amazonasgebiet bestehen, wo es innerhalb des großen Regenwaldes kaum Kontrollen gibt.

„Nachfrage nach Prostitution fördert Menschenhandel“

„Da Fußball-Großereignisse vor allem Männer anlocken, steigern sie die Nachfrage nach Prostitution - und somit indirekt auch den Menschenhandel“, erklärte Anna Mayerhofer, Leiterin der Wiener „Solwodi“-Schutzwohnung für Opfer von Menschenhandel in Wien, gegenüber „Kathpress“.

Derzeit strömen viele Brasilianer aus armen Dörfern in die Austragungsorte - in der Hoffnung auf Arbeit in Hotels, Bars oder Restaurants. Leicht werden dabei Frauen, zunehmend jedoch auch Kinder zu Opfern von Menschenhändlern, die sie unter falschen Versprechungen anlocken. Einem Bericht der Tageszeitung „Welt“ zufolge (Mittwochausgabe) hat sich die Zahl der Kinderprostituierten in Brasilien seit zehn Jahren vervierfacht und beträgt laut Schätzungen derzeit um die 400.000, wobei drei der Spielorte - Fortaleza, Belo Horizonte und Recife - als „Hotspots“ für dieses Problem gelten.

Organisationen: Keine Hilfe seitens Regierung und FIFA

Brasiliens Regierung simuliert laut Menschenrechtlern Hilfe nur, und auch seitens der FIFA werde das Problem „praktisch totgeschwiegen“: Ob und wie viel Geld der laut eigenen Angaben 20 Millionen Dollar für Projekte gegen Kinderprostitution ausgegeben wurde, beantworte die FIFA-Pressestelle gegenüber der „Welt“ nicht, vielmehr habe man diesbezüglich „Sorgen und Erwartungen“ gegenüber staatlichen Stellen geäußert.

Im Zuge einer Kampagne klären derzeit 250 Ordensfrauen in Brasilien etwa an Flughäfen oder touristischen Brennpunkten Fans aus aller Welt wie auch potenzielle Opfer auf. Vergleichbar war laut Schwester Mayerhofer die Bewusstseinsarbeit bei der WM 2006 in Deutschland, als sich die deutsche Partnerorganisation „Solwodi“ an einer groß angelegten NGO-Kampagne gegen Menschenhandel beteiligt hatte.

Durchaus habe es Erfolge gegeben, „Frauen haben aus diesem Grund ihre Männer zu den Spielen begleitet, wodurch die anwesenden Familien zu einer Volksfeststimmung beigetragen haben“, berichtete die Franziskanerin von den Missionarinnen Mariens. Aus Zuhälterkreisen sei damals die die Aussage bekannt geworden: „Frauenverbände haben uns das Geschäft vermiest.“

Opfer haben Angst vor Anzeigen

Appelle an Anrainer und Fans gibt es in Brasilien auch dahingehend, Fälle von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel bei den Behörden zu melden, um somit das im Land grassierende Problem der Straflosigkeit zu bekämpfen. Wichtig sei dies, da Anzeigen durch die Betroffenen selbst unmöglich seien, wie Mayerhofer erklärte: „Wenn Frauen Gewalt erleben, abhängig gemacht werden und die Täter wissen, wo ihre Familien leben, so werden sie nie etwas sagen.“ Wichtig seien hier Maßnahmen wie etwa anonyme Schutzwohnungen, um die Opfer aus dem Einflussbereich der Schlepper zu bekommen.

Als nachhaltigste Prävention für Menschenhandel sieht die Ordensfrau den Kampf gegen Armut, „wenn man Familien und speziell Frauen dabei hilft, dass sie nicht plötzlich ohne Möglichkeiten eines Lebensunterhaltes dastehen müssen“, so Mayerhofer.

Eindeutig besteht für Schwester Mayerhofer der Zusammenhang zwischen Prostitution und Menschenhandel, was auch kürzlich das EU-Parlament klar festgestellt habe. „Die Nachfrage nach Prostitution schafft einen Markt und gleichzeitig auch Menschenhandel, da die Anfrage befriedigt werden muss“, so die Ordensfrau. Zielführend seien hier Freierkampagnen, „wo man klar sagt: Leute, ihr wollt eure sexuellen Bedürfnisse befriedigen und konsumiert dabei Menschen, ohne Verantwortung dafür zu übernehmen“. Auch in Österreich würde sie sich hier noch mehr Bewusstseinsbildung wünschen, und „dass man nicht tut, als wäre alles in Ordnung“.

religion.ORF.at/APA/KAP

Links: